Details zur geplanten Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG in Österreich

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat nun einen ersten Diskussionsentwurf vorgelegt.

Benni Blindflug bei der Berufsberaterin
Krispl, Ulli

Der Entwurf wurde von den Interessensvertretungen der Menschen mit Behinderungen, die in die Ausarbeitung nicht einbezogen waren, mit Ernüchterung zur Kenntnis genommen.

Martin Ladstätter (Verein BIZEPS) kommentierte den Entwurf kurz und bündig mit: „Da steht ja für uns nahezu nichts drinnen“.

Und Dr. Elisabeth Wundsam (Verein Blickkontakt) empörte sich: „Die diskriminierenden Berufsverbote werden ja auch mit diesem Gesetzesvorschlag wieder nicht effektiv bekämpft“.

So weit die ersten Reaktionen auf dieses Diskussionspapier; doch was bringt der Gesetzesentwurf des BMWA nun tatsächlich und welche Schwachstellen oder Mängel weist er auf?

Den Schlüssel zur bis 2. Dezember 2003 erforderlichen Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie in Beschäftigung und Beruf) erblickt das BMWA in einer Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes, das bislang nur die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben regelte. Das Gesetz soll nun zu einem umfassenderen „Gleichbehandlungsgesetz“ werden, in dem unter dem Titel „Gleichbehandlung in der Arbeitswelt“ auch ein eigener Abschnitt 2 – „Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung“ – eingeführt werden soll.

Und hier ist bereits der erste große Schwachpunkt des Entwurfes enthalten; durch die Zusammenfassung der rassischen, ethnischen, religiösen und sexuellen Diskriminierung mit jener auf Grund einer Behinderung oder des Alters wird der spezifischen Lebenssituation und Diskriminierungslage von Menschen mit Behinderungen nicht mehr ausreichend Rechnung getragen, da es sich um einen Themenbereich von vielen handelt und keine ExpertInnen der Menschen mit Behinderungen in die Untersuchungen und Streitbereinigungen eingebunden sind.

Doch nun zu den Einzelheiten:

1. Der Geltungsbereich:

Ein nicht zu unterschätzender Schwachpunkt des Gesetzesvorschlages findet sich bereits in der Regelung des Geltungsbereiches; grundsätzlich sind die Gleichbehandlungsbestimmungen zwar auf Arbeitsverhältnisse aller Art, die auf privatrechtlichem Vertrag beruhen, anzuwenden, nicht jedoch auf Dienstverhältnisse zum Bund, einem Land, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband und auch nicht auf Arbeitsverhältnisse von land- und forstwirtschaftlichen Arbeitern.

Wenn man nun bedenkt, dass die Mehrzahl behinderter Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, so ist es wohl kaum akzeptabel, diese Personengruppe von den Gleichbehandlungsrechten in der Arbeitswelt auszuschließen; so nebenbei sei auch erwähnt, dass etwa der diskriminierende Ausschluss blinder Juristen vom Richteramt oder dem Beruf des Staatsanwalts oder der diskriminierende Ausschluss behinderter Menschen vom einem Studium an der pädagogischen Akademie und damit vom Lehramt mit diesem Gesetzesvorschlag nicht erfasst wäre.

Die Gleichbehandlung und spezielle Förderung – bislang nur von Frauen und Männern – im Bundesdienst regelt nicht das Gleichbehandlungsgesetz, sondern das sogenannte „Bundes-Gleichbehandlungsgesetz“, BGBl. Nr. 100/1993. Dieses Gesetz müsste, um eine weitreichende Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt zu erzielen, ebenfalls um Bestimmungen zur Behindertengleichbehandlung im Bundesdienst erweitert werden. Damit könnte auch der Zugang zum Richteramt, dem Amt des Staatsanwaltes, dem Beruf des Rechtspflegers, den Lehrberufen im Bundesbereich etc. erfasst werden. Damit würde aber darüberhinaus wohl auch die Bevorzugung von Menschen mit Behinderungen (positive Diskriminierung) ermöglicht, die für den Zugang von Frauen zum Bundesdienst, den Aufstieg und die Aus- und Weiterbildung bereits derzeit im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz verankert ist.

2. Das Gleichbehandlungsgebot:

Nach § 8 des Gesetzesvorschlages darf niemand etwa auf Grund einer Behinderung in der Arbeitswelt unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden. Dieses Diskriminierungsverbot bezieht sich insbesondere auch auf den Zugang zu Berufen, die berufliche Ausbildung, die innerbetriebliche Fortbildung und Schulung, den beruflichen Aufstieg sowie das Entgelt.

