Offener Protestbrief gegen die beabsichtigte, fortgesetzte Diskriminierung behinderter Menschen

An den Generalsekretär des Wirtschaftsbundes, Abg. z. NR. Peter Haubner

Rollstuhl vor Paragraphenzeichen
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Sehr geehrter Herr Generalsekretär Hauben!

Der Wirtschaft wurde im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz 2006 eine Übergangsfrist von 10 (in Worten: ZEHN) Jahren eingeräumt, damit Betriebe die barrierefreie Zugänglichkeit ihrer Geschäftsräume einrichten können – von 2006 bis 2015! Diese lange Übergangsfrist wurde vom Großteil der österreichischen Wirtschaft und ihrer Interessensvertretung einfach ignoriert. Barrierefreie Geschäftsräume ermöglichen nicht nur behinderten Menschen den Zutritt. Sie erleichtern ihn auch für ältere Mitbürger und Eltern mit Kindern.

Jetzt, wie in Ihrer Wirtschaftsbund-PA vom 26. Juni 2014 auf APA-OTS zu lesen ist, eine Verlängerung dieser Frist um weitere vier Jahre zu fordern, verlängert die Diskriminierung behinderter Menschen durch die österreichische Wirtschaft.

Als betroffener, behinderter Mensch protestiere ich dagegen scharf.

Ihre „Initiative“ zeigt auch, dass Sie das Kundenpotential behinderter Menschen, d.s. 15 % der Bevölkerung, nicht erkennen. Die längst überfällige barrierefreie Gestaltung von Geschäftsräumen wäre in zweierlei Hinsicht ein Impuls für die Wirtschaft. Erstens brächte dies Aufträge für die Bauwirtschaft und zweitens neue Kunden in barrierefreie Geschäfte.

Erst vor wenigen Tagen forderte der Präsident des Wirtschaftsbundes, Christoph Leitl, Impulse um der Wirtschaft zu mehr Wachstum zu verhelfen. Hier wäre eine Chance solche zu setzen.

Zehn Jahre Übergangsfrist sollten für die Wirtschaft genug gewesen sein. Andernfalls könnte man sich fragen, welche Entwicklungen sonst noch verschlafen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Manfred Fischer

Das Antwortschreiben vom 15. Juli 2014

Sehr geehrter Herr Mag. Fischer,
vorab möchte ich festhalten: Wir bekennen uns ganz klar zum Schutz vor Diskriminierung von Menschen mit Behinderung! Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung ist für uns heimische Unternehmer selbstredend ein zentrales Anliegen!
Durch das momentane Gleichstellungsgesetz und dessen Übergangsbestimmungen wird jedoch die gewerbliche Wirtschaft gegenüber der öffentlichen Hand benachteiligt. Während der Bund grundsätzlich bis Ende 2019 Zeit hat, bauliche Barrieren in öffentlichen Gebäuden zu beseitigen, müssen die heimischen Wirtschaftstreibenden bereits Ende 2015 ihre für Kunden zugänglichen Räume barrierefrei gemacht haben.
Das ist eine Ungleichbehandlung! Es ist nicht einzusehen, warum zwischen Unternehmen und öffentlicher Hand wieder einmal ein Unterschied gemacht wird. Warum müssen Finanzämter erst 2019 barrierefrei sein, Hotels aber bereits 2015? Ich fordere daher, gleiches Recht für alle! Das aktuelle Gesetz führt zu einer eindeutigen Benachteiligung der heimischen Unternehmer. Eine Novelle ist daher dringend nötig. Die Privatwirtschaft darf nicht schlechter gestellt werden, als die öffentliche Hand!
Die umzusetzenden Umbaumaßnahmen für eine komplette Barrierefreiheit sind in fast allen Fällen mit enormen finanziellen Kosten verbunden. Kleinere und mittlere Betriebe müssen daher solche großen Investitionen gut planen, sind diese Kosten doch von ihnen selbst zu tragen. Ganz im Gegensatz zur öffentlichen Hand, die einfach das Geld der Steuerzahler dafür ausgibt. Zudem ist zu bedenken, dass umfangreiche Richtlinien des Normungsinstituts zu beachten sind: So dürfen Rollstuhlrampen höchstens eine Steigung von sechs Prozent haben, oder ist die Ausstattung einer behindertengerechten Toilette penibelst geregelt, Aufzüge müssen mit akustischen Signalen ausgestattet sein. Sie sehen also, unsere heimischen Unternehmen haben sich seit Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes intensivst mit dessen Umsetzung beschäftigt!
Auch wenn nunmehr fast alle Parteien im Wirtschaftsparlament geschlossen hinter dieser Novelle stehen, möchte ich gleichzeitig betonen, dass bereits viele Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Betriebe inzwischen für einen barrierefreien Zugang umbauen konnten!
Geben wir nun auch den verbleibenden Betrieben, deren finanzielle Umstände einen Umbau erst zu einem späteren Zeitpunkt zulassen, eine faire Chance! Hierfür bitte ich Sie um Ihr Verständnis.
mit besten Grüßen,
Peter Haubner
Abg.z.NR Peter Haubner
Generalsekretär
Österreichischer Wirtschaftsbund

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