Österreich hat die Konvention als erster Staat der Welt, vertreten durch Sozialminister Dr. Erwin Buchinger, am 30. März 2007 unterzeichnet. "Seither scheint das Tempo draußen zu sein, denn mittlerweile ist ein volles Jahr vergangen."

Die erste UN Menschrechtskonvention des 21. Jahrhunderts enthält umfassenden Schutz vor Diskriminierungen und soll sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zu allen Menschenrechten wie beispielsweise medizinischer Grundversorgung, Arbeit und Bildung haben. 650 Millionen Menschen mit Behinderungen leben auf der Erde, 80% von ihnen in der Dritten Welt in der Doppelfalle Armut und Behinderung.
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist eine Konvention der Rekorde. Sie ist die erste Konvention des 21. Jahrhunderts. Sie ist die schnellst verhandelte Konvention der Geschichte.
Österreich hat die Konvention als erster Staat der Welt, vertreten durch Sozialminister Dr. Erwin Buchinger, am 30. März 2007 unterzeichnet.
„Seither scheint das Tempo draußen zu sein, denn mittlerweile ist ein volles Jahr vergangen. 17 Staaten, darunter EU-Länder wie Spanien und Ungarn, haben die Konvention bereits ratifiziert – Österreich noch immer nicht“, beklagt Mag. Rupert Roniger, Geschäftsführer von ,Licht für die Welt. „Unsere Politik ist gefordert, mit der Ratifizierung endlich den nächsten Schritt zu setzen und entscheidend mitzuwirken, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt an ihren Gesellschaften teilhaben können“, so Roniger. Dr. Klaus Voget, Präsident der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), stimmt zu: „Aus Sicht der Behindertenverbände ist es unverständlich, warum sich Österreich hier soviel Zeit lässt. Der Bundesregierung würde es gut anstehen, sich bei der Ratifizierung zu beeilen!“
„In Österreich zeigt sich immer deutlicher, dass das Fehlen einer Nationalen Menschenrechtsinstitution zu gravierenden Defiziten in der nationalen Umsetzung internationaler Menschenrechtsstandards führt“, erklärt Univ.Prof.Dr. Manfred Nowak vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte in diesem Zusammenhang. In Erfüllung von UN-Vorgaben muss in jedem Staat eine Institution eingerichtet werden, die sich für die Umsetzung und Einhaltung menschenrechtlicher Standards einsetzt. Weltweit gibt es bereits rund 60 solcher anerkannter Einrichtungen. Nowak weiter: „Die beachtlichen Bemühungen des Außenministeriums und österreichischer Expertinnen und Experten verpuffen, da ihnen auf der innerstaatlichen Ebene – vor allem in den betroffenen Ministerien und im Parlament – keine entsprechende Expertise gegenübersteht und oft der politische Wille zu tatkräftigem Handeln fehlt.“
Martin Ladstätter von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben sieht die Situation in Österreich ähnlich: „Zweck dieses Übereinkommens ist es, die volle und gleichberechtigte Ausübung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten, heißt es in der UN-Konvention. Um dies in Österreich umzusetzen, haben wir sicherlich noch einen langen und mühsamen Weg vor uns. Ein Spezifikum der Behindertendiskriminierung ist nämlich, dass die Aussonderung und Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen einerseits von der Bevölkerung nur unzureichend wahrgenommen wird und andererseits die Verantwortlichen in Österreich das Prinzip der Inklusion noch immer nicht umsetzen wollen.“
„Den Nichtregierungsorganisationen kam nicht nur bei der Entstehung dieses völkerrechtlichen Meilensteins der Behindertenpolitik große Bedeutung zu, ihre Mitwirkung wird auch bei der Umsetzung des UN-Übereinkommens in den einzelnen Mitgliedstaaten unerlässlich sein“, erklärt Sozialminister Dr. Erwin Buchinger in einem Statement anlässlich des einjährigen „Jubiläums“ der Unterzeichnung. „Ein Auftrag für uns, uns weiterhin für die Ratifizierung der Konvention durch Österreich einzusetzen“, so die Podiumsteilnehmer der heutigen Pressekonferenz einhellig.
