Selbstbestimmtes Leben mit Persönlicher Assistenz

Bei der "Persönlichen Assistenz" unterstützen "Persönliche AssistentInnen" Menschen mit Behinderung in ihrem Alltag, sodass diese gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Aus einem Interview der Zeitung Eibisch-Zuckerl.

Elisabeth Magdlener
Elisabeth Magdlener

Bei der „Persönlichen Assistenz“ unterstützen „Persönliche AssistentInnen“ Menschen mit Behinderung in ihrem Alltag, sodass diese gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Die 28-jährige Diplom-Studentin und Tanzlehrerin Elisabeth Magdlener erzählt von ihren Erfahrungen mit Persönlicher Assistenz und berichtet über den Status quo dieser fortschrittlichen Sozialleistung in Österreich.

Eibisch-Zuckerl: Wie ist Persönliche Assistenz entstanden? Die Independent-Living-Bewegung war glaube ich der Beginn von Persönlicher Assistenz?

Elisabeth Magdlener: Genau. Anfänglich gab es in Österreich – von Seiten des Staates finanziert – nur die Assistenz am Arbeitsplatz und dann später auch Assistenz außerhalb des Arbeitsplatzes. Die Wiener Assistenzgenossenschaft gibt es seit 2003. Davor hatten sich einzelne Personen mühsam und durch viel Streiten mit den Finanzierungsträgern Einzelfalllösungen erkämpft.

Und in manchen Bundesländern ist es noch immer sehr schwierig, Assistenz außerhalb des Arbeitsplatzes finanziert zu bekommen – wenn ich da so an Niederösterreich denke, da ist es schwierig, und in der Steiermark ist es auch sehr begrenzt. Burgenland ist da auch noch sehr im Hintertreffen. In Wien ist es jetzt so, dass es von April 2006 bis April 2008 einen „Modellversuch Persönliche Assistenz“ gab, wo 21 Leute bedarfsgerecht so viel Assistenz finanziert bekommen haben, wie sie es gebraucht haben, das war eine große Neuerung. Und dann sollte das Ganze in ein Regelwerk überlaufen.

Eibisch-Zuckerl: Was bedeutet Persönliche Assistenz für dich?

Elisabeth Magdlener: Ich kann sicher nicht alles selber ausführen, aber mit Persönlicher Assistenz werden einfach Dinge möglich, die mir sonst nicht möglich wären – Dinge, die andere Menschen in ihrem Leben ohne Behinderung auch machen würden. Ich war z.B. am Sonntag bei einem Fest eingeladen und habe einen Kuchen mitgebracht, und den habe ich auch mit der Unterstützung der Assistentin gebacken.

Ohne diese Unterstützung, so wie ich ganz individuell sie eben brauche, wäre das nicht möglich gewesen. Wenn ich jetzt sozusagen in einer Einrichtung leben würde, hätte ich nicht diese individualisierte Unterstützung, da wären dann 2 BetreuerInnen für 6 Leute zuständig. Aber diese individualisierte Unterstützung ermöglicht eben mir oder auch anderen Leuten ein ganz normales Leben zu führen, einem Arbeitsverhältnis nachzugehen, zu studieren und einfach die alltäglichen Hürden, die sonst zur Barriere werden würden, zu überwinden.

Also ich könnte sicher einige Dinge auch alleine machen, aber ich würde dann meine ganze Kraft und Energie schon für die Alltagsbewältigung verbrauchen. Bei mir persönlich geht’s auch sehr viel um eine Ressourcenfreilegung, einfach Ressourcen die ich dann übrig habe, wo ich dann sagen kann, OK ich kann jetzt ein Praktikum anfangen und Berufserfahrungen sammeln und muss die Ressourcen nicht verbrauchen damit ich mich jeden Tag selber anziehe.

Eibisch-Zuckerl: Kannst du einen typischen Tagesablauf mit Persönlicher Assistenz beschreiben?

Elisabeth Magdlener: Also die Assistentin kommt in der Früh und richtet mir das Frühstück, hilft mir bei der Morgentoilette, kocht mit mir das Mittagessen… Es ist so, dass ich persönlich einen Teil des Tages mit der Assistenz verbringe. D.h. ich habe dann auch Assistenz für Wege, für Wegbegleitung, zur Unterstützung, ich nutze sie auch teilweise zur Freizeitgestaltung, also bei den Dingen die ich halt nicht selber kann – zum Einkaufen gehen und wenn ich einmal Fortgehen möchte.

