Pflegescheck statt Pflegegeld?

Das Europäische Jahr der behinderten Menschen hat erst begonnen und schon müssen wir uns als Betroffene mit "gut gemeinten Vorschlägen" von Politikern auseinander setzen, die uns die Haare zu Berge stehen lassen.

Selbstbestimmt-Leben-Initiative Oberösterreich
SLI Oberösterreich

Im Wahlkampf wurde oft versprochen, sich für eine Gleichstellung und Chancengleichheit von Menschen mit einer Beeinträchtigung einzusetzen. Stattdessen sind nun von Gusenbauer & Co plötzlich ganz andere Töne zu hören.

„Pflegescheck (= Gutschein, der bei bestimmten Organisationen gegen Sachleistungen eingetauscht werden kann) statt Pflegegeld“ lautet die Forderung von Politikern, die scheinbar keine Ahnung haben, um was es geht. Diese ‚Formel‘ bringt uns Betroffene auf die Barrikaden, ist aber auch volkswirtschaftlich völlig unökonomisch.

Laut Homepage Pensionsversicherungsanstalten hat das Pflegegeld folgenden Zweck: „Das Pflegegeld gibt pflegebedürftigen Menschen die Möglichkeit, sich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern. Mit dem Pflegegeld werden Mehraufwendungen pauschal abgegolten. Die finanzielle Absicherung soll pflegebedürftige Menschen in die Lage versetzen, ein selbstbestimmtes und nach den persönlichen Bedürfnissen orientiertes Leben zu führen.“

Von Selbstbestimmung nach persönlichen Bedürfnissen kann aber keine Rede mehr sein, wenn Pflegeschecks nur noch bei bestimmten „Fachdiensten“ eingelöst werden könnten. Jede noch so kleine Wahlmöglichkeit und Eigenverantwortung ist damit ausgeschlossen!

Wir verstehen uns selbst als „ExpertInnen in eigener Sache“, die wissen wie, wann und wo sie Unterstützung brauchen. Daher sind wir durchaus in der Lage, unsere AssistentInnen (und das können auch Angehörige und FreundInnen sein) auf unsere Bedürfnisse hin anzuweisen und/oder zu schulen.

In einigen wenigen Bundesländern (darunter auch Oberösterreich) gibt es mit dem Angebot der „Persönlichen Assistenz“ zumindest einen Ansatz in diese Richtung. Der größte Teil der Bevölkerung und auch der Politiker ist, jedoch immer noch der Meinung: „Wir wissen besser, was für Menschen mit einer Beeinträchtigung gut ist!“ Diese Einstellung kann z. B. zu erzwungenen Heimunterbringungen führen.

Der Schrei nach Professionalität in der Arbeit an behinderten Menschen ist aus dieser Sicht verständlich, aber schlichtweg unfinanzierbar! Es ist einfach nicht vorstellbar, dass alle Pflegegeldbezieher, die heute gegen ein minimales Entgelt von Angehörigen und Freunden unterstützt werden, plötzlich von „Profis“ betreut werden.

Davon abgesehen, dass ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes Angebot an professionellen Diensten (auch in der Nacht) sowieso Utopie ist, sollten erst alle Variationen (einschließlich der Qualitätsmerkmale) mit Betroffenen durchgerechnet werden.

Es würde Politikern besser zu Gesicht stehen, wenn sie sich für eine längst fällige Valorisierung des Pflegegeldes einsetzen würden.

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