Leben mit Behinderung in der Krise – kann das wirklich alles sein?

Die ZIB 2 berichtet über Menschen mit Behinderung in der Corona-Krise und offenbart dabei einen sehr verengten Blick auf diese Personengruppe. Ein Kommentar.

Rollstuhl vor Paragraphenzeichen
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Leben mit Behinderung in der Krise – so heißt ein kurzer Beitrag in der ZIB 2 vom 29. April 2020. Wer an dieser Stelle eine kritische Bestandsaufnahme der aktuellen Problematiken im Behindertenbereich erwartet, wie sie von Behindertenorganisationen schon seit Wochen kritisch aufgezeigt werden, wird enttäuscht.

Anstatt Informationen von Expertinnen und Experten der Behindertenbewegung zu bekommen, sieht man vor allem eines, nämlich einen sehr beschränkten Blick auf diese Personengruppe.

Gelangweilte Heimbewohner anstatt kritischer Berichterstattung

Im Bericht wird ein Heim besucht, die Betreuerinnen und Betreuer des Heims tragen Kameras und filmen das Heim und ihre Bewohnerinnen und Bewohner. Das vordringlichste Problem der Bewohnerinnen und Bewohner dort scheint die Langeweile zu sein. „Uns ist langweilig“, sagen die wenigen Befragten.

„Jetzt muss das schön langsam aber sicher wieder gelockert werden, weil die Leute wollen wieder arbeiten gehen, die Leute wollen wieder in die Werkstatt und für Behinderte sollen auch wieder die Werkstätten geöffnet werden“, meint ein Mann.

Ein anderer zeigt Verständnis für das Kontaktverbot. Diesbezüglich solle man nicht jammern. Das sei wichtig, damit die Leute wieder gesund werden.

Nach kurzen Wortmeldungen von drei Bewohnerinnen und Bewohnern, die alle ähnlich ausfallen, kommen die Betreuerinnen und Betreuer zu Wort. Man habe Angst, sich gegenseitig anzustecken, meint eine Betreuerin. Für manche Menschen, die auf der Entwicklungsstufe von Kleinkindern wären, sei es schwierig, Abstand zu halten, sagt ein anderer Mitarbeiter.

Die einzigen Fakten, die in dem Bericht thematisiert werden, sind das Fehlen von flächendeckenden Corona-Testungen in den Heimen, die man als Behindertenorganisationen bezeichnet, und dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden.

Die Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen ist mehr

Das fragwürdigste in dem Bericht ist gleich der Titel: „Leben mit Behinderung in der Krise“. Dieser Titel ist irreführend, denn man bekommt ja nur einen kleinen, oberflächlichen Blick in ein Heim, aber nicht alle Menschen mit Behinderungen leben in Heimen oder arbeiten in Werkstätten. Der Bericht erweckt aber den Eindruck, als wäre das die Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen.

Wo sind jene, die mit Persönlicher Assistenz leben, wo sind die Wortmeldungen von Interessensvertretern und Behindertenorganisationen. In diesem Bericht, der eigentlich von Menschen mit Behinderungen handeln sollte, sind diese nur Beiwerk, das Bildmaterial und sozial erwünschte Antworten liefert. Eine kritische Berichterstattung zu aktuellen Problematiken von Menschen mit Behinderungen sieht ganz anders aus.

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5 Kommentare

  • Unwahrscheinlich, dass sich diese Art von Klischee-zwang jemals ändert, weder in der Berichterstattung von Major Medien noch in der alltäglichen Wahrnehmung der nicht persönlich/familiär betroffenen Bevölkerung. Nicht in den nächsten 300 Jahren.
    Ein gut recherchierter, filmischer Beitrag (ich erinnere an: https://www.geyrhalterfilm.com/almfilm aus 2006 ) erfordert psychologischen Tiefgang und setzt eben Interesse am Thema voraus, beim Macher und Medienkonsumenten gleichermaßen.

  • Ich bin jetzt ganz frech und sage: So sieht uns die Öffentlichkeit und so will die Öffentlichkeit uns sehen“. Ich habe vorige Woche schon gesagt (per Nachricht auf Facebook) wir müssen ein Verein werden der alle Interessen der Menschen mit Behinderung und Fachgruppen vertritt. So wie der ÖGB. Welche Organisationen die Menschen mit Behinderung vertreten sind im Behindertenrat?
    Wir sollten versuchen die 1,4 Millionen Menschen mit Behinderung als Mitglieder in diesem gemeinsammen Verein zu gewinnen.
    Bin gerne zu einem persönlichen Gespräch bereit.

  • Sehr guter Kommentar! Gibt von meiner Seite aus nur eine Frage. Da ich so gut wie nie fernsehe: Ist es normal, dass gewisse Leute mit Vor – und Nachnamen betitelt werden und andere nicht? Also auf mich wirkte die Betitelung der HeimbewohnerInnen nur mit Vornamen als sehr respektlos.

    • Ich sehe es auch so, dass es respektlos ist, Menschen mit Behinderungen im Beitrag nur mit dem Vornamen zu erwähnen, wenn im selben Beitrag die BetreuerInnen mit dem vollen Namen erwähnt werden.
      Der Beitrag selbst ist überhaupt sehr einseitig, lieber ORF!

  • Warum Langeweile ich bin im Betreungsteam(Alltagsblegleiter) der Kompass leben e.V Herbstein/Alsfeld/Lauterbach in Hessen Tätig bis auf wenige sind Froh das es im Moment ein Lockdown gibt und das es auch so es geht nur in den Wohneinrichtungen gibt es Proteste das sie nicht in ihre Gruppen gehen können (WfbM) das ist verständlich nur jeder kann sich auch dort sich anstecken und da wird zwar hingewiesen (Nicht Corona Zeit) das sie Hände Waschen sollen dreht man sich rum und kommt wieder ist das WC beschmutzt die Hände sehen aus geht man etwas scharf ran das sie die Hände Waschen sollen da motzen sie und bocken und auch mit dem Mund/Nase Schutz ist bei Behinderte Menschen auch so eine sache ich glaube wie wir hier in Deutschland machen ist Richtig