Landesrat Buchinger und Behindertensprecherin Lapp präsentieren SPÖ-Konzept für Pflege und Betreuung Älterer
Die SPÖ hat am Mittwoch ihr Konzept für Pflege und Betreuung älterer Menschen vorgestellt. Federführend ausgearbeitet wurde es vom Salzburger Soziallandesrat Erwin Buchinger im SPÖ-Kompetenzteam Soziales.
Im Konzept der SPÖ steht der flächendeckende Ausbau der mobilen Pflege im Mittelpunkt, der es ermöglicht, dass die zu Pflegenden so lange wie möglich zu Hause bleiben können, erläuterte Buchinger in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit SPÖ-Behindertensprecherin Christine Lapp. Die beiden SPÖ-Politiker orten in der Regierung einen „Politiknotstand“ bei diesem Thema; denn trotz der Fülle von Wortmeldungen habe die Regierung überhaupt keine Lösung anzubieten.
Auch Lapp kritisierte, dass Kanzler Schüssel in den letzten Jahren „geschlafen hat“. Denn schon vor drei Jahren wurde er auch von Kardinal Christoph Schönborn auf den Pflegenotstand aufmerksam gemacht und gebeten, Lösungen zu finden. Schönborn hat sich für einen Nationalen Aktionsplan für die Pflege ausgesprochen. Geschehen sei freilich nichts. Zuletzt hat Schüssel sogar gemeint, Pflege sei „keine Aufgabe des Staates“. Lapps Fazit: „Die Regierung lässt die pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen im Stich.“
Beim von der SPÖ vorgeschlagenen Ausbau einer flächendeckenden mobilen Pflege kommen die anerkannten sozialen Dienstleister zum Zug, deren Qualität laufend überprüft und damit gesichert werde. Für besonders wichtig hält es Buchinger, dass diese Dienste auch in der Nacht und an den Wochenenden zur Verfügung stehen. Für diese Zeiten solle es auch eine Kofinanzierung aus einem Pflegefonds geben, denn es sei klar, dass sich die Betroffenen das zu den üblichen Tarifen nicht leisten können. Wenn es dieses flächendeckende Angebot an mobilen Diensten gibt, wäre auch das Problem mit der illegalen Beschäftigung in der Pflege weitgehend behoben.
Als zweiten Eckpunkt im SPÖ-Konzept nannte Buchinger die Unterstützung pflegender Angehöriger. Sie leisten zwischen 60 und 80 Prozent der Pflege, vor allem sind es Frauen, die diese sehr beanspruchende Arbeit erledigen. Für sie soll es deutliche Entlastungen geben: erstens durch ein gutes Angebot an Beratung, Information und Supervision; zweitens durch den Ausbau von Tageszentren und Kurzzeitpflegeangeboten (bis zu drei Wochen), die den pflegenden Angehörigen Verschnaufpausen ermöglichen.
Außerdem fordert Buchinger, dass mehr Personen im Pflegebereich ausgebildet werden. Derzeit gebe es deutlich mehr Interessenten als Ausbildungsplätze. Damit könne der Pflegesektor auch die volle Wirksamkeit auf den Arbeitsmarkt entfalten. Buchinger wendet sich im Zusammenhang mit der illegalen Pflege auch entschieden gegen eine Kriminalisierung von Angehörigen oder Betroffenen. „Staatliches Nachschnüffeln lehnen wir ab“, so Buchinger, zugleich dürfen die illegalen Pflegedienste aber selbstverständlich auch nicht von öffentlichen Stellen beworben werden; denn dabei gebe es keine verbindlichen Qualitätsstandards und -kontrollen.
Die SPÖ will auch eine Valorisierung des Pflegegelds und einen bundesweiten Pflegefonds, der jährlich mit 200 Millionen Euro dotiert wird, einrichten. Mit diesen zusätzlichen Mitteln lasse sich der Ausbau der mobilen Dienste bewerkstelligen. Außerdem will die SPÖ für pflegende Angehörige eine Reihe von rechtlichen Verbesserungen schaffen. So soll es einen Rechtsanspruch auf eine zeitlich befristete Arbeitszeitreduktion geben und eine Erleichterung bei der Anstellung von nahen Angehörigen für die Pflege.
