ÖZIV Medienpreis: „Es geht um die Qualität der Beiträge“

In einem ausführlichen Interview erläutert Hedi Schnitzer, Geschäftsführerin des ÖZIV, die Entstehung und Entwicklung des Medienpreises.

Hedi Schnitzer
ÖZIV

Kürzlich wurde der ÖZIV Medienpreis zum vierten Mal ausgeschrieben. Teilnahmeberechtigt sind journalistische Beiträge, die zwischen Oktober 2008 und September 2009 entstanden und in österreichischen Print- oder elektronischen Medien erschienen sind. Einsendeschluss ist der 30. September 2009.

Hedi Schnitzer beantwortet im BIZEPS-INFO Interview die Frage, wie die bisherigen Beiträge der Gewinnerinnen und Gewinner bewertet wurden und ob der Preis ein Instrument des Lobbying ist.

BIZEPS-INFO: Seit dem Jahr 2006 vergibt der ÖZIV den Medienpreis. Wie kam es dazu?

Hedi Schnitzer: Wir haben uns im Jahr 2005 lange und ausführlich mit der künftigen Ausrichtung des ÖZIV auseinandergesetzt. Ein ursprünglicher Vorschlag für eine Vision lautete „Das Thema Behinderung ist enttabuisiert.“ Daraus wurde nach langer Diskussion „Über Behinderung wird offen geredet.“

In diesem Diskussionsprozess wurde sehr deutlich, welch wichtigen Wert die Sprache hat. Aus diesen Überlegungen und natürlich auch zwecks Verwirklichung dieser Vision hat mein Kollege, Stefan Pauser, das Konzept für den ÖZIV Medienpreis entwickelt. Für die Umsetzung war es dann wichtig, dass wir den ÖJC (Österreichischen Journalisten-Club) und dessen Präsidenten, Fred Turnheim, für die Idee gewinnen konnten.

BIZEPS-INFO: Der Ausschreibung ist zu entnehmen: „Das fast ausschließlich durch Defizit geprägte Bild von Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit zu enttabuisieren und zu ändern, hat sich der ÖZIV mit seinem Journalistenpreis zum Ziel gesetzt.“ Was konkret darf man sich darunter vorstellen?

Hedi Schnitzer: Das Thema des Preises, nämlich Menschen mit Behinderung in der Wirtschaft, ermöglicht einen Blick auf das Positive, ohne dass es zu einer Heroisierung der Leistung kommt. Unser Ziel ist es, eine neutrale bis leicht positive Berichterstattung auszuzeichnen – Menschen mit Behinderung sind Menschen wie du und ich. Die steigende Anzahl der Einreichungen zeigt, dass sich Journalisten und Journalistinnen vermehrt und aus unterschiedlichsten Gründen mit dem Thema „Behinderung“ auseinandersetzen.

Besonders erfreulich finde ich, dass die Mitglieder unserer Jury bereit sind, sich im Vorfeld eine Meinung über die einzelnen Beiträge zu bilden. In der Jurysitzung zeigen sie sich durchaus offen für kritische Anmerkungen von Experten und werden durch diesen Dialog zu positiven Meinungsträgern. Ich bin sehr froh, dass Beate Firlinger und Mag. Manfred Fischer uns hier mit ihrem Wissen und Engagement unterstützen.

Haben Massenmedien die besseren Beiträge?

BIZEPS-INFO: Die Gewinnerinnen und Gewinner der letzten drei Jahre betrachtet (2006 von einer der größten Tageszeitungen, der Kleinen Zeitung, 2007 und 2008 vom ORF) stellt sich die Frage: Haben Massenmedien wirklich die besten Beiträge über behinderte Menschen?

Hedi Schnitzer: Wir bemühen uns, mit klaren Auswahlkriterien und einer sehr offenen Diskussion in der Jurysitzung, zu einem nachvollziehbaren und klaren Ergebnis zu kommen. Dennoch ist es wohl sehr schwierig, wirklich von „den besten“ Beiträgen zu sprechen, weil derartige Entscheidungen immer ein bisschen subjektiv sein werden. Dabei spielt sicherlich auch eine Rolle, dass es leichter ist, mit Filmen oder Hörfunkbeiträgen dem Kriterium „Aufmerksamkeit wecken“ zu entsprechen.

Im Jahr 2008 gab es einige wirklich sehr gute Einreichungen, die aber schon in der 1. Runde von der Jury ausgeschieden wurden, weil sie keinen Zusammenhang mit dem Thema Wirtschaft bzw. Arbeitsmarkt aufwiesen. Um diese Beiträge nicht „untergehen“ zu lassen, arbeiten wir an einem Konzept, wie wir derartige Veröffentlichungen dennoch einem breiteren Publikum zugänglich machen könnten.

