Wo gehöre ich dazu?

Meine Mutter hatte während der Schwangerschaft Röteln, dadurch bin ich seh- und hörbehindert.

Lormen
BIZEPS

Als Kind hörte ich jedoch noch mehr. Mit 8 Jahren und mit 16 Jahren hatte ich je einen Hörsturz. In den ersten Volksschuljahren besuchte ich eine normale Volksschule und kam dann in eine Hörbehindertenschule.

Anschließend machte ich den Vorbereitungslehrgang für eine Handelsschule in Wien. Diese Schule mußte ich nach dem zweiten Hörsturz aufgeben, weil ich fast nichts hören konnte. Ich kam dann für drei Monate in ein Rehabilitationszentrum.

Dort lernte ich mit Bus, Straßenbahn und vor allem mit dem Blindenstock umzugehen. Seither kann ich auch alleine fortfahren. Dort habe ich auch das Lormen gelernt. Dies ist ein Tastalphabet in der Handinnenfläche.

Aber ich konnte es mit niemandem verwenden. Nach einer Berufsfindung absolvierte ich einen Kurs als Heilmasseurin. Seither arbeite ich in einem Kurzentrum.

Ich habe mich schon vor vielen Jahren gefragt: „Wo gehöre ich dazu?“ Bei den Blinden fehlt mir das Hören und bei den Gehörlosen fehlt mir das Sehen.

In der Hörbehindertenschule war ich im Unterricht meinen MitschülerInnen oft weit voraus, aber wenn es um die Kommunikation ging, war es umgekehrt. Sie konnten Gebärdensprache und Lippenlesen verwenden, aber ich nicht. Mit den SchülerInnen hatte ich dadurch kaum Kontakt. 1994 lernte ich beim internationalen Taubblindentreffen zum erstenmal andere taubblinde Menschen kennen. Nur bei diesen jährlichen Treffen komme ich in Kontakt mit taubblinden Menschen, mit denen ich mich durch Lormen unterhalten kann, wie ich es mit hörenden Menschen tue. In Österreich habe ich noch keine taubblinden Menschen getroffen, die in meinem Alter sind und mit denen ich mich über das Lormen unterhalten kann.

Ich habe oft das Gefühl, daß mir ungefähr 10 Jahre meines Lebens fehlen. Normalerweise habe ich nur mit Kindern oder Erwachsenen, die meine Eltern sein könnten, Kontakt. Mit Gleichaltrigen gelingt mir dies seit meiner Schulzeit kaum. Wenn ich mit hörenden Menschen zusammen bin, wird mir normalerweise nur das Notwendigste gesagt.

Zuhause wird nur gesprochen und manchmal geschrieben. Meine Mutter kann als einzige ein bißchen lormen. Die meisten Menschen verstehen nicht, daß ich zwar gut sprechen, aber nicht hören kann. Diesem Problem begegne ich sehr oft. In Österreich habe ich nur in der Gehörlosenambulanz kaum Probleme mit der Kommunikation.

Ich lerne Englisch, da ich die Österreichvertretung der taubblinden Menschen im Europäischen Taubblindennetzwerk übernommen habe. Ich möchte mehr Kontakt zu anderen, damit wir in Österreich etwas verändern können. Soviel ich weiß, gibt es bei uns keine Frühförderung für taubblinde Kinder, keine TaubblindenlehrerInnen und KommunkationshelferInnen.

Ich würde gerne Kurse und Vorträge besuchen, aber ich kann niemanden zum Lormen bekommen. Bei der Freizeitgestaltung sieht es auch nicht besser aus.

Ich glaube, daß Öffentlichkeitsarbeit dringend notwendig ist. Bei meiner Arbeit habe ich noch niemanden getroffen, der wußte, daß es taubblinde Menschen gibt.

Andere Länder sind da weit voraus. Ich glaube, daß wir nur durch gute Zusammenarbeit die anderen Länder einholen und für die taubblinden Menschen in Österreich sinnvolle Veränderungen erreichen können.

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