So weit so gut. Leider wird dieses Diskriminierungsverbot durch den gleich darauf folgenden Absatz empfindlich eingeschränkt, wo es heißt, dass das Diskriminierungsverbot nicht gilt, wenn das Vorliegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem in diesem Gesetz genannten Diskriminierungstatbestand steht, unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist und sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Diese Klausel öffnet der weitestgehenden Beibehaltung der behindertendiskriminierenden Berufsverbote in Österreich Tür und Tor, wurde doch stets die volle „körperliche und geistige Eignung“ als unverzichtbare Voraussetzung für die verschiedensten Berufsausübungen und damit als sachlich gerechtfertigt bezeichnet; und daran würde sich wohl auch durch diesen Gesetzesvorschlag künftig nichts ändern.

3. Die Belästigung als Diskriminierung:

Durch § 9 des Gesetzesentwurfes werden auch Belästigungen – z. B. durch den Arbeitgeber oder Dritte – als Diskriminierungen qualifiziert, worunter insbesondere unerwünschte, unangebrachte oder anstößige Verhaltensweisen als auch Mobbing zu verstehen sein werden. Als Rechtsfolgen sieht der Gesetzesentwurf neben dem konkreten Vermögensschadenersatz auch einen immateriellen Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung – z. B. Verletzung der Würde – in angemessenem Ausmaß, mindestens jedoch von 400 Euro vor.

4. Die Entgeltfestsetzung:

Durch § 10 des Gesetzesvorschlages wird auf den Grundsatz „gleiches Entgelt für gleiche Arbeit oder eine Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird“ hingewiesen.

Doch was wird schon als gleichwertig anerkannt? Was, wenn die volle Arbeitsleistung mit den behindertengerechten Rahmenbedingungen zwar erbracht werden könnten, diese aber nicht existieren, weil es z. B. auch nach diesem Gesetzesvorschlag kein Recht auf Arbeitsplatzassistenz gibt? Auf diese Fragen gibt das Gesetz keine Antworten und damit bleibt diesbezüglich nahezu alles beim Alten.

5. Das Benachteiligungsverbot:

Als Reaktion auf eine Beschwerde oder die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung der Gleichbehandlungsrechte darf weder der behinderte Arbeitnehmer noch ein Dritter – z. B. Arbeitskollege, Behindertenvertrauensperson … – gekündigt, entlassen oder sonst benachteiligt werden. Eine solche Kündigung oder Entlassung könnte gerichtlich angefochten werden.

6. Fördermaßnahmen:

Für Unternehmen, die die Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes beachten – was doch wohl zu hoffen sein wird! – sind auch Förderungen des Bundes vorgesehen.

7. Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes:

Der Entwurf differenziert in § 11 die Rechtsfolgen zwar je nach dem verwirklichten Diskriminierungstatbestand – Verweigerung des Zugangs zu einem Beruf, geringeres Entgelt als nichtbehinderte Kollegen, Verweigerung von betrieblichen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Verweigerung des beruflichen Aufstieges … -, sieht aber grundsätzlich immer einen materiellen Schadenersatz (Vermögensschadenersatz) sowie eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung (immaterieller Schadenersatz) vor.

Natürlich kann der diskriminierte Arbeitnehmer je nach der konkreten Diskriminierung auch die Zulassung zu Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder die Gewährung gleicher Arbeitsbedingungen wie bei nichtdiskriminierten Arbeitnehmern verlangen.

Insbesondere bei der Verweigerung des Zuganges zu einem Beruf oder der Verweigerung des beruflichen Aufstieges steht eine gerichtliche Geltendmachung binnen sechs Monaten zu.

Bei einer ungerechtfertigten Kündigung oder Entlassung kann diese bei gericht angefochten werden. Diese Bestimmung ist insofern schwach, als für Menschen mit Behinderungen sowieso ein erhöhter Kündigungsschutz im Behinderteneinstellungsgesetz vorgesehen ist. Klargestellt würde durch diese neuen Bestimmungen lediglich, dass die Grundsätze des besonderen Kündigungsschutzes auch für Entlassungen gelten, was auch bislang bereits so gesehen wurde. Also im wesentlichen keine großartige Verbesserung für ArbeitnehmerInnen mit Behinderung.

