Sexualität von Menschen mit Behinderung darf nicht länger ein Tabuthema sein

Sexualität von Menschen mit Behinderungen ist nach wie vor ein Tabuthema. Eltern, Betreuer und Betroffene trauen sich oft noch nicht, das Thema offen anzusprechen und zu diskutieren.

Symbolbild: Zwei nackte Menschen umarmen einander
Senia

Ich selber spreche aus Erfahrung und hoffe, dass es mir gelingt, mit diesem Artikel Wünsche und Sehnsüchte von Menschen mit Behinderung näher zu bringen. Einige meiner Aussagen habe ich dem Buch „Hautnah“ sowie meinen eigenen Erfahrungen entnommen. Der Autor des Buches, Lothar Sanfordt, ist durch einen Unfall querschnitt gelähmt.

sexuell unattraktiv

Für Menschen mit Behinderungen ist es in vielen Fällen schwierig, Sexualität ausleben zu können, je nach Behinderung, kaum möglich. Selbst viele Betroffene sehen ihre Körper als sexuell unattraktiv.

Schon im Kleinkindalter müssen Betroffene die Erfahrung machen, dass Therapie zu einem ihrer größten Lebensinhalte gehört.

Oft fühlen sie sich als medizinisches Objekt, an dem ständig herumgedoktert und experimentiert wird.

Was willst denn du mit einem Freund?

Wie sollen diese Menschen auch ein anderes Gefühl für ihren Körper bekommen, wenn es ihnen wie beschrieben vermittelt wird.

Ich selber habe schon Sätze gehört wie: „Was willst denn du mit einem Freund? – Du hast doch genügend Freundinnen.“

Hier wird deutlich, dass vielen Menschen mit Behinderung nicht zugesprochen wird, Sexualität zu erleben und zu geben. Auf Grund der vorgelebten Normen werden die Körper oft als unerotisch gesehen. Doch jeder Körper hat etwas Erotisches. Denn für jeden Menschen kann Erotik etwas anderes bedeuten.

Voraussetzung, damit Menschen mit Behinderung Erotik und Sexualität überhaupt ausleben können, müssen erst umfassender geschaffen werden. Hierfür sind die Rahmenbedingungen nicht die Besten.

Ein Pflegebett beispielsweise gibt es nur in Standardgröße 90 mal 200 cm, der Hilfsmittelkatalog der Krankenkassen sieht keine Betten in 140 cm oder breiter vor. Wie sollen in engen Betten zwei Menschen miteinander Platz haben, um ihre Wünsche ausleben zu können?

Nach langem Kampf und dem Wechsel in eine andere Krankenkasse ist es mir gelungen, einen 140 cm breiten Einlegerahmen zu bekommen. Das Bettgestell jedoch musste ich mir selbst kaufen. Doch nicht alle Menschen haben die Kraft diesen steinigen Weg zu gehen und nicht die finanziellen Mittel sich ihr Bett selbst zu kaufen.

Aber kommen wir von den Rahmenbedingungen, den Eltern und Betreuern mal weg. Oft ist es so, dass Menschen mit Behinderung Angst haben, sich zu verlieben und einen Korb zu bekommen. Aus Erfahrungen weiß ich, dass es für viele Menschen schwierig ist, Liebe anzunehmen. Die Angst vor Verletzungen ist oft größer als die Angst vorm Alleinsein.

Ich persönlich habe noch nie einen nicht behinderten Mann näher an mich heran gelassen als auf der kumpelhaften Ebene. Viel zu groß ist meine Angst, wegen meiner Behinderung und der damit eventuell verbundenen Überforderung verlassen zu werden.

Durch das Internet wird vielen Menschen der Flirtfaktor leichter gemacht. Hier steht der Computer zwischen den beiden Chatern. Im Chat kommt es nicht auf Äußerlichkeiten an, sondern hier steht der Charakter der beiden Menschen im Vordergrund.

