Zukunft der Pflegevorsorge

Erleichterung ist in die Reihen der Betroffenen eingekehrt: Wir sind bei der neuen Novelle noch einmal davongekommen und es gibt sogar einige kleine Verbesserungen. Doch war das alles?

Was ist aus den Forderungen der österreichischen Behindertenbewegung nach Gleichstellung, nach einem selbstbestimmten Leben geworden?

Anfang Juli 1998 wurde vom Nationalrat eine Novellierung des Bundespflegegeldgesetzes beschlossen, die in den Monaten zuvor (siehe BIZEPS-INFO Ausgaben März und April) bereits auf großes Unverständnis gestoßen ist und bei den Betroffenen zu schärfsten Protesten geführt hat. Bekanntlich waren u. a. Schlechterstellungen für die Stufen 5-7 sowie für Personen mit einer kompletten Querschnittlähmung vorgesehen.

Erst nachdem sich das Sozialministerium einer breiten Front, bestehend aus der Arbeiterkammer, der ÖVP und sämtlichen Oppositionsparteien sowie der Behindertenbewegung gegenüberstehen sah, war es bereit, einzulenken.

Die im ursprünglichen Entwurf vorgesehenen Verschlechterungen konnten großteils abgewendet werden. Für einen Teil der PflegegeldbezieherInnen, die jetzt in Stufe 3 sind, wird es durch die Verringerung der notwendigen Stunden sogar mehr Geld geben. Also ist jetzt alles in Ordnung?

Nein, denn sich mit der jetzigen Situation zufrieden zu geben heißt, die Situation falsch einzuschätzen.

Es heißt aber auch, zu vergessen, welche aktuellen Forderungen noch immer unerfüllt sind. Wenn dennoch einige unter uns froh darüber sind, daß wir die geplanten Verschlechterungen abwehren konnten, dann kann man daran ablesen, wie sehr die Hetzkampagne, die Unterstellungen und die beschlossenen Verschlechterungen der letzten Jahre bereits Wirkung zeigen.

Wir sind in der perversen Situation, daß etliche von uns wieder zurückgenommene Verschlechterungen bereits für einen großen Erfolg halten. Hatten wir nicht einmal die Forderung nach einem Pflegegeld in der Höhe des tatsächlichen Bedarfs gegen Nachweis der Auslagen? Oder vertraten wir nicht immer den – anerkannten – Grundsatz, Pflegegeld muß es für alle, ohne Unterschiede wie z. B. Art, Ursache und Alter geben?

Es muß klar gesagt werden: Grundsätzliche Forderungen wie z. B. bedarfsgerechtes Geld, Leistungen für gehörlose Menschen, ein Rechtsanspruch für Kinder unter vier sowie eine automatische Valorisierung ähnlich wie bei den Pensionen wurden noch immer nicht realisiert. Und gravierende Verschlechterungen im Rahmen der angeblich „sozial verträglichen“ (Bundeskanzler Klima) Sparpakete wie z. B. Kürzungen bei der Stufe 1 und Halbierung des sog. Taschengeldes bei BewohnerInnen von Institutionen wurden noch immer nicht rückgängig gemacht.

In all den vergangenen Jahren wurde mit dem finanziellen Aspekt gegen uns argumentiert: Die Kosten der Pflegevorsorge seien höher als berechnet, die Kosten würden explodieren oder würden (wegen der Alterspyramide) von Jahr zu Jahr kräftig ansteigen.

Die Wahrheit aber lautet ganz anders: Die Gesamtzahl der BezieherInnen von Pflegegeld ist seit 1993 (trotz der Hereinnahme von neuen Gruppen) nicht gestiegen und die errechneten Aufwendungen für das Pflegegeld wurden bisher nie erreicht! Ganz im Gegenteil, der Bund hat allein bis zum Vorjahr einen satten Gewinn von weit über 9.000.000.000,- Schilling gemacht. Und dabei ist ein weiteres Ansteigen des Gewinns garantiert, denn allein durch die Einführung der Stufe 1 wird der Bund noch weitere Kosten in Höhe von mehreren Milliarden Schilling einsparen.

Alle Betroffenen fragen sich nun angesichts dieser Zahlen, was ist mit den eingesparten Milliarden geschehen und wann endlich werden diese Gelder für die dringend notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Pflegevorsorge verwendet werden? Fazit: Es mangelt nicht an Geld, es mangelt am politischen Willen!

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