Und durch die Assistenz ist es mir halt einfach auch möglich, einen Haushalt zu führen und unabhängig von meinen Eltern und meinen sozialen Kontakten zu leben. Wo ich mit meinem Vater auch einmal Unstimmigkeiten austragen kann, weil ich jetzt nicht darauf angewiesen bin, dass er mir in den nächsten 5 Minuten irgendwie bei irgendwas hilft, sondern wo man das einfach auch ausdiskutieren kann, wo man aus dieser Abhängigkeitsposition rauskommt.

Im Gymnasium z.B. war ich sehr abhängig von meinen Klassenkollegen und konnte mich dadurch nicht adäquat in die Gesellschaft einfügen.

Eibisch-Zuckerl: Wo siehst du Verbesserungsbedarf in Bezug auf Persönliche Assistenz in Österreich?

Elisabeth Magdlener: Das Problem ist, es gibt keine Rechtsgrundlage für Persönliche Assistenz, im Moment ist es noch eine Kann-Leistung, die dir gewährt werden kann oder auch nicht. Es gab lange Zeit die Angst und Ungewissheit, ob das Land Wien nach Ende des Modellversuchs die Assistenz außerhalb des Arbeitsplatzes nicht überhaupt einstellen würde, man hat lange nicht gewusst wie es überhaupt weitergehen wird. Jetzt geht es Gott sei Dank weiter. Durch die ungewisse Situation waren auch sehr große Existenzängste da.

Was von der Stadträtin Wehsely versprochen wurde, das war die so genannte Wahlfreiheit, dass man entweder die Assistenz über das Arbeitgebermodell machen konnte oder über eine Organisation. Nur ist diese Wahlfreiheit jetzt de facto nicht gegeben, es sieht so aus als ob alle ins Arbeitgebermodell gedrängt werden. Die Stadträtin hat zudem zugesichert, das individuelle Stundenausmaß bedarfsgerecht zu ermöglichen und nicht nach oben hin zu begrenzen. Das wäre super alles, aber es ist leider nicht umgesetzt worden.

Diese neue Pflegegeldergänzungsleistung ist außerdem sehr beschränkt worden auf eine Personengruppe, es gibt viele Menschen die da ausgeschlossen sind, z.B. blinde und gehörlose Menschen, Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung, und auch Menschen die schon in Einrichtungen leben.

Eibisch-Zuckerl: Hast du Hoffnung, dass sich das in Zukunft ändern wird?

Elisabeth Magdlener: Also es hat sich schon vieles geändert… Und ich denke es ist noch ein langer Weg und ein harter Kampf wird es sicher auch werden, bis das dann so finanziert wird wie z.B. in Skandinavien, wo bedarfsgerechte Persönliche Assistenz kein Thema mehr ist, oder in England, Schottland oder Irland – Österreich hat da keine Vorreiterrolle.

Ich würde mir wünschen, dass es auch bei uns eine Selbstverständlichkeit wird, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt leben können und ihren individuellen Alltag haben können. Weil ein Leben mit Behinderung ist genauso ein schönes Leben, wenn man die Möglichkeiten hat. Es muss keiner sagen, wenn man eine Behinderung hat das ist so furchtbar. Es ist nicht furchtbar.

Es sind die sozialen Hindernisse in einer Gesellschaft, die ein Leben mit Behinderung so gestalten wie sie es gestalten. Aber die Behinderung an sich… Jeder Mensch hat Schwierigkeiten in seinem Leben.

Eibisch-Zuckerl: Möchtest du noch etwas hinzufügen?

Elisabeth Magdlener: Es sollte auch bedacht werden, dass Persönliche Assistenz einen volkswirtschaftlichen Nutzen bringt, einerseits dadurch, dass die AssistenznehmerInnen so selbst als KonsumentInnen auftreten und berufstätig sind, andererseits werden zahlreiche Arbeitsplätze für Persönliche AssistentInnen geschaffen.

Und vielleicht ist es auch wichtig zu sagen, es ist nicht immer einfach mit Persönlicher Assistenz zu leben. Es ist nicht immer einfach sein Privatleben mit anderen Menschen zu teilen und ein sehr großer organisatorischer Aufwand, wenn du praktisch bei fast allen Dingen die du unternehmen möchtest eine zweite Person brauchst. Ja. So ist das.

(Das Interview ist in der Straßenzeitung Eibisch-Zuckerl erschienen)

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