Lebenshilfe zu Blut-Gentest: Weber fordert breite Debatte über vorgeburtliche Untersuchungsmethoden

Solidarität gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen stärken

Germain Weber
Lebenshilfe Österreich

Der neue Blut-Gentest bei Schwangerschaften mit Verdacht auf Behinderung, der im August in Deutschland und in der Schweiz eingeführt werden soll, belebt die Diskussion rund um vorgeburtliche Untersuchungsmethoden. Die Lebenshilfe Österreich fordert dazu eine breit angelegte Debatte um die Kernfrage: Wie steht unsere Gesellschaft zu einem Leben mit Beeinträchtigung und zur vollen gesellschaftlichen Teilhabe behinderter Menschen?

„Mit dem Blut-Gentest soll festgestellt werden, ob ein Kind mit Down-Syndrom auf die Welt kommt. Die Problemstellung dazu ist vielfältig: Erstens sind Beeinträchtigungen in der Regel nicht durch Untersuchungen vermeidbar. Das ist ein Mythos! Beim Down-Syndrom sind nur etwa 2 Prozent der Fälle erblich bedingt. In den allermeisten Fällen entstehen Beeinträchtigungen durch den freien Prozess der Chromosomenzusammensetzung, durch den Geburtsvorgang oder in der Zeit nach der Geburt. Das zweite Grundproblem ist die Aussage des Gentests, nämlich dass ein Leben mit Down-Syndrom oder mit Behinderung generell in der Gesellschaft möglicherweise nicht erwünscht ist, da es einen medizinischen Mangel darstellt. Die Annahme über behinderungsbedingte Kosten kann ebenfalls eine Rolle spielen. Dies sollte in einer breiten öffentlichen Diskussion diskutiert werden. Dagegen stellen wir fest, dass das Leben von Menschen mit Beeinträchtigungen sehr wohl erfüllt und sinnvoll sein kann – wie das aller anderen Menschen auch“, fasst Weber die Hauptkritikpunkte der Lebenshilfe Österreich zusammen.

Vorgeburtliche Untersuchungsmethoden wie der gerade diskutierte Blut-Gentest tragen dazu bei, dass Behinderung in unserer Gesellschaft weiter nur als Defizit gesehen und dadurch ausgegrenzt wird. Die Lebenshilfe Österreich fordert auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention die Umsetzung der Inklusion, also die selbstverständliche Einbeziehung von Menschen mit Beeinträchtigungen in sämtlichen Bereichen des täglichen Lebens.

Weber: „Einerseits verpflichtet sich die Republik zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in einem Nationalen Aktionsplan und ist bereit, viel in Inklusion zu investieren. Andererseits soll gleichzeitig in die Vermeidung behinderten Lebens investiert werden. Hier erleben wir einen Widerspruch, der uns zum Handeln zwingt.“

Die Lebenshilfe Österreich fordert eine grundlegende ethische Debatte, wie sie der Nationale Aktionsplan Behinderung (NAP) vorsieht. Dort heißt es, dass ein breiter Diskussionsprozess mit allen betroffenen Gruppen über medizinische, rechtliche und ethischen Aspekte der vorgeburtlichen Untersuchung in Gang gebracht werden soll.

„Menschen mit Beeinträchtigungen und ihre Familien haben ein Recht darauf, ein gleichberechtigtes Leben führen zu können und Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe zu haben. Eine Debatte ist ein wichtiges Mittel, die Solidarität der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen zu festigen und ein breiteres gesellschaftliches Bewusstsein zu erzeugen. Wir benötigen vor allem eine Bildung der künftigen Generationen zu dieser wachsenden Thematik. Ein Gesetz allein macht noch keine gute Grundlage für die Entscheidungsfindung der betroffenen Menschen. Ergänzend dazu braucht es qualifizierte, personenzentrierte Beratungen und einen langfristigen gesellschaftlichen Diskurs“, so Weber abschließend.

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