Was entscheidet: Qualität oder Breitenwirkung?

BIZEPS-INFO: Wenn man kritisch hinterfragt: Was ist dem ÖZIV wichtiger: Die Breitenwirkung oder die Qualität der Beiträge? Ist es nicht seltsam, dass alle bisher ausgezeichneten Beiträge von großen Medien kamen?

Hedi Schnitzer: Für uns geht es primär um die Qualität der Beiträge. Wir als ÖZIV können die Entscheidung der Jury auch nur durch eine Stimme von insgesamt 8 beeinflussen.

Die Medien der bisherigen Preisträger sind meines Erachtens sehr gemischt. Es stellt sich die Frage, was aus Ihrer Sicht genau „große“ Medien sind. Wozu zählen Sie die „Kleine Zeitung“ oder „Welt der Frau“?

Über das Ergebnis im Jahr 2008, in dem letztlich nur Beiträge des ORF geehrt wurden, waren die Jurymitglieder selbst ein bisschen erstaunt. Faktum ist, dass die Beiträge bewertet werden und es in der Entscheidungsfindung gar nicht diskutiert wird, von welchem Medium sie stammen.

BIZEPS-INFO: Wen jemand einen Preis vergibt, dann erwartet er sich auch etwas davon. Was hat der ÖZIV von diesem Preis? Ist er ein Instrument des Lobbying?

Hedi Schnitzer: Damit sind wir bei dem Thema „Breitenwirkung“ gelandet. Wir sind natürlich froh darüber, dass der ÖZIV Medienpreis zunehmend an Bekanntheit gewinnt. Damit sind wir auch in Übereinstimmung mit unserer zuvor genannten Vision. Mir persönlich ist es ehrlich gesagt lieber, wenn das Thema kontrovers diskutiert wird, als wenn es gar nicht thematisiert wird. Als Lobbying-Instrument habe ich den Medienpreis bisher nicht gesehen.

Auf wen kommt es an?

BIZEPS-INFO: Im Gegensatz zu anderen Literaturpreisen – wie beispielsweise Ohrenschmaus – scheint es beim ÖZIV Medienpreis um die Außenansicht zu gehen. Also primär nichtbehinderte Expertinnen und Experten bewerten auch primär nichtbehinderte Journalistinnen und Journalisten, ob sie behinderte Menschen gut darstellen. Ist diese Außenansicht nicht schwierig?

Hedi Schnitzer: Mit Mag. Fischer und Dr. Voget haben wir Betroffene und mit Beate Firlinger eine ausgewiesene Expertin in der Jury. Gleichzeitig versuchen wir Meinungsbildner von Massenmedien in die Jury einzubinden. Was in der Jurysitzung passieren soll und auch passiert, ist, dass die Betroffenen ihre Sichtweise auf die jeweilige Story einbringen und damit den Meinungsbildnern aus den Medien eine Form von Sensibilität für Themen und Geschichten mitgeben.

Zielsetzung ist es, bei Meinungsmachern einen Nachdenkprozess und in der Folge Veränderungen zu initialisieren. Da müssen wir nun mal mit den Nichtbehinderten in Dialog treten. Es käme mir komisch vor, wenn wir für Einsendungen das Kriterium schaffen würden „darf nur von behinderten JournalistInnen stammen“.

Die Jury ist daher gemischt besetzt. Meine bereits geschilderte Erfahrung ist, dass die behinderten Jurymitglieder Expertinnen und Experten in diesem Bereich sind. Die Diskussionen in diesem Gremium zeigen eindeutig, dass wir dadurch Nachdenkprozesse bei den nichtbehinderten Jurymitgliedern ankurbeln.

Schönste Erlebnisse

BIZEPS-INFO: Der ÖZIV hat den Medienpreis nun schon einige Jahre veranstaltet. Was war euer bisher schönstes Erlebnis dabei?

Hedi Schnitzer: Für mich persönlich waren es die Gespräche mit den PreisträgerInnen, die sich alle sehr über ihre Preise gefreut haben und durchwegs gezeigt haben, dass sie an einer positiven und „korrekten“ Berichterstattung interessiert sind.

Im Rahmen der Medienpreis-Gala hat mich am meisten die Tanzperformance im Jahr 2006 berührt.

BIZEPS-INFO: Danke für das interessante Interview.

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