Tag der Menschen mit Behinderung: Lobby für Lernschwierigkeiten

Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember: Menschen mit Lernschwierigkeiten brauchen Leichte Sprache. Das neue Barrierefreiheitsgesetz schafft hier kaum Abhilfe.

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Am 3. Dezember ist internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen. Der Tag soll dazu beitragen, Barrieren abzubauen. Das neue Barrierefreiheitsgesetz ist dabei ein wichtiger Schritt. Das Problem? Zugang zu Leichter Sprache wird im aktuellen Gesetzesentwurf nicht garantiert.

„Es braucht verbindliche Vorgaben zu verständlicher Sprache, damit Produkte und Dienstleistungen wirklich für alle Menschen zugänglich sind“, appelliert Klaus Candussi, Obmann des Vereins atempo, der sich seit über 20 Jahren für Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen einsetzt.

Wenig Lobby für Menschen mit Lernschwierigkeiten

Menschen mit Lernschwierigkeiten haben oft nur wenig Lobby. Das neue Barrierefreiheitsgesetz, das nicht ausreichend auf die Bedürfnisse dieser Gruppe eingeht, ist ein Zeugnis davon.

„Als Mensch mit Lernschwierigkeiten brauche ich Leichte Sprache auf Sprachstufe A2 oder B1. Sonst verstehe ich sie nicht“, erklärt atempo-Mitarbeiter Johann Stadler. Damit ist er nicht allein: Über die Hälfte aller Menschen hat Probleme, komplexe Informationen von Unternehmen und Behörden zu verstehen.

„Verständliche Information“ für 58% der Bevölkerung nicht verständlich

Laut neuem Barrierefreiheitsgesetz müssen Privatunternehmen in verständlicher Sprache kommunizieren. Allerdings wird dieses wichtige Thema dabei nur in schwammigen Formulierungen behandelt; an einer Stelle wird „verständliche Information“ als Sprachniveau B2 definiert.

Damit gefährdet das Gesetz nicht nur das selbstbestimmte Leben von Menschen mit Lernschwierigkeiten, sondern erreicht ganze 58% der Bevölkerung nicht, weil so viele nicht auf diesem Sprachniveau lesen können.

Verständlich schreiben heißt maximal Sprachstufe B1

„Um barrierefreien Zugang für alle Menschen zu garantieren, sollte verständliche Sprache als Sprachniveau A2 oder B1 definiert werden“, plädiert Klaus Candussi.

Diese Forderung unterstützen auch andere Stellungnahmen zum Barrierefreiheitsgesetz, etwa von der Lebenshilfe Österreich (Markus Neuherz), dem Österreichischen Behindertenrat (Martin Ladstätter), Selbstbestimmt Leben (Didi Ogris), Wolfgang Palle (dem Behindertenbeauftragten der Stadt Graz) sowie dem ÖZIV.

Leichte Sprache durch digitale Tools auch für KMU zumutbar

In der Wirtschaft wird häufig die Zumutbarkeit der Barrierefreiheit diskutiert. Tatsächlich ist verständliche Sprache aber durch digitale Tools schon jetzt auch für Kleinunternehmen niederschwellig und kostengünstig möglich. Eine Möglichkeit ist etwa die automatisierte Textvereinfachungs-Software capito digital, die aus einer Idee des atempo-Gründungsteams entwickelt wurde.

„Wir konnten bisher bereits über 6.000 Projekte erfolgreich durchführen und so Unternehmen, NGOs und Behörden helfen, ihre Zielgruppen besser zu erreichen“, freut sich Walburga Fröhlich, Geschäftsführerin von capito. Verständlich zu informieren ist also auch Kleinunternehmen zumutbar.

Sprachliche Barrierefreiheit hat auch Vorteile für Unternehmen

Dabei bringt verständliche Kommunikation nicht nur Vorteile für Verbraucher*innen, sondern auch für Unternehmen: Mit etwa 15 % der Bevölkerung machen Menschen mit Behinderungen nämlich einen nicht zu vernachlässigenden Teil der potenziellen Kundschaft aus.

„Ein besseres Barrierefreiheitsgesetz bringt Verbraucher*innen und Unternehmer*innen gleichermaßen Vorteile“, weiß Walburga Fröhlich.

Auch Johann Stadler betont: „Das Barrierefreiheitsgesetz ist nicht wirklich barrierefrei. Wir brauchen ein besseres Gesetz. Davon haben alle etwas.“

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