Österreich-Konvent debattiert über Staatsaufgaben und Staatsziele

Ausschuss 1 legte ersten Teilbericht vor

Logo Österreich-Konvent
Österreich-Konvent

Auf der Tagesordnung der heutigen Plenarsitzung des Österreich-Konvents stand der vom Konventspräsidium vorgelegte Teilbericht des Ausschusses 1, der sich mit Staatsaufgaben und Staatszielen befasst. Der Vorsitzende dieses Ausschusse, Heinz Mayer, nahm anfangs zu der bisherigen Arbeit und zu deren Ergebnis Stellung.

Heinz Mayer: Ausschuss 1 bewegt sich in einem politischen Minenfeld

Mayer ließ in seiner Darstellung keinen Zweifel aufkommen, dass die Diskussion im Ausschuss zwar sehr divergierend, dennoch aber tief greifend verlaufen sei. Zunächst seien die Meinungen darüber auseinander gegangen, ob das Ziel eine Spielregelverfassung sein sollte, oder eine, die durch eine Reihe von Staatszielen der Politik inhaltliche Schranken setzt. Der Verfassungsrechtler betonte in diesem Zusammenhang, dass auch die geltende Verfassung keine reine Spielregelverfassung darstelle.

Zunächst, so Mayer, habe man darüber Konsens erzielen können, die bestehenden Staatsziele beizubehalten. Sie sollten aber modernisiert und neuen Verhältnissen angepasst werden. Hinsichtlich neuer Staatsziele sei jedoch die Divergenz unüberbrückbar gewesen, sodass man sich darauf verstanden habe, neue Staatsziele zwar zu diskutieren, jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass eine Entscheidung über die Aufnahme eines Staatszielkatalogs noch aussteht. Viele seien dafür eingetreten, nur einen Grundrechtsschutzkatalog zu formulieren, einige seien aber dafür gewesen, beides zu tun.

Ein Teil der Mitglieder habe sich für eine präzise Verfassung ausgesprochen, während andere wieder meinten, die Präzisierung könnte durch die Höchstgerichte erfolgen. Das würde jedoch eine Verschiebung von Macht und Entscheidungsbefugnissen zu den Höchstgerichten bedeuten, sagte Mayer. Jedenfalls habe der Ausschuss die überwiegende Auffassung vertreten, genaue Regelungen und Formulierungen zu finden, was ein schwieriges Unterfangen sei.

Als Ergebnis der bisherigen Ausschussarbeit fasste Mayer einen Konsens in drei Punkten zusammen: Das Staatsziel des Umweltschutzes müsse in Richtung eines stärkeren ökologischen Ansatzes modernisiert werden; Artikel 9a Absatz 1 und 2 B-VG, der die umfassende Landesverteidigung betrifft, soll nicht mehr Bestandteil des Verfassungsrechts sein; das Verbotsgesetz soll unverändert bestehen bleiben. Was die übrigen bestehenden Staatsziele betrifft, so habe man über deren Neuformulierung keine Übereinstimmung finden können, berichtete Mayer. Die Ausschussmitglieder seien auch überein gekommen, dass im Falle neuer Staatsziele die Daseinsvorsorge und die Bildung „Fixstarter“ sein sollten. Über alle anderen Vorschläge zu neuen Staatszielen konnte kein Konsens beziehungsweise ein Konsens, diese nicht in Erwägung zu ziehen, erzielt werden.

Das vorliegende Diskussionsergebnis als „mager“ anzusehen wollte Mayer nicht gelten lassen, da es seiner Meinung nach irreal wäre, mehr bei einem derartig schwierigen Thema zu erwarten. Schließlich habe man sich dabei in einem „politischen Minenfeld“ bewegt, und dass dabei Meinungen aufeinander prallen, sei nicht überraschend. Im Ausschuss sei viel, gründlich und ehrlich diskutiert worden, und man habe nicht nur mit den vorliegenden Ergebnissen Hilfestellung für die Entscheidungsfindung geleistet, sondern auch in jenen Bereichen, wo man keinen Konsens finden konnte, weil die Diskussion in die Breite und in die Tiefe gegangen sei.

Mayer berichtete auch, dass in der dreizehnten Sitzung des Ausschusses am 1. Februar ein Endbericht des Ausschusses 1 verabschiedet werden konnte, der den Ausschussmitgliedern bereits weitergeleitet worden sei. Dem Präsidium werde dieser spätestens Mittwoch vorgelegt.

Fischer: Verfassung mit Signalen für Behinderte und Minderheiten

Der Zweite Nationalratspräsident Heinz Fischer betonte, er sei mit einem optimistischen Realismus beziehungsweise mit einem realistischen Optimismus in die Konventsarbeit gegangen, und daran habe sich nichts geändert. Man könne bei Projekten ähnlicher Art mit so etwas wie einem Durchbruch nicht in der Halbzeit rechnen. Dieser werde erst in der Schlussphase möglich sein, sagte Fischer. Vor diesem Hintergrund unterstrich er, wie wertvoll die Sammlung von Materialien, Gedanken, Argumenten und Formulierungen sei. Auch seien die VertreterInnen verschiedener Organisationen im Bericht berücksichtigt.

Der Ausschuss habe auch so etwas wie eine Pionierrolle geleistet, indem er in ungespurtem Gelände gefahren sei. Das Grundproblem sei, dass einerseits alle eine schlanke Verfassung wollten, andererseits aber viele Wünsche an sie gerichtet würden. Fischer sprach sich daher dafür aus, da und dort Handschrift zu zeigen und etwa für Behinderte oder Minderheiten Signale zu setzen. Was die umfassende Landesverteidigung betrifft, so hätte er nichts dagegen, wenn diese auch weiterhin Teil der Verfassung bleibt. Die Meinung von Nationalratspräsident Khol, Staatsziele, Grundrechtskatalog und Präambel bildeten eine Einheit, wollte Fischer in dieser dezidierten Form nicht stehen lassen. Diese Auffassung, so Fischer, stelle eine Position dar, sei aber kein Muss. …

Eva Glawischnig lobte den Vorsitzenden des Ausschusses, Heinz Mayer, und würdigte die präzise Vorgangsweise, die beim systematischen Abarbeiten der Vorschläge der Zivilgesellschaft Platz gegriffen hätten. Das Ergebnis sei dennoch gering, kein einziger Punkt der Vorschläge der Zivilgesellschaft sei aufgenommen worden. Als Begründung dafür werden ideologische Auffassungsunterschiede genannt. Diese Begründung wollte Glawischnig nicht gelten lassen, denn welche ideologischen Unterschiede sollten den Konvent daran hindern, die Gleichstellung von Mann und Frau oder die Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Menschen in die Verfassung aufzunehmen? lautete ihre Frage. Dasselbe gelte für soziale Grundrechte, sagte Glawischnig, die sich in der Frage Optimismus/Pessimismus eher auf die Seite der Pessimisten schlug, denn sie konnte sich nur schwer vorstellen, wer der große Zauberer sein könnte, der den Gordischen Knoten auseinander schlagen soll.

Daher Glawischnigs Appell an alle Konventsmitglieder, sich von den Interessen der jeweiligen Organisation zu lösen, aus der jeder komme, und statt dessen über die Anliegen der Menschen zu diskutieren.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich