Service nur auf eigenes Risiko

  • SchlichtungswerberIn: Max Muster
  • Unterstützt von: Martin Ladstätter
  • Schlichtungspartner: ÖBB-Personenverkehr AG
  • Zeitraum: 2. März 2008 bis 10. April 2008
  • Bundesland: Niederösterreich
  • Gesetzesgrundlage: BGStG
  • Einigung: Ja

Schlichtungsantrag

Im Vorjahr (2007) plante ich, zu meinem Urlaubsort per Bahn anzureisen und habe damals bei der ÖBB telefonisch angefragt, ob es denn nicht möglich wäre, als allein reisender Rollstuhlfahrer mit dem Autoreisezug zu fahren.Eine sehr freundliche Dame am Servicetelefon erklärte mir die Vorgangsweise und erledigte bereits einige Vorarbeiten für die Buchung recht unbürokratisch.

Beim Erwerb meiner Vorteilscard teilte man mir mit, dass es ohne Probleme möglich ist, als Alleinreisender mit dem Autoreisezug zu fahren. Auf meinen Einwand, dass ich nicht selbst mit dem Pkw auf den Autoreisezug bzw. wieder herunter fahren könne, sagte man mir, es sei kein Problem, ein Mitarbeiter sei sicher gerne dazu bereit, das für mich zu erledigen. Ich freute mich über die Hilfsbereitschaft und die Möglichkeit, die weite Strecke „Nerven sparend“ mit der Bahn fahren zu können.

Ich habe das Ticket dann gebucht und bis zu meiner Rückreise aus Vorarlberg hat alles anstandslos geklappt. Bei der Rückkehr in Wien wurde ich selbst zum Bahnsteig gebracht und wartete geduldig darauf, dass auch mein Pkw entladen werde. Als ich nach 20 Minuten immer noch ohne Pkw am Bahnsteig stand (der Pkw befand sich noch am Waggon), wandte ich mich an den dort anwesenden Bahnbediensteten, der mir mit Bedauern mitteilte, dass er selbst keinen Führerschein habe – aber er werde den Lademeister verständigen. Als sich der Lademeister nach weiteren ca. 10 Minuten nicht blicken ließ, erklärte er mir, er werde mit meinem Pkw nicht vom Waggon herunterfahren, da er das – den Vorschriften entsprechend – nicht darf und ich möge mich doch selbst darum kümmern, wie ich zu meinem Pkw komme. Dann erledigte er weitere Arbeiten und ließ mich einfach stehen.

Nach weiteren ca. 20 Minuten erschien er wieder und verlangte von mir, ich möge doch eine „Haftungsfreistellungserklärung“ („Mein Fahrzeug … wird auf meinen ausdrücklichen Wunsch befördert.

Ich erkläre daher, für alle Schäden die mir selbst, den ÖBB oder Dritten durch die Beförderung meines Fahrzeuges entstehen, zur Gänze aufzukommen.“) unterschreiben, damit sowohl er, als auch die ÖBB von der Haftung befreit wären, falls durch das herabfahren vom Waggon mit meinem Pkw die Bahnanlagen bzw. mein Fahrzeug beschädigt würden (bei meinem Fahrzeug handelt es sich um einen serienmäßigen Kombi mit Automatikgetriebe, das von jedem, der einen Führerschein besitzt, gefahren werden kann, da die behinderungsbedingten Umbauten die „normale“ Fahrweise nicht beeinträchtigen).

Ich lehnte es freundlich, aber bestimmt ab, da ich beim Ticketkauf nicht darauf hingewiesen wurde, dass ich mich selbst darum kümmern müsste, wie das Auto auf den Waggon kommt, und ich den geforderten Fahrpreis bezahlt habe. Der Lademeister überließ mich danach einfach meinem Schicksal.

Ich habe es nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass ein mir freundlich gesinnter Mitreisender, dessen Pkw vor meinem auf dem Waggon stand und er deshalb auch nicht vom Waggon herunterfahren konnte, mir zu meinem eigenen Fahrzeug verhalf, sonst hätte ich den ÖAMTC anrufen müssen.

Ich habe mich damals sowohl per Telefon als auch per E-Mail beschwert, aber keinerlei Antwort erhalten. Als ich dieses Jahr wieder mit dem Zug zum Urlaubsort fahren wollte, teilte man mir am Ticketschalter mit, dass ab diesem Jahr (2008) eine Begleitperson für Rollstuhlfahrer mit dem Autoreisezug „Vorschrift“ sei und man als Rollstuhlfahrer somit nicht mehr allein mit dem Autoreisezug reisen dürfe.

Prospekt Autozug mit Haftungfreistellungserklärung
BIZEPS

Schlichtungsvereinbarung

  1. Die ÖBB sagt zu, dass ab 1. Juni 2008 bei Rollstuhlfahrern auf die Haftfreistellungserklärung verzichtet wird. Die ÖBB ersucht jedoch aus organisatorischen Gründen mindestens 24 Stunden vorher um Anmeldung unter 05 – 1717 – Menü 5 und 5 oder .
  2. Da der Schlichtungswerber durch den Vorfall im Jahr 2006 den Tatbestand der Kränkung anführt, ersucht er um eine schriftliche Entschuldigung seitens der ÖBB, die auch zugesichert wurde (spätestens 1. Mai 2008).
  3. Die ÖBB sagt zu, dass bis 1. Juni 2008 auf der Homepage der ÖBB in geeigneter Form auf die oben besprochene Nutzung des Autoreisezuges für Rollstuhlfahrer hingewiesen wird.
Auzug ÖBB-Homepage für Rollstuhlfahrer zum Autoreisezug
BIZEPS

Anmerkungen/Bewertung

Die ÖBB übersandte am 21. April 2008 ein Entschuldigungsschreiben und teilte am 9. Mai 2008 mit: “Die Benutzung des Autoreisezuges ist ab sofort für mobilitätseingeschränkte Kunden ohne Leistung einer Unterschrift möglich.” Weiters erfolgte eine “Verständigung aller MitarbeiterInnen über die Neuregelung” im Intranet der ÖBB: “Achtung! Aufgrund eines Verfahrens beim Bundessozialamt wegen Diskriminierung von RollstuhlfahrerInnen bei der Benützung des Autoreisezuges, entfällt mit sofortiger Wirkung sowohl bei mobilitätseingeschränkten Personen (Rollstuhlfahrern) als auch allen anderen Kunden die Unterzeichnung der Haftungsfreistellungserklärung für das Ver-/Entladen Ihres Fahrzeuges auf den Autoreisezug.”

Bewertung durch Max Muster

Ich habe die Unterlagen bereits vorher an den Behindertenanwalt Mag. Haupt übermittelt, der jedoch in einem Gespräch mit Vertretern der ÖBB nichts erreicht hat, weshalb ich eine Schlichtung beantragt habe. Ich wollte durch die Schlichtung eine Lösung für die Zukunft für alle Rollstuhlfahrer und eine Entschuldigung seitens der ÖBB erreichen.

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