IVS Wien bezieht Stellung zum Entwurf des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes

Der Entwurf der Bundesregierung zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz birgt – neben vielen anderen Verschlechterungen – auch für Menschen mit Behinderungen einige Fallen, die sich massiv auf deren Einkommenssituation auswirken werden, wenn das Gesetz in dieser Form verabschiedet wird.

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Grundsätzlich ignoriert auch dieser Entwurf die Tatsache, dass es vielen Menschen gibt (und unter diesen eben viele Menschen mit Behinderungen), für die die Mindestsicherung keine kurzfristige Übergangslösung darstellt, sondern die dauerhaft auf sie als oft einzige Einkommensquelle angewiesen sind; hält die IVS Wien fest.

Folgende Punkte fallen gravierend auf:

  • Das Gesetz setzt keine Mindeststandards fest, die von den Ländern zwar über- jedoch nicht unterschritten werden dürfen, sondern normiert Höchstgrenzen. Laut Entwurf steht es den Ländern explizit frei, den als Höchstgrenze festgehaltenen Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz zu unterschreiten. Konsequenterweise wird deshalb auch nicht mehr von einer Mindestsicherung gesprochen, sondern zum alten Begriff der Sozialhilfe, der von vorne herein mit Almosen in Verbindung gebracht wird, zurückgekehrt. Für Menschen mit Behinderungen, die auf diese Leistung angewiesen sind, bedeutet dies, dass sie nicht einmal mit einem österreichweiten Mindestbetrag rechnen können.
  • Dem Prinzip der Obergrenze folgend ist in den formulierten Zielen auch keine Rede mehr von der Ermöglichung sozialer Teilhabe an der Gesellschaft, die in der alten 15a-Vereinbarung zur Mindestsicherung noch als Ziel enthalten war.
  • Die Einbeziehung der Betroffenen in die allgemeine Krankenversicherung bleibt zwar laut den Erläuterungen zum Gesetz aufrecht, wird aber unverständlicherweise nicht im Gesetz selbst festgehalten.
  • Die leistungsberechtigten Personen müssen nachweislich ihre Bereitschaft „zum Einsatz der Arbeitskraft und von aktiven, arbeitsmarktbezogenen Leistungen“ zeigen. Davon sind Menschen, denen einen dauerhafte Arbeitsunfähigkeit beschieden wird, nicht explizit ausgenommen.
  • Der Antrag auf Sozialhilfe muss jährlich gestellt werden, was oft mit psychischen Stress verbunden und völlig unnötig ist.
  • Der Ausschluss von Personen, die zu einer Freiheitsstrafe von zumindest sechs Monaten verurteilt wurden, trifft auch Menschen mit Behinderungen, die bedingt aus dem Maßnahmenvollzug entlassen werden. Eine solche bedingte Entlassung ist oft nur möglich, wenn der Lebensunterhalt gesichert ist, weil erst dann eine sinnvolle Betreuung dieser Menschen möglich ist. Schließt man diese Personengruppe von der Sozialhilfe aus, führt dies dazu, dass sich die Aufenthaltsdauer in der vorbeugenden Maßnahme noch weiter verlängert bzw. bedingte Entlassungen nur mehr in stationäre Einrichtungen möglich sind, was die Kosten für die öffentliche Hand in vielen Fällen unnötig verteuert.
  • Menschen mit Behinderungen leben oft in – teilbetreuten – Wohngemeinschaftenund erfreulicherweise immer weniger in stationären (Groß-)einrichtungen. Nach der Definition des neuen Gesetzes würden diese Menschen in Zukunft als Bedarfsgemeinschaft qualifiziert, was damit verbunden ist, dass sich die Leistungen verringern (100% für die erste Person, 70% für die zweite Person und 45% ab der dritten Person. Damit wäre ein Leben in dieser Form nicht mehr finanzierbar, was dazu führen würde, dass diese Wohngemeinschaften aufgelöst und die betroffenen Menschen wieder in stationären Einrichtungen betreut werden müssten. Abgesehen davon, dass damit gut funktionierende Wohnformen für Menschen mit Behinderungen in Frage gestellt werden, würde eine Rückführung in die stationäre Betreuung die Kosten für die Sozialhilfeträger massiv erhöhen und zwar deutlich mehr, als sie mit der degressiven Ausgestaltung der Sätze einsparen würden.
  • Der im Gesetz ermöglichte zusätzliche anrechnungsfreie Betrag in Höhe von maximal 18% klingt zwar gut, ist aber auch mit keinem Rechtsanspruch verbunden.

Die Stellungnahme der IVS Wien im Wortlaut können Sie hier nachlesen.

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