Die größte Schwachstelle hinsichtlich der Durchsetzbarkeit der Gleichbehandlungsrechte findet man aber in § 11 Abs. 11, wo verlangt wird, dass der diskriminierte Mensch die behauptete Diskriminierung auch glaubhaft machen muss; die von den Behindertenvertretungen stets geforderte „Beweislastumkehr“, also, dass von der Diskriminierung auszugehen ist und der vermeintliche Diskriminierer beweisen muss, dass er nicht wegen der Behinderung diskriminiert hat, fand offensichtlich im Entwurf des BMWA bislang keinen Platz. Damit wird jedoch die Durchsetzbarkeit von Gleichbehandlungsrechten stark gemindert.

Auch das von der Behindertenbewegung vehement geforderte Verbandsklagerecht, also das Recht der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen, Diskriminierungsverfahren durchkämpfen zu dürfen, wurde nicht in dem Gesetzesvorschlag verankert. Auch dadurch wird die Rechtsposition der Menschen mit Behinderungen geschwächt.

8. Die Institutionen:

Zunächst soll beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz eine Gleichbehandlungskommission eingerichtet werden, wobei der Senat 2 unter anderem auch für die Gleichbehandlung behinderter Menschen in der Arbeitswelt zuständig wäre. Die Zusammensetzung dieses Senates lässt allerdings zu wünschen übrig, besteht der Senat doch aus einem Vorsitzenden, je zwei Vertretern der Wirtschaftskammer, der Arbeiterkammer, der Industriellenvereinigung und des ÖGB sowie einem Mitglied, das vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und einem, das vom Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz bestellt wird; ein Interessenvertreter der Menschen mit Behinderungen ist nach dem Gesetzesentwurf nicht vorgesehen, womit über die Wahrung der Gleichbehandlungsrechte von Menschen mit Behinderungen wieder einmal fremdbestimmt wird. Und auch bei der Besetzung des Vorsitzenden haben die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen kein Anhörungs- oder Vorschlagsrecht. Der Grund dafür liegt wohl primär darin, dass der Senat 2 ja nicht nur für Behindertengleichbehandlung, sondern auch für Gleichbehandlung ohne Ansehen der Rasse, ethnischen Herkunft, Religion etc. zuständig ist.

Die Schaffung eines Senates ausschließlich für die Wahrung der Gleichbehandlungsrechte von Menschen mit Behinderungen, in dem die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen entsprechend repräsentiert sein müssen, wäre daher notwendig.

Neben der Gleichbehandlungskommission soll beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz darüber hinaus eine Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen zur Beratung und Unterstützung von Personen, die sich als diskriminiert im Sinn des Gleichbehandlungsgesetzes erachten, eingerichtet werden; diese soll unter anderem auch aus einem Gleichbehandlungsbeauftragten für Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt bestehen.

Auch hier ist das Prinzip der Selbstvertretung der Interessen von Menschen mit Behinderungen durch ihre Interessenvertretungen nicht verwirklicht, weshalb ein eigener Gleichbehandlungsbeauftragter für Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt zu fordern wäre. Das wäre schon deshalb ausgesprochen wichtig, da die Anwaltschaft auch unabhängige Untersuchungen hinsichtlich Diskriminierungen durchführen und unabhängige Berichte und Empfehlungen zu allen Fragen rund um Diskriminierungen abgeben kann; gerade die Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen sind aber sehr spezifisch und vielschichtig, so dass es wohl einer besonderen Fachkunde bedarf, die primär Menschen mit Behinderungen erfüllen können.

Ähnliches kann auch für die sogenannten „Regionalvertreter“ der Anwaltschaft gesagt werden, die ja gleichartige Kompetenzen wie die Mitglieder der Anwaltschaft selbst haben.

Und abschließend muss auch darauf hingewiesen werden, dass die so notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung des Zuganges zur Arbeitswelt für Menschen mit Behinderungen, wie etwa Arbeitsplatzassistenz, ein Recht auf den Einsatz barrierefrei benutzbarer elektronischer Medien, die Wahrung der sozialen Sicherheit bei Arbeitsversuchen, die Verbesserung der Rechtsstellung der Behindertenvertrauenspersonen etc. durch diesen Gesetzesentwurf nicht einmal im Ansatz verwirklicht werden.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Österreichische Behindertenbewegung es einerseits schafft, diesen Diskussionsentwurