Informationsaustausch zum selbstbestimmten Leben

Am 21. Oktober 2008 besuchte Albena Atanasova (Vizebürgermeisterin der Stadt Sofia) mit einer Delegation aus Bulgarien das Wiener Zentrum für Selbstbestimmtes Leben (BIZEPS).

Albena Atanassova und Annemarie Srb-Rössler im BIZEPS
BIZEPS

Albena Atanasova ist Rollstuhlfahrerin und war in einer Behindertenorganisation in Bulgarien tätig, daher ist ihr die Barrierefreiheit und die Gleichstellung besonders wichtig. Sie hat intensiv am Antidiskriminierungsgesetz in Bulgarien mitgearbeitet, welches im Jahr 2003 geschaffen wurde.

Auch in ihrem persönlichen Alltag setzte sie sich für Barrierefreiheit ein und kam so mit der Direktorin der Schule ihres Sohnes ins Gespräch. Die Schule war für sie als Rollstuhlfahrerin nicht zugänglich und so konnte sie beispielsweise an Elternsprechtagen nicht teilnehmen. Die Direktorin war in der neu gegründeten Partei GERB (Bürger für eine Europäische Entwicklung in Bulgarien) involviert und schlug Atanasova für die Politik vor. So wurde sie nach einer gewonnen Wahl Vizebürgermeisterin der Stadt Sofia und ist für die Bereiche Gesundheit, Behindertenintegration und Soziales zuständig.

Barrierefreiheit ist eine große Herausforderung

In Bulgarien ist noch viel zu tun, hält Atanasova fest und streicht die mangelnde Barrierefreiheit der bulgarischen Hauptstadt hervor. Sie arbeitet dafür, dass „wir überall hinein kommen und dürfen“ und zeigt sich angetan von der Barrierefreiheit in Wien im Vergleich mit Sofia. „Die Barrierefreiheit ist ein großes Problem in Bulgarien“, berichtet sie und erzählt, dass behinderte Menschen häufig daheim leben. „Es gibt wenige Heime“, meint sie. Ein Umstand, den sie hoffentlich nicht ändert, sagen wir mit einem verschmitzten Lächeln.

Im Informationsaustausch berichten wir ihr von anderen Städten wie beispielsweise New York und davon, dass Wien in diesem Vergleich schlecht abschneidet. Sehr lange dauert meist der Austausch von alten in barrierefreie Straßenbahnen, so unsere Erfahrung.

Persönliche Assistenz in Sofia

Sehr wichtig ist Atanasova der Erfahrungsaustausch im Bereich Persönliche Assistenz. In Bulgarien gibt es auf Bundesebene ein sehr schlechtes System, wie behinderte Menschen zu Persönlicher Assistenz kommen. Man habe arbeitslose Personen herangezogen 8 Stunden an 5 Tagen zu arbeiten, erläutert sie. Die Bezahlung ist sehr, sehr schlecht, hält sie fest.

„Wir haben viel mit dem Ministerium diskutiert, aber deren Modell ist nicht gut genug“, hält sie fest und berichtet, dass in Sofia eine eigene Verordnung in Kraft getreten ist. (Schon im Vorjahr berichteten wir in BIZEPS-INFO über Persönliche Assistenz in Sofia.)

Die Vizebürgermeisterin erläuterte die Eckpunkte der Regelung für Persönliche Assistenz in Sofia. In der Landeshauptstadt von Bulgarien leben rund 2 Millionen Menschen. Nach einer Einschätzung einer ärztlichen Kommission können behinderte Menschen im Alter zwischen 5 und 65 Jahren Persönliche Assistenz erhalten. Bisher wurde rund 430 behinderten Menschen in Sofia Persönliche Assistenz bewilligt, so Atanasova, die selbst Persönliche Assistenz nutzt. Wichtig ist ihr die Feststellung, dass in Sofia – im Gegensatz zum System auf Bundesebene in Bulgarien – „ein wirklich gutes Gehalt“ den Assistentinnen und Assistenten gezahlt werden kann.

Es war sehr erfreulich zu hören, dass in Sofia ein sehr fortschrittliches System der Persönlichen Assistenz eingeführt wurde, welches anscheinend den Vergleich mit z. B. dem Wiener System nicht zu scheuen braucht.

Verbesserungsbedarf sieht die Politikerin bei der Einstufung, die nicht praxisgerecht ist. Persönliche Assistenz kann erhalten, wer „mehr als 90 % arbeitsunfähig ist“. Sie selbst ist dies, meint sie lächelnd und erwähnt, dass ihr Arbeitstag nicht selten 16 Stunden habe.

Der Besuch fand in einer sehr freundschaftlichen Atmosphäre statt und es bereitete allen sichtlich Freude die Vor- und Nachteile der jeweiligen Städte zu analysieren und das jeweils Erreichte zu schätzen. Man vereinbarte, weiter in Kontakt zu bleiben, um einander über die aktuellsten Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten.

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