Abtreibung – Herzstich für Behinderte?

Behinderte Kinder dürfen mit Zustimmung der Mutter noch unmittelbar vor der Geburt getötet werden.

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Eine der Öffentlichkeit in dieser Dimension bislang unbekannte Bestimmung des Strafgesetzbuches sorgt für Diskussionen unter Vertretern aller Parteien, berichtet der „Falter“. Paragraph 97 des Strafgesetzbuches gestattet die Abtreibung eines Kindes bis zur Geburt, wenn ernste Gefahr besteht, „daß das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde“.

„Hier gestattet der Staat die Selektion von unwertem Leben“, empört sich die grüne Behindertensprecherin Theresia Haidlmayr, „wir lehnen diese menschenverachtende Auslese behinderter Menschen dezidiert ab.“

Auf die Regelung aufmerksam gemacht hat ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat, selbst Mutter einer behinderten Tochter. Sie hat die Sonderbestimmung für Behinderte in einem Format-Interview mit der „Hitlerideologie“ verglichen.

„Es geht hier keineswegs um Euthanasie. Oft werden Behinderungen erst viel später erkannt. Frauen stehen unter doppeltem Druck. Sie benötigen in solchen Situationen mehr Zeit für eine Entscheidung“, sagt Roland Miklau, Sektionschef im Justizministerium. Auch Michalek hält die Regelung, „bei der die Konfliktsituation der werdenden Mutter im Vordergrund steht“, für gerechtfertigt: „Ich glaube aber, daß es in dieser Frage in den letzten Jahren eine erhöhte Sensibilisierung in der Bevölkerung gegeben hat.“ Eine Änderung des Strafrechts kann sich Michalek aber nicht vorstellen: „Das wäre nicht der geeignete Weg.“ erklärt er gegenüber dem „Falter“.

Anders wird die Lage von Frauenärzten beurteilt: „Diese gesetzliche Regelung ist sehr, sehr unbefriedigend“, kritisiert Peter Husslein, Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde: „In der Praxis können diese Kinder vor der Geburt durch Herzstich getötet werden. Überlebt das Kind dennoch, muß derselbe Arzt lebenserhaltende Maßnahmen setzen.“

Auch für Frauenministerin Barbara Prammer klingt das Gesetz auf den ersten Blick grausam: „Ich glaube aber, daß es sich hier um eine künstlich inszenierte Debatte handelt. Keine Frau wird so spät abtreiben, wenn sie schon in den ersten drei Monaten von der Behinderung des Kindes erfährt. Keine Frau treibt gerne ab.“

Sektionschef Miklau hält die Bedenken für berechtigt: „Ich glaube aber, daß das Strafrecht diesen Konflikt nicht lösen kann. Wir dürfen eine Schwangere, die in solch einem Gewissenskonflikt steht, nicht mit Strafen zu zwingen, das Kind zur Welt zu bringen.

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