Etikette nicht behindertengerecht

Heftige Kritik an Pressekonferenz der ÖBB-Personenverkehr AG

Die ÖBB-Personenverkehr AG lud am 22. Mai 2006 zu einer Pressekonferenz um die Idee eines neu zu schaffenden Kundenforums zu präsentieren. Doch der Ort war nicht barrierefrei erreichbar, was zu massiver Kritik führte.

„Die ÖBB-Personenverkehr AG gründet ein neues Kundenforum, in dem Vertreter aller Kundengruppen in regelmäßigen Abständen über ihre Erfahrungen mit der Bahn diskutieren werden“, so ist in einer ÖBB-Presseaussendung die Idee zur Qualitätssteigerung nachzulesen.

Das Kundenforum wird als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunde dienen und viermal im Jahr zusammentreffen, kündigen die Vorstandsdirektoren der ÖBB-Personenverkehr AG Wilhelmine Goldmann und Stefan Wehinger, an und rufen Interessentinnen und Interessenten für die Teilnahme am Kundenforum auf, sich zu bewerben.

Das Thema interessiert natürlich eine Reihe von behinderten Journalistinnen und Journalisten. Bekanntlich hat die ÖBB heuer laut Gleichstellungsgesetz einen Etappenplan zur Barrierenbeseitigung vorzulegen.

Wirbel um Pressekonferenz

So gut die Idee auch gemeint war, so kräftig ging die Pressekonferenz der ÖBB-Personenverkehr AG am 22. Mai 2006 in Wien daneben. Der Ort der Presseveranstaltung war nicht barrierefrei zu erreichen. Zwei behinderte Journalistinnen und Journalisten – beide auf den Elektro-Rollstuhl angewiesen – wollten für eine ORF-Radio Sendung an der Präsentation teilnehmen und erlebten Schauerliches.

Einer der beiden wurde über einen Hintereingang zur Veranstaltung geleitet und trotz Lastenaufzug (!) und Begleitung der Veranstalter stand er immer nur vor Stufen. Nach mehr als einer halben Stunde gab er entnervt auf, hielt er im BIZEPS-INFO Forum fest. Auch seiner Kollegin ging es nicht besser. Sie wurde beim Haupteingang empfangen und – wohl aus der Erfahrung mit dem Hintereingang – gleich über die Stufen getragen.

Massive Kritik seitens der ÖAR

Massive Kritik an der Haltung der ÖBB-Personenverkehr AG übte die ÖAR in ihrer Presseaussendung „ÖBB: Behinderte Menschen sind keine Kunden des Personenverkehrs!“

Der Präsident der ÖAR, Dr. Klaus Voget, ist verärgert: „Es ist ein Schlag ins Gesicht behinderter Menschen und zeigt von einer Instinktlosigkeit sondergleichen, wenn im Jahr Eins des Gleichstellungsgesetzes behinderte Menschen von einer entscheidenden Informationsveranstaltung ausgeschlossen werden.“

Weiters kritisiert er die ÖBB-Holding Stabsstelle „Konzernkoordination Barrierefreiheit“. „Die Erfahrungen bisher haben gezeigt, dass diese Maßnahme – außer einer weiteren Verwaltungsebene – keine konkreten Ergebnisse hervorbrachte. Experten sprechen sogar davon, dass Gespräche mit den ÖBB seither noch mühevoller geworden sind, weil sie nicht mehr – wie zuvor – mit den technisch versierten Mitarbeitern der operativen Betriebe geführt werden können. Der jüngste Vorfall gibt diesen Stimmen recht“, so Voget.

Wehinger: „Haben uns selbst ein Bein gestellt“

Am Anfang der Pressekonferenz entschuldigte sich Stefan Wehinger, Vorstandsdirektor der ÖBB-Personenverkehr AG, für die diskriminierenden Vorfälle rund um die Pressekonferenz.

Vorweg nochmals entschuldigen wir uns
SprecherIn: Stefan Wehinger (Vorstandsdirektor der ÖBB-Personenverkehr AG)
Audioquelle: Herby Loitsch

Vorweg nochmals entschuldigen wir uns natürlich für die Unannehmlichkeiten im Bezug auf den Zugang für Mobilitätseingeschränkte. Es ist unsinnig und dumm eine solche Veranstaltung in einem Rahmen zu machen, der nicht den freien Zugang gewährt. Da haben wir uns selber ein Bein gestellt – soll nicht wieder vorkommen.

Ich möchte aber nicht, dass damit bei ihnen eigentlich der Eindruck entsteht, wir kümmern uns nicht darum. Die Frau Goldmann und ich haben sofort – das war eine der ersten Dinge, die wir begonnen haben – eine eigene Stabstelle für Mobilitätseingeschränkte – sowohl im Personenverkehr als auch in der Holding – eingerichtet haben und erstmals schon Dinge auch umgesetzt haben.

Dass noch nicht alles perfekt ist beweisen wir ihnen gerade in der Vorbereitung zu dieser Pressekonferenz, wofür ich mich noch ein Mal entschuldige.

ÖBB entschuldigen sich schriftlich

„Die ÖBB-Personenverkehr AG möchte sich entschuldigen“, lässt sie am Tag darauf in einer Presseaussendung wissen und verspricht in Zukunft verstärkt darauf zu achten, dass „bei Pressekonferenzen ein barrierefreier Zugang gewährleistet ist“.

Den Vorwurf von Voget weist Reinhard Rodlauer, ÖBB-Holding Stabsstelle „Konzernkoordination Barrierefreiheit“, aber entschieden zurück und verweist auf eine Reihe Projekten, die realisiert wurden bzw. in Zukunft realisiert werden sollen.

Beschwerdeanlaufstelle beim Schienenregulator

Im Zuge der Novellierung des Eisenbahngesetzes wurde auch eine Beschwerdefunktion bei der Schienencontrol GmbH des Verkehrsministeriums eingerichtet. „Damit hat der Gesetzgeber, unabhängig von der ÖBB-internen Beschwerdestelle eine Stelle, geschaffen, die unzufriedenen Kunden die Möglichkeit gibt, auch bei einer unabhängigen Institution Beschwerden einzubringen“, hält Verkehrsstaatssekretär Mag. Helmut Kukacka (ÖVP) fest.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich