Typisch österreichische Diskussion – am Beispiel der Waldschule

Menschenrechtsdiskussion auf österreichisch; um genau zu sein auf niederösterreichisch. Ein Kommentar.

Ortschild mit Aufdruck Niederösterreich
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Mitte März 2014 berichtet der Kurier über vermeintlichen Medikamenten-Missbrauch in der Waldschule bei Wiener Neustadt/NÖ. Anhand von ganz konkreten Vorwürfen wird ein Artikel geschrieben und die Verantwortlichen zu einer Stellungnahme eingeladen.

1. Akt: Vorwürfe werden heftig abgestritten

Diese Vorwürfe werden rundweg abgestritten. „Mir sind die Vorwürfe theoretisch wie praktisch nicht nachvollziehbar“, heißt es. Doch es tauchen Zweifel ob der vorgelegten Unterlagen auf.

So wird auch ein Video mit Gitterbetten auf der Kurier-Homepage gezeigt, „auf dem die laut Internatsdirektor nicht existierenden Gitterbetten deutlich zu erkennen sind“. Auch Auszüge über die Medikation liegen dem Kurier vor, die von einem Experten als Gewalt an den Kindern angesehen wird. Die praktische Ärztin der Waldschule habe dazu keinen Kommentar abgeben wollen, berichtet der Kurier.

2. Akt: Grundsätzliche Rechte?

„Heim-Sonderschulen gehören aufgelöst und anders verwendet. Wo die Normalität des Lebens fehlt, kann es keine Entwicklung der Kinder geben“, hält Dr. Volker Schönwiese fest und zeigt den Widerspruch zur UN-Konvention über die Recht von Menschen mit Behinderungen auf.

Er fordert daher, „dass die Waldschule und andere gleichartige Einrichtungen einen Plan vorlegen, wie sie sich auflösen.“ Eine Forderung die umgehend abgelehnt wird.

„Und es ist selbstverständlich, dass Eltern glauben, das Beste für ihre Kinder zu tun. Fehler einzugestehen, ist grundsätzlich nicht einfach. Dazu kommt sicherlich der Faktor, dass die LehrerInnen und BetreuerInnen des Internats den Eltern wohl auch das Bild einer beschützenden und heilen Welt vermitteln. Und auch die Behörden raten den Eltern zu diesen Schulen“, ergänzt ÖVP-Behindertensprecher Huainigg.

So forderte auch Theresia Haidlmayr, ehemalige Behindertensprecherin der Grünen, die Schließung der Waldschule, in der sie selbst sieben Jahre verbrachte.

3. Akt: Die (Selbst)Kontrolle

Ziemlich typisch für solche Fälle war der nächste Schritt. Das Land Niederösterreich – prüfte die Landessonderschule – und stellte erwartungsgemäß fest: Keine Missstände gefunden.

Zwar liegt noch kein schriftliches Ergebnis vor, aber die Niederösterreichischen Nachrichten vom 24. März 2014 zitieren Josef Staar, Leiter der Abteilung Schulen des Landes: „Laut derzeitigen Erkenntnissen hat sich kein einziger Vorwurf des ehemaligen Pflegers bewahrheitet.“

Treffend die Zusammenfassung im Kurier: „Das Land ist Schulträger. Selbstkontrolle sozusagen.“ ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger sprach der Wahldschule umgehend die Unterstützung des Landes zu: „Sowohl Schule als auch Internat sind Herzeigeeinrichtungen.“

Dazu schreibt der Kurier weiter: „Die Länder haben ja über Jahrzehnte hinweg nicht kontrolliert, sondern nur finanziert. Die Politik des Landes unterstützt und finanziert diese überholte Einrichtungen. Dies ist kein Einzelbeispiel. Die Politik hat in Österreich im Bund und in den Ländern über Jahrzehnte nicht hingeschaut und war nicht bereit zu steuern.“

Weil das Spiel der ergebnislosen Selbstkontrollen in Österreich Tradition hat, entschloss sich der Gesetzgeber, diesen Kreislauf zu durchbrechen und seit dem Jahr 2012 kann zusätzlich die unabhängige Volksanwaltschaft mit ihren Prüfkommissionen Einschau halten; was auch umgehend passiert ist.

Das Ergebnis der Prüfung ist noch nicht veröffentlicht, die Auswertung erfolgt noch, erfuhr der Kurier.

4. Akt: Konsequenzen?

Die Frage der nächsten Wochen wird sein, ob aus den Vorfällen nun wirklich Konsequenzen gezogen werden oder grundsätzliche Menschenrechte vom Tisch gewischt werden und beschauliche Ruhe in der abgeschiedenen Sonderinstitution „inmitten des Föhrenwaldes bei Wiener Neustadt“ einkehren wird.

Wie es auch anders ginge zeigt ein Bericht im Kurier: „Wiener Neudorf: Wo die Sonderschule nicht existiert

Übrigens: Die derzeitige Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) – sie kommt aus Niederösterreich – hält sich aus jeglicher Diskussion um die Frage der Inklusion und deren Umsetzung heraus. Derzeit ist sie im Pisa-Loch verschwunden. Manche erhoffen trotzdem von ihr Unterstützung in dieser Frage. Ein Wunsch, der sich höchstwahrscheinlich nicht erfüllen wird.

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