Unruhe im Bund Sozialdemokratischer Akademiker

Die vor wenigen Tagen vorgelegte Studie über die "braunen Flecken" der Vergangenheit löst innerhalb des Bundes Sozialdemokratischer Akademiker Verärgerung aus.

Überstellungsantrag Euthanasieanstalt
Wassermann, Franz

Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) hatte im Auftrag des Bundes Sozialdemokratischer Akademiker (BSA) eine Studie über den Umgang mit „braunen Flecken“ der eigenen Vergangenheit untersucht und vor wenigen Tagen dem Präsidenten des BSA und Nationalratsabgeordneten der SPÖ, Dr. Caspar Einem, präsentiert.

Die Studie beschreibt detailliert die verschiedenen Interventionen, mit denen versucht wurde, ehemaligen Nazis zu einer beruflichen und politischen Karriere zu verhelfen und vor beruflichem Ausschluss zu bewahren.

Der „schmerzhafte Klärungsprozess“ sei jedoch notwendig gewesen, „damit Wunden heilen können“, so Einem. Der frühere Verstaatlichten-Minister Waldbrunner hat sich laut Studie neben Adolf Schärf, Bruno Pittermann und Christian Broda am massivsten für die „Karriereförderung“ ehemaliger Nazis bemüht. Das in den Medien bekannteste Beispiel ist der NS-Euthanasiearzt Heinrich Gross, der jahrelang von der SPÖ und dem BSA gefördert und beschützt wurde.

Für einige hochrangige Vertreter des BSA dürfte dieser Prozess zu schmerzhaft gewesen sein. Wie der heutigen Ausgabe der Tageszeitung Kurier zu entnehmen ist, treten der frühere Wiener Bürgermeister und Nationalratspräsident Leopold Gratz und der ehemalige Generaldirektor der Wiener Städtischen Versicherung, Siegfried Sellitsch, aus dem BSA aus.

Gratz, der von 1973 bis 1990 selbst Präsident des BSA war, kritisiert die schonungslose Darstellung der Aktivitäten des ehemaligen BSA-Präsidenten Waldbrunner. Er habe nichts gegen die Aufarbeitung der Vergangenheit, aber das müsse „ehrlich“ geschehen. Vieles in dem Buch stimme einfach nicht, behauptet Gratz.

BSA-Präsident Caspar Einem zeigt im Kurier Verständnis für die Ausgetretenen: „Es ist schwer zu ertragen, sich bei jemanden, den man gut gekannt und gemocht hat, auch die Schattenseiten bewusst zu machen.“ Sich der Vergangenheit zu stellen, sei dennoch richtig – so Einem -, der nicht bereut, dass sich der BSA mutig seiner manches Mal auch dunklen Vergangenheit stellt.

Die SPÖ und der BSA haben nun begonnen, sich mit ihrer Geschichte kritisch auseinander zu setzen. Dieser Umstand muss gewürdigt werden, auch wenn es lange gedauert hat. Dies ist ein wichtiger Beitrag zum heurigen Jubiläums- und Gedenkjahr, in dem 60 Jahre Kriegsende und 50 Jahre Republik Österreich gefeiert werden.

Was macht die ÖVP, die erwiesener Maßen auch um ehemalige Nazis gebuhlt hat? „Die ÖVP hat sich dafür entschieden, mit dem Leugnen und Verdrängen fortzufahren. Alles andere käme für das Gedankenjahr auch zu spät, müsste sie vor der Beschäftigung mit ihren braunen Flecken doch zunächst mit der Aufarbeitung ihrer eigenen faschistischen Vergangenheit beginnen“, schreibt Günter Traxler im Standard vom 20. Jänner 2005.

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