Mit kaputten Reifen kann man nicht fahren

Der umstrittene „reparierte“ Entwurf für eine Novelle des Familienlastenausgleichsgesetzes soll am 24. Oktober 2018 das Plenum des Nationalrats passieren. VertretungsNetz hat sich nun noch einmal mit seinen Bedenken in einem offenen Brief an alle Abgeordneten des Familien- und Sozialausschusses sowie an die BehindertensprecherInnen der Parteien gewandt.

Defektes Auto ohne Räder
Norbert Höldin

Es wäre die letzte Möglichkeit, sicherzustellen, dass alle Personen, die bisher einen Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe hatten, diese auch weiterhin erhalten.

Nach geltender Rechtslage bekommen derzeit auch Menschen mit Behinderungen, die in einer betreuten Einrichtung leben, die erhöhte Familienbeihilfe, außer wenn der Unterhalt „zur Gänze“ durch die öffentliche Hand gedeckt ist.

Schon jetzt sind auch in vollbetreuten Einrichtungen nur die Kosten für Unterkunft, Betreuung und Verpflegung gedeckt.

Bekleidung, Hilfsmittel, Therapien, Arztkosten, Besuchs- und Begleitdienste: all diese Aufwendungen, die oftmals in Zusammenhang mit Behinderungen erst erforderlich werden, sind mittels Pflegegeld, „Taschengeld“ für die Arbeit in Werkstätten und erhöhter Familienbeihilfe zu begleichen – und sorgen bisher schon meist für einen engen finanziellen Spielraum der Betroffenen.

Selbstbestimmung geht sich nicht mehr aus?

Ohne die erhöhte Familienbeihilfe wären aber auch viele individuelle Wohnformen für junge Erwachsene – von Trainingswohnungen bis Wohngemeinschaften – gefährdet, da Menschen mit Behinderungen auch dort oft umfassendere und nicht nur punktuelle Unterstützung benötigen, die selbst finanziert werden muss. Ein entscheidender Schritt zu mehr Selbstbestimmung würde verhindert.

Der nun vorliegende Gesetzesentwurf lässt sogar offen, ob Menschen mit Behinderungen, die in betreuten Wohnformen leben, überhaupt Familienbeihilfe beziehen können: „Neben einer massiven Armutsgefährdung auch eine unerträgliche Rechtsunsicherheit, auf die wir noch einmal aufmerksam machen müssen, warnt VertretungsNetz-Geschäftsführer Peter Schlaffer.

Kritik kommt von vielen Interessensvertretungen: So fand kürzlich der Präsident des österreichischen Behindertenrats, Herbert Pichler, ein anschauliches Bild für den dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorliegenden Entwurf: „Es ist, als hätte man ein Auto mit einem Reifenpatschen zur Reparatur gebracht, der zwar repariert worden ist. Dafür sind jetzt die anderen drei Reifen kaputt“.

VertretungsNetz fordert im Namen von vielen unmittelbar betroffenen KlientInnen eine Reparatur des Gesetzesentwurfs, die diesen Namen verdient.

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