Eine Pflegeversicherung wird vom Kompetenzteam Soziales skeptisch bewertet. Zur Frage der Finanzierung erklärte Buchinger, dass statt einer Streichung der Erbschaftssteuern, wie das Finanzminister Grasser will, diese für einen Pflegeschwerpunkt im Budget eingesetzt werden soll.
Gerhard Lichtenauer,
16.08.2006, 17:38
Der hier geforderte Ausbau flächendeckender mobiler Pflegeangebote wäre Aufgabe der Länder bereits seit Einführung des Pflegegeldes seit 13 Jahren gewesen. Im nun präsentierten SPÖ- Konzept wird den (von wem?) „anerkannten“ sozialen Dienstleistern zu viel Bedeutung beigemessen bzw. Kompetenz und Qualität zugesprochen. Haben nicht gerade Diese (natürlich auch mangels gesetzlicher Rahmenbedingungen) Konzeptlosigkeit bewiesen, was eine 24-Stunden- Dauerbetreuung von schwerst pflege- und assistenzbedürftigen Menschen angeht?
In der gegenwärtigen Pflegedebatte wird die Leistung pflegender Angehöriger zwar lobend erwähnt aber de facto bei allen bisherigen Lösungsvorschlägen als unverzichtbare, selbstverständliche Gratisleistung einkalkuliert. Diese sollen weiterhin bis weit über alle vorstellbaren Belastungsgrenzen ausgebeutet werden. Das ist ein Paradebeispiel moderner Sklaverei, welchem sich bisher noch keine Interessensvertretung angenommen hat! Der Vorschlag zur Anstellung auch von nahen Angehörigen für die Pflege und Assistenz ist daher ein interessanter Ansatz. Ich bin aber sehr gespannt, wie sozialdemokratische bzw. gewerkschaftliche Interessen argumentiert werden, um Lohndumping und ausbeuterische Dienstverhältnisse zu verhindern. Denn monatlich bis zu 730 Arbeitsstunden (24×365=8760 pro Jahr), entsprechen mindestens fünf „normalen“ Dienstverhältnissen (Urlaub, Nacht-, Feiertags- und Wochenenddienst eingerechnet aber Fehltage, Ersatzruhezeiten oder Weiterbildung noch gar nicht berücksichtigt – bitte nachrechnen, wer’s nicht glaubt), stellen vermutlich Arbeitsrechtler vor ein unlösbares Problem! Vermutlich wird es aber ohnehin noch lange lauern, bis Pflegearbeit von Angehörigen auch als sozialrechtlich abzusichernde und einkommensmäßig zu berücksichtigende Leistung verstanden wird.
Solange hier keine besseren Lösungsansätze kommen, welche diesen Aspekt berücksichtigen, wären nur nach oben offene, bedarfsgerechte Pflegestufen eine Lösung. Warum erfolgt im SPÖ- Konzept keine Erwähnung des Modells „Persönliche Assistenz“, wo doch erst dieses Konzept bei bedarfsdeckender Konzeption der berechtigten Forderung nach selbstbestimmtem Leben gerecht würde?
Im Zusammenhang mit dem Betreuungs- und Pflegenotstand wird der Anschein erweckt, als gehe es nur um das Problem der Altenbetreuung. Pflege und Assistenz für Menschen mit Behinderungen wird nahezu völlig ausgeklammert. Wird das bewusst nicht thematisiert, weil zwar unseren Mitbürgern das Altern im privaten Rahmen zugestanden wird, behinderte Menschen mit hohem Pflege- und Assistenzbedarf jedoch noch zu gerne in Verwahrungsanstalten abgeschoben werden sollen? Weg mit den Barrieren in den Köpfen! Der Tag würde in die Geschichte eingehen, wenn es der Politik erstmals ernsthaft um die Bedürfnisse der Betroffenen gehen würde.
Wolfgang Mizelli,
16.08.2006, 12:21
Anerkannte Pflegedienste werden laufend überprüft? Warum entsprechen ihre Leistungen dann nicht den Anforderungen derjenigen, die Assistenz brauchen? Das Konzept der SPÖ ist im übrigen ein alter Hut. Und nicht vergessen: auch die SPÖ ist auf Länderebene nicht dafür bekannt, innovative Lösungen im Bereich Assistenz anzubieten. In den meisten Bundesländern ist das Sozialresort von Frauen und Männern der SPÖ besetzt. Und von dort hört man nur: Das kostet zuviel! Aber wir haben Wahlkampf.