Eduard Riha,
07.04.2008, 14:43
Daß Österreich die erste Unterschrift leistete, die Ratifizierung aber hinauszögert mag einen guten Grund haben. Unmittelbar nachdem die offiziellen Übersetzungen bekannt wurden, haben Behindertenorganisationen aus dem gesamten deutschen Sprachraum (auch die ÖAR) gegen die deutsche Übersetzung protestiert, da es sinnstörende bis falsche Passagen gab. Da sich seither die betreffenden Staaten noch immer nicht auf eine saubere Neuübersetzung geeinigt haben, macht es Sinn zuzuwarten, um zu einem, auch für die Betroffenen akzeptablen offiziellen Papier zu kommen.
Martin Ladstätter,
04.04.2008, 16:28
@Lukas und Gerhard: Die Sache mit dem Datum ist eindeutig. In der Konvention steht „Dieses Übereinkommen tritt am dreißigsten Tag nach Hinterlegung der zwanzigsten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft.“ (Artikel 45 der Konvention). Also ist es im Mai – konkret am 3. Mai. Siehe auch diesen Artikel: http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=8752
Gerhard Lichtenauer,
04.04.2008, 02:23
… ich korrigiere mich, in Kraft getreten am 3. April 2008 (auch gut!). Das Zusatzprotokoll tritt 30 Tage später in Kraft (für Staaten, die das auch unterzeichnen). Hier die UN-site (englisch): http://www.un.org/disabilities/
Gerhard Lichtenauer,
04.04.2008, 02:00
@ Lukas Huber, ja das bedeutet es. Nicht nur etwas behindertenfreundlicher, sondern der Inhalt der gesamten UN-Konvention wird international durchsetzbares Recht. Ich weiß, das ist etwas optimistisch ausgedrückt, in der Praxis wird`s wohl noch einige Jahre hapern. Für mich ist das heutige in Kraft treten, gerade am 4. April 2008, ein bedeutsamer Termin (wird später mal klar, warum). Es ist ein Anlass, mal tief durchzuatmen und voll Dankbarkeit zu sein, für alle jene Menschen, die an der Entstehung mitgewirkt haben und den Ratifizierungsprozess vorangebracht haben. Es wird zwar noch eine Weile dauern, bis der Mief aus unseren Gesetzen und Amtsstuben der frischen Luft weichen wird aber ich bin mal sehr zuversichtlich. Durchhalten lautet die Devise!
Lukas Huber,
03.04.2008, 23:28
laut ORF.at: „Wie die Vereinten Nationen mitteilten, ratifizierte Ecuador als 20. Land die internationale Konvention für die Rechte behinderter Menschen und setzte sie damit automatisch in Kraft.“
Bedeutet es, dass dadurch Länder darunter Österreich – die noch nicht ratifiziert haben – zu einer behindertenfreundlicheren Politik verpflichtet werden?
Gerhard Lichtenauer,
01.04.2008, 18:33
Zitat: „Doppelfalle Armut und Behinderung“ … keineswegs nur in der Dritten Welt!
„Dreifachfalle: Behinderung, Diskriminierung und Aussonderung“ und „Vierfachfalle: Pflegende Angehörige, Ausbeutung, Diskriminierung und Armut“ … Mittem im „zivilisierten“ Europa. Gesellschaftliche Aussonderung mehr noch, als in vielen Entwicklungsländern.
Gerhard Lichtenauer,
31.03.2008, 22:19
Wird das jetzt vielleicht zu einer alljährlichen Gedenkfeier der grandiosen Pionierleistung, dass Österreich als erste Nation unterzeichnete (weil wir zufällig mit „Austria“ im Alphabet weit vorne stehen)? Wird jetzt wieder ein Jahr lang die Decke des Schweigens und Verdrängens darüber gelegt, damit möglichst lange noch alles so bleiben darf, wie gewohnt?
Von „gravierenden Defiziten in der nationalen Umsetzung internationaler Menschenrechtsstandards“ – die Univ.Prof.Dr. Manfred Nowak völlig korrekt feststellt – wird offensichtlich nicht nur von der Bevölkerung kaum etwas wahrgenommen, sondern vor allem auch von unseren 10 Regierungen sowie 183 NRAbg, 64 BRAbg und 448 LAbg, die dafür verantwortlich sind. (www.appell.at)