Gruppenklagen auch bald in Österreich möglich?

Manches Mal betreffen Diskriminierungen beziehungsweise daraus folgende Schäden eine Vielzahl von Personen. Die bisherigen Möglichkeiten, dagegen vorzugehen, waren eher gering. Das könnte sich nun ändern.

Gerichtsurteil - Hammer
BilderBox.com

Bekommt Österreich nun doch die Möglichkeit einer Gruppenklage? Es könnte sein.

„Die heimischen Rechtsanwälte drängen auf die Einführung der Gruppenklage. Ein ausgefeilter Entwurf liege im Justizministerium, betonte Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (Örak)“, berichtet die Wiener Zeitung und ergänzt: „Während man hierzulande bereits seit Jahren an einer Gruppenklage bastelt, denkt mittlerweile auch die EU über eine europäische Klagsform nach, mit der mehrere Geschädigte in einem einzigen Verfahren gegen ein und denselben Beklagten vorgehen können.“

„Sammelklage“ auch in Österreich?

Man kennt Sammelklagen aus den USA. Eine Gruppe von Geschädigten findet sich zusammen und klagt gemeinsam gegen eine Benachteiligung.

„In Österreich gibt es zwar keine Sammelklage wie im US-amerikanischen Recht. In Konsumentenschutzklagen (z. B. gegen Banken wegen missbräuchlicher Vertragsklauseln) wurde aber die ‚Klagshäufung’ gemäß § 227 Zivilprozessordnung (ZPO) bereits mehrfach angewendet“, erläutert Mag. Volker Frey vom Klagsverband.

Dabei übertragen die Geschädigten einem Dritten, zum Beispiel dem Verein für Konsumenteninformation (VKI), ihre Ansprüche im Wege einer Inkassozession. „Das bedeutet, dass dieser zwar die Klage führen kann, die erstrittene Summe aber an die ursprünglich Geschädigten weiterzugeben hat“, so Frey, der weiters festhält: „Schadenersatzsummen von mehreren Millionen Dollar im Einzelfall sind aber, im Gegensatz zu den USA, auch in Zukunft nicht zu erwarten.“

Gruppenklage soll kommen

Im aktuellen Regierungsprogramm heißt es dazu: „Durch Gruppenklagen sollen gleichartige Ansprüche mehrerer Betroffener unter Wahrung der Klagsansprüche des Einzelnen leichter durchsetzbar werden. In Fortsetzung der bereits gelaufenen Verhandlungen einigen sich die Koalitionspartner auf eine betragliche Gesamtmindestklagssumme von 20.000 Euro, eine Mindestklägeranzahl von 100 Klägern sowie eine solidarische Prozesskostensicherstellung. Bezüglich der weiteren offenen Punkte für dieses Vorhaben ist die Fortsetzung der Gespräche vereinbart. In diesem Zusammenhang wird vereinbart, dass die Einführung einer Musterklage nicht ins Auge gefasst ist.“

Schon ein Anlauf scheiterte

Schon die Vorgängerregierung wollte die Möglichkeit einer Gruppenklage schaffen. Doch die Wirtschaft legte sich quer: „Unverständlich und nicht nachvollziehbar ist die Haltung der Wirtschaft, insbesondere von WKÖ und IV, die der im Regierungsprogramm vereinbarten gesetzlichen Einführung von Sammelklagen ablehnend gegenüberstehen“, erklärten SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim und SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Johann Maier im Juli 2007.

Der SPÖ-Justizsprecher machte auf die Vorteile von Gruppenverfahren aufmerksam. So seien sie deutlich billiger als Verbandsklagen oder mehrere Einzelklagen, Anwalts- und Gerichtskosten werden gesetzlich begrenzt. Es half alles nichts.

In Österreich bisher schwierige Rechtsdurchsetzung

„Wenn mehrere Geschädigte ihre Ansprüche gegen den gleichen Schädiger geltend machen wollen, dann haben sie es momentan nicht leicht: Sie haben in Österreich nur die Möglichkeit, als Verbraucher ihre Rechte an einen Verband abtreten“, ist in der Presse zu lesen.

„Durch ein neues Gruppenverfahren wird sowohl die Prozessökonomie gefördert als auch eine Grundsatzentscheidung ermöglicht, in der für alle Gruppenmitglieder gemeinsame Tat- und Rechtsfragen geklärt werden“, meint Benn-Ibler.

Justizministerin Dr. Maria Berger (SPÖ) musste im Juni 2008 das Vorhaben als gescheitert abhaken. Die dafür nötige Änderung der Zivilprozessordnung hatte in den Verhandlungen keine ÖVP-Zustimmunggefunden. (Den damaligen Gesetzesentwurf finden Sie auf der Website des Parlaments). Der Klagsverband hatte in seiner Stellungnahme vorgeschlagen, dieses Verfahren auch für Diskriminierungsfälle zugänglich zu machen.

Auch die Arbeiterkammer fordert die rasche Einführung der Gruppenklagen und teilt die Befürchtungen der Wirtschaft nicht, wonach Gruppenklagen als Druckmittel zum Nachteil von Unternehmen eingesetzt werden könnten.

Der Leiter des Verein für Konsumenteninformation (VKI), Peter Kolba, berichtet in einem Artikel in der Wiener Zeitung: „Nahezu alle Sammelklagen des VKI endeten bisher mit einem Vergleich. Die Sammelklage führt also keineswegs zu einer Überlastung der Gerichte, sondern hilft, einen Rechtsstreit endgültig aus der Welt zu schaffen.“

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich