Anschaffung von nicht barrierefreien Bussen

  • SchlichtungswerberIn: Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation
  • Unterstützt von: Martin Ladstätter
  • Schlichtungspartner: ÖBB Postbus GmbH
  • Zeitraum: 13. März 2007 bis 4. Juni 2007
  • Bundesland: Wien
  • Gesetzesgrundlage: BGStG
  • Einigung: Nein

Schlichtungsantrag

Die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), in ihrer Eigenschaft als Vertreterin der Interessen behinderter Menschen und als im BGStG benannte Organisation zur Anhörung im Zusammenhang mit der Erstellung der Etappenpläne Verkehr, ersucht um Einleitung eines Schlichtungsverfahrens gemäß BGStG.

Anhand mehrerer, uns vorliegender Informationen müssen wir vom Umstand ausgehen, dass der Schlichtungspartner neue Überlandfahrzeuge nach dem 1. Jänner 2006 für den Kraftfahrlinienverkehr und evtl. auch den Gelegenheitsverkehr angekauft hat – und auch noch ankaufen wird – die nicht den grundsätzlichen Kriterien des barrierefreien Zugangs entsprechen.

Aufmerksam auf diese vermeintliche Diskriminierung wurden wir, nachdem uns die ÖBB-Holding am 20. Dezember 2006 den gemäß §19 BGStG zu erstellenden Etappenplan übermittelt hat. Dieser, elf Tage vor Ablauf der Frist übermittelte, Plan enthält exakte Zahlen über die „Busbeschaffung und Ausstattung“. Dort ist zu lesen:

  • Rd. 55 Niederflurfahrzeuge
  • Rd. 50 Überlandfahrzeuge mit Hebelift
  • Rd. 95 Überlandfahrzeuge ohne Hebelift
  • Dadurch wird klar, dass auch im Jahr 2007 vom Schlichtungspartner rund 2/3 aller NEUEN Überlandfahrzeuge nicht barrierefrei angeschafft werden sollen, was unserer Meinung nach klar gegen das BGStG verstößt. Weiters schreibt das Unternehmen im Etappenplan: „Auch in den Folgejahren werden überwiegend barrierefreie Fahrzeuge angeschafft werden“.

    Wir schließen daraus, dass im Jahr 2007 und in den Folgejahren neue Überlandfahrzeuge für den Kraftfahrlinienverkehr (und evtl. für den Gelegenheitsverkehr) ankauft werden, die keinen Hebelift haben und daher nicht barrierefrei ausgestattet sind. Exakte Zahlen für das Jahr 2006 wurden keine vorgelegt, aber es ist anzunehmen, dass diese Praxis auch schon im Jahr 2006 angewandt wurde.

    Am 12. Februar 2007 haben wir als Reaktion zur angekündigten Anschaffungspolitik folgenden Text an die ÖBB-Holding (als Übermittler des Etappenplanes) übersandt: „Diese Vorgangsweise steht im groben Widerspruch zum BGStG, das vorsieht, dass Neuanschaffungen grundsätzlich barrierefrei sein müssen. Auch in diesem Zusammenhang nehmen wir unsere Warnpflicht wahr und weisen Sie darauf hin, dass bei Umsetzung dieses Vorhabens die Gefahr besteht, dass behinderte Personen und/oder deren Organisationen den Rechtsweg beschreiten werden.“ Wir haben bisher keine Reaktion erhalten.

    Auch auf der Homepage wird diese selektive Einkaufspolitik kundgetan. Dort heißt es beispielsweise: „Es sollen weitere Überlandbusse mit Hebeliften angeschafft werden.“

    Unserem Verständnis nach dürften NUR mehr Überlandbusse mit Hebeliften angeschafft werden.

    Gemäß §13 BGStG sind wir aufgefordert, bei Verstößen gegen das Behindertengleichstellungsgesetz, im Interesse des durch das Gesetz geschützten Personenkreises, eine Verbandsklage auf Feststellung einer Diskriminierung einzubringen.

    „Der Schlichtungspartner ist Marktführer im öffentlichen Regionalverkehr auf der Straße. Heute gehören zum Unternehmen 2.100 Busse, die flächendeckend in ganz Österreich mehr als 900 Linien und 30.000 Kurse fahren. Die etwa 3950 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bemühen sich um jährlich 235 Millionen Fahrgäste und erwirtschaften einen Umsatz von rund 320 Mio EUR.

    Durch diese Marktposition sind Handlungen (und Unterlassungen) des Schlichtungspartners von allgemeinem Interesse für behinderte Menschen, weil sie weit reichende Auswirkungen haben. Im konkreten Fall – die Anschaffung einer Vielzahl von neuen, aber nicht barrierefreien Überlandfahrzeugen – werden die Interessen der durch das Gesetz zu schützenden Personen wesentlich und dauerhaft beeinträchtigt, weil diese Fahrzeuge beispielsweise für Rollstuhlfahrer nicht benutzbar sind.

