Trübswasser: „Diskriminierende Befragung von Menschen mit Behinderung muss eingestellt werden“

1.600 Menschen in OÖ von "Beurteilung" betroffen

Gunther Trübswasser
GRÜNE

Vor wenigen Tagen hat in OÖ. eine umfangreiche Befragung von Menschen mit Behinderungen, die in Einrichtungen leben, begonnen. Es soll der Hilfebedarf der BewohnerInnen in den einzelnen Wohneinrichtungen festgestellt werden. Danach soll die Sozialabteilung des Landes OÖ. auf Grund der Ergebnisse mit den Trägern dieser Einrichtungen sog. „Leistungsverträge“ abschließen. Bis Ende September soll der Hilfebedarf von etwa 1.600 Bewohnerinnen und Bewohnern durch die Beantwortung von 147 Fragen erhoben werden.

Nachdem nun der Fragenkatalog bekannt wurde, übt der Integrationssprecher der Grünen, LAbg. Gunther Trübswasser, heftige Kritik an dieser Form der Erhebung des Hilfebedarfs und fordert die sofortige Einstellung dieser Befragung: „Diese Form der Beurteilung von mangelnden physischen Fähigkeiten, psychischen Verfassungen, sozialem Verhalten und persönlichen Gewohnheiten ist diskriminierend. Sie verletzt nicht nur die Privatsphäre jedes oder jeder Einzelnen und ist distanzlos, sondern behandelt die Befragten als Objekte und lassen jeden Respekt vermissen.“

Trübswasser bezeichnet die Erhebungsbögen als „Mängellisten“, die über Menschen angelegt werden sollen und fühlt sich durch die Art und Weise der Fragestellungen in eine Zeit versetzt, die längst überwunden schien.

Trübswasser listet die Kritikpunkte im Einzelnen auf:

Mangelnde Sensibilität

  • Die Fragen richten sich nicht an die Betroffenen, sondern die Interviewer beschreiben die Defizite und Befindlichkeiten „in der Dritten Person“, sie üben also eine Art gutachterliche Tätigkeit aus, die durch nichts legitimiert ist.
  • Die Fragen gehen weit in den Intimbereich jedes/jeder Einzelnen (Art der Körperpflege, Wahl der Kleidung, Essen, Notdurft etc.) und verletzten durch deren Beschreibung die Menschenwürde.

Diskriminierung: Fragebögen sind unbefugte „Pseudogutachten“

  • Durch diese Form der Datenerhebung wird versucht, Menschen zu standardisieren.
  • Auf Grund der Befragung sollen u.a. Orientierung und geistige Fähigkeiten „begutachtet“ werden.
  • Durch die Erhebung werden 15 Fragen über psychische Verfassung und 17 über soziales Verhalten gestellt. Das ergibt Psycho- und Sozialprofile („hat Angst“, „fügt sich in Gruppen“, „ist aggressiv“, „ist gefährlich“(!), „bedroht Personen“(!) u.v.a.m.), die von dazu nicht befugten Personen angefertigt werden.
  • Nahezu alle, die befragt werden sollen, wurden bereits mehrfach begutachtet (z.B. Feststellung der Pflegestufe), es erübrigt sich daher jedes weiter „Scheingutachten“.
  • Die „Begutachtung“ erfolgt von dazu nicht befugten Personen.

Kein Hinweis auf Selbstbestimmung

Befragung lässt keinen Raum für Individualität der Bedürfnisse und kreative Neigungen der Betroffenen

    Was jetzt schon in Einrichtungen immer schwerer finanzierbar und gar nicht Gegenstand der Bedarfserhebung ist, fällt unter die Kategorie Freizeit, Bildung, Kreativität, künstlerische Ambitionen, Freiräume der Persönlichkeitsentwicklung oder Ansprechen von Lebenszielen.

Erheblich Zweifel an der Wissenschaftlichkeit der Befragung

  • Die Art der Fragestellung ist weder sachlich, noch menschlich vertretbar (z.B. ob „Freundschaften gepflegt“ oder was „situationsangemessene Reaktionen“ sind, ist weder objektiv feststellbar, noch für die Erhebung des Hilfebedarf von Belang).
  • Die Befragung sagt mehr über den Fragenden aus, als über den Befragten, wenn z.B. beurteilt wird, ob der „eigene Wohnbereich in Ordnung“ gehalten wird, oder wie die Schuhe geputzt werden. (die Frage, was Ordnung ist und wie geputzte Schuhe aussehen).
  • Der abschließende Kommentar des Interviewers, „traten beim Ausfüllen des Erhebungsbogens Probleme auf?“, lässt jede subjektive Beurteilung zu.
  • Wer beurteilt die Interviewer?

Schwere Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes

  • Im Fragebogen werden eine „Bewohnerkennzahl“, die Wohneinrichtung, in der die/der Betroffene lebt, das Alter, das Geschlecht und die Behinderung festgestellt.
  • Daten aus dem persönlichsten Bereich sowie subjektive Verhaltensbeschreibungen werden aufgezeichnet.
  • Die Identität der Befragten ist allein aus dem Fragebogen und der Bewohnerliste einer Einrichtung herzustellen.

Trübswasser sieht zwar eine Notwendigkeit, die Leistungen der einzelnen Träger zu bewerten und auch überprüfbar zu machen, spricht sich jedoch mit allem Nachdruck gegen ein Verfahren aus, das diskriminierend, verletzend und letztlich vollkommen veraltet ist: „Nicht nur, dass die Art und Weise der Datenerfassung wenig Aussagekraft über den erforderlichen „Aufwand“ an Betreuung bietet, also den eigentlichen Zweck verfehlt, lässt sie jede Sensibilität vermissen und entspricht nicht dem in der Verfassung verankerten Verbot jeglicher Diskriminierung. Kein Menschen würde solche Datenerfassungen zu seiner Person zulassen, wie es mit dieser Erhebung von Menschen mit Behinderungen verlangt wird.“

Trübswasser fordert den sofortigen Stopp der Fragebogenaktion!

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