„Einfach aber nicht simpel!“

"Wie schreibe ich einfach?" So nannte sich ein bemerkenswerter Vortrag von Elke Mayer, Christopher Meiller und Johannes Reiss im Rahmen der Veranstaltung "Warum barrierefreies Internet?" von "accessible media" am 12. Oktober 2006 in Wien.

Christopher Meiller und Elke Mayer
Ladstätter, Markus

„Willkommen bei der Deutschen Post, der Leistungsmarke für Briefkommunikation, Dialogmarketing und effiziente Outsourcing- und Systemlösungen für das Briefgeschäft.“

Mit diesem Beispiel zeigte Elke Mayer welches Satzungetüm – bestehend nahezu ausschließlich aus Fremdwörtern, zusammengesetzten Substantiven und Anglizismen -, die Deutsche Post ihrem durchschnittlichen Kunden zumutet.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung von accessible media wurden mit diesem Praxisbeispiel direkt und ohne viel Theorie mit dem Thema „Leichte Sprache“ konfrontiert.

Potenzielle Zielgruppen ausgeschlossen

„Für verschiedenste in ihrer Lesekompetenz eingeschränkte Benutzergruppen stellt die sprachliche Erfassung durchschnittlicher Internetauftritte eine Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit dar“, ergänzte Christopher Meiller und erläuterte: „Lange und umständlich formulierte Texte, unübersichtliche Seitengestaltung, komplexe Schachtelsätze und der Einsatz entbehrlicher Fremdwörter erschweren das Verständnis und schließen so potenzielle Zielgruppen von bereitgestellten Inhalten aus.“

Internet basiert auf Text

Internet-Kommunikation ist überwiegend textbasierte Kommunikation, stellte Johannes Reiss fest und erinnerte daran, dass „geschätzte 20.000 Jugendliche jährlich die Schule verlassen, ohne hinreichend sinnerfassend lesen zu können“.

Doch es gibt noch eine Reihe von weiteren Gruppen, die von Leichter Sprache profitieren:

  • Menschen mit nicht-deutscher Muttersprache,
  • Kinder im Volksschulalter
  • sowie Menschen mit Lernschwierigkeiten

„Fortschreitende Demokratisierung“

Das Bereitstellen von Angeboten in Leichter Sprache ist somit einerseits Teil der fortschreitenden Demokratisierung des Internet, erläutert Meiller und führte weiters aus: „Unabhängig von allen rechtlichen Bestimmungen aber ist die Textgestaltung in Leichter Sprache ein zentraler Aspekt der jeweils zielgruppenkonformen Kommunikation, damit Teil einer umfassenden Serviceleistung – und so für den professionellen Internetauftritt von Unternehmen wie Non-Profit-Organisationen gleichermaßen unverzichtbar.“

Grundsatzprogramm

„Man kann gewiss nicht alles simpel sagen, aber man kann es einfach sagen“, zitieren die Vortragenden Kurt Tucholsky. Daher kann als kürzestes Grundsatzprogramm der Leichten Sprache gelten: „Einfach, aber nicht simpel!“

Mehrdeutigkeiten vermeiden

Sprache muss umfassend und nicht nur vage verstanden und begriffen werden, will man Webangebote nicht am Benutzer vorbei formulieren. Mehrdeutigkeiten müssen daher vermieden werden.

Mit den Beispielen „Fritz singt eine Arie oder Fritz singt vor der Polizei oder Hans kauft die Zeitung um 2 Euro oder Hans kauft die Zeitung um 21 Millionen Euro“ wurde dargelegt, wie im Alltag Schwierigkeiten auftreten können.

Mayer erinnerte an folgenden Artikel aus der ORF-Berichterstattung: „SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures warf daraufhin der ÖVP ‚Arroganz‘ vor. Die Volkspartei glaube, Zeitungen kaufen zu können. Bures meinte, die Volkspartei wende 21 Millionen Euro auf …“

Formular: Ernüchternde Erfahrungen

Im nächsten Praxisbeispiel berichtete Reiss über die Erfahrungen mit einem Formular.

„Anlässlich einer größeren Veranstaltung nächste Woche hatte ich die Aufgabe, ein interaktives Anmeldeformular mit allen üblichen Leistungen wie Feedbackmail, Fehlerroutine etc. bereitzustellen. Jetzt mal abgesehen von den Kundenwünschen war es mir natürlich wichtig, das Formular möglichst barrierearm und benutzerfreundlich zu gestalten. Der Adressat war im konkreten Fall ziemlich eindeutig: deutschsprachig, zu 99 % Akademiker und imstande, mehrere Zeilen Text sinnverstehend zu lesen“, umriss er die Anforderungen und die Ausgangslage.

Interessant war, dass aus verschiedenen Gründen trotzdem rund 50 % „schlicht und einfach am korrekten Ausfüllen des Formulars“ scheiterten. Nicht erkannte Barrieren können so auch schnell zum Kostenfaktor werden. Diese Erkenntnis war damit greifbar gemacht worden und so für das Publikum leicht nachvollziehbar.

Gesetzestexte

Das nächste Praxisbeispiel war dem Behindertengleichstellungsgesetz entnommen. Es wurde folgender Text ausgewählt: „Ziel des Bundesgesetzes ist es, die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen oder zu verhindern und damit die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.“

Elke Mayer und Christopher Meiller zeigten Schritt für Schritt, wie sie den Text zerlegten und neu gruppierten.

Über die Vortragenden

Die Vortragenden sind für das Österreichische Jüdische Museum in Eisenstadt und „kommunikationskultur.at – Kultur im Netz“ tätig und wurden im Jahr 2005 für die barrierefreie Umsetzung der Homepage international mit einem BIENE-Award ausgezeichnet.

Petra Groß von „Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland“ würdigte bei der Preisübergabe besonders, dass beim Österreichischen Jüdischen Museum konsequent an Leichte Sprache gedacht wurde.

Hier können Sie den Vortrag „Wie schreibe ich einfach?“ nachlesen.

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