    Unser Antrag eines Schlichtungsverfahrens ist als Versuch einer gütlichen Einigung und Vorstufe einer Verbandsklage zu sehen. Der Bundesbehindertenbeirat (§ 8 Bundesbehindertengesetz) wird umgehend über diesen Schritt informiert.

    ÖBB Etappenplan für Postbus
    BIZEPS

    Anmerkungen/Bewertung

    Diese Schlichtung war die Vorstufe einer allfälligen Verbandsklage. Da sich die Vertreter der ÖBB bei der ersten Schlichtungsverhandlung sehr uninformiert zeigten, wurde die schriftliche Beantwortung einer Reihe von Fragen für die zweite Schlichtungsverhandlung angekündigt.

    1. Werden ab 2008 ausschließlich barrierefreie Busse angeschafft? Antwort: Je nach Busbeschaffungsprogramm wird der Postbus die Barrierefreiheit bei den zu beschaffenden Bussen sicherstellen.
    2. Was geschieht mit den nicht barrierefreien Bussen bis Ende 2008? Antwort: Darlegung der Rechtsansicht, dass auch nach 2008 nicht barrierefreie Busse eingesetzt werden können, im Gesetz nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Beim Betrieb der Busse nach 2008 werden wir uns an die gesetzlichen Bestimmungen halten. Durch das Busbeschaffungsprogramm werdenden die alten Busse ausgetauscht gegen barrierefreie Busse. Aus technischer Sicht ist ein nachträglicher Einbau (Doppeltüre) bei Überlandbussen nicht möglich.
    3. Was geschieht mit den 2006 angeschafften nicht barrierefreien Bussen? Antwort: Die 2005 bestellten und 2006 erhaltenen Busse, die nicht barrierefrei sind, können nicht barrierefrei umgebaut werden. (siehe Punkt 2 bzw. auf Grund fehlender wirtschaftlicher Möglichkeiten)
    4. Reisebusse: Wie viele werden künftig angeschafft, wie viele davon barrierefrei? Antwort: Darlegung der Rechtsmeinung, warum Anschaffung der 14 nicht barrierefreien Reisebusse (für die Vienna Airport Lines) rechtmäßig war. Gem. Gesetz nicht notwendig; VAL Beschaffung stammt aus 2005 (Deckungskauf) und Hinweis auf alternative Anbindung mit CAT und Schnellbahn S7. Es sind z. Zt. keine Beschaffungen von Reisebussen geplant.
    5. Gibt es Bereitschaft zu einer Mediation auf Geschäftsführerebene? Frist zur Bekanntgabe: bis 27.4.2007 Antwort: Nein.

    Die Stimmung war sehr gespannt und es war klar, dass Postbus kein, wie auch immer geartetes, Entgegenkommen zeigen will. Es wird keinen Umbau von nach dem 1. Jänner 2006 beschafften und nicht zugänglichen Bussen geben. Auch wurde im Gespräch klar, dass es zukünftig nicht barrierefreie Busse geben wird, wenn Postbus diese für geeignet erscheinen (Beispiele waren die Reisebusse und – allgemein formuliert “Busbeschaffungsprogramm”).

    Bewertung durch Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation

    Wichtig im Zusammenhang mit dieser Schlichtung war, nach Auffassung der ÖAR-Experten, dass nur in dieser Teilöffentlichkeit Klarheit zur Ankaufsphilosophie von Postbus geschaffen werden konnte. Ohne die Schlichtung hätte es wahrscheinlich noch stärkeres Hinhalten gegeben.

    Schlecht war – vielleicht war’s auch ein Fehler (mangels Erfahrung) bei der Einleitung der Schlichtung – dass die ÖAR nicht ausreichend (schon im Vorfeld) darauf bestanden hat, auch Gesprächspartner mit inhaltlicher und Entscheidungskompetenz als vis-a-vis zu haben. Schade ist auch, dass es (bei konkreten Einzelfällen ist das wahrscheinlich anders) keine konkreten Festlegungen für die Zukunft gab und dass das dzt. mögliche Verfahren auch kein offizielles Monitoring vorsieht, ob zumindest im Verfahren vereinbarte Dinge umgesetzt werden, bzw. der „Schlichtungsgegner“ die Umsetzung nachweisen muss …

    Aus dem Jahresbericht 2007 der ÖAR, erschienen in Monat März 2008: „Die ÖAR hat ein Schlichtungsverfahren für barrierefreie öffentliche Verkehrsmittel gegen die ÖBB Postus AG geführt, eine einvernehmliche Lösung konnte nicht erzielt werden. Da allerdings unmittelbar nach der Schlichtung, durch ausschließlichen Ankauf barrierefreier Fahrzeuge, erste positive Maßnahmen vorlagen, wurde von einer Verbandsklage abgesehen. Die weitere Ankaufspolitik der ÖBB Postbus AG wird für künftige Aktivitäten der ÖAR ausschlaggebend sein.“

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