So können Barrieren in den Köpfen der nicht behinderten Menschen erst gar nicht entstehen. Auch die gegenseitige Scheu ist nicht vorhanden. Im Chat sind alle gleichgestellt. Hier haben die beiden Menschen die Möglichkeit, sich näher zu kommen, ohne dass die körperliche Einschränkung dies erschwert. Sollte es zu einem realen Kennenlernen kommen, ist es wichtig die Behinderung im Vorfeld zu erwähnen, um nicht Gefahr zu laufen, versetzt zu werden.

Sexualität ist etwas Schönes

Sexualität ist etwas Schönes, etwas Sinnliches. Etwas, das jeder Mensch in irgendeiner Weise braucht. Sexualität wird von Menschen in verschiedenster Weise ausgelebt. Für jeden Menschen bedeutet Sexualität etwas anderes. So kann allein das Handhalten des Partners sinnlich sein.

Trotz der unterschiedlichen Wahrnehmungen zu Sexualität ist der Grundgedanke bzw. das Grundbedürfnis bei allen Menschen das Gleiche: Wärme, Zärtlichkeit und Liebe soll dahinter stehen und nicht von Angst überschattet werden.

Natürlich ist das Ausleben von Sex mit einem nicht behinderten Partner viel leichter umzusetzen. Die Flexibilität beginnt schon bei kleineren Unternehmungen bis hin zum Austausch von Zärtlichkeiten.

Es gibt viele behinderte Menschen, die sich eine Beziehung zu einem Menschen mit ähnlicher Einschränkung nicht vorstellen können.

Wenn zwei Menschen mit Behinderung zusammen sind, ist oft auch mehr Hilfestellung bei der Auslebung von Sexualität nötig. Zum Beispiel müssen beide ins Bett gebracht werden, um Zärtlichkeiten austauschen zu können. Das Paar ist, je nach Einschränkung der beiden, nie alleine in der Wohnung oder unterwegs.

Intimsphäre sehr begrenzt

Die Intimsphäre des Paares ist auf Grund der Assistenz sehr begrenzt. Vielen Assistenten ist diese geteilte Intimität unangenehm. Hier spreche ich aus eigener Erfahrung.

Dass ein Paar mit Behinderung trotzdem Sexualität ausleben möchte, ist vielen nicht behinderten Menschen nicht klar.

Das Institut „Selbstbestimmung Behinderter“ hilft Menschen mit Behinderung bei der Auslebung ihrer Sexualität. Es bildet behinderte und nichtbehinderte Menschen zu Sexualassistenten, Sexualbegleitern und Sexualberatern aus.

Sexualassistenten assistieren einem behinderten Paar bei der Auslebung von Sexualität. Sie unterstützen das Liebespaar bei sexuellen Handlungen, die es aufgrund der Behinderungen nicht selbst umsetzen kann.

Im Unterschied hierzu gibt es auch die Möglichkeit Sexualbegleitung in Anspruch zu nehmen. Darunter versteht man kostenpflichtige Sexualität zwischen einem ausgebildeten Sexualbegleiter und einem Menschen mit Behinderung.

Sexualberatung wird häufig von Menschen mit Behinderung durchgeführt

Es wird deutlich, wie unterschiedlich das Thema Sexualität gesehen wird. Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Wichtig ist meiner Ansicht nach nur, dass jeder seine sexuelle und partnerschaftliche Erfüllung findet.

Auch für Menschen mit Behinderung und deren Partner ist der Kinderwunsch oft groß. Von Gynäkologen wird der Kinderwunsch oft nicht ernst genommen und es wird von mehreren Seiten versucht, ihn auszureden. Wenn sich ein Paar für ein Kind entscheidet, ist dieser Wunsch zu respektieren.

Ein Gynäkologe sollte nur die gesundheitlichen Risiken einer Schwangerschaft abklären. Ist dann alles in Ordnung, ist es ratsam, sich frühzeitig über die rechtlichen und praktischen Hilfen bei der Familienarbeit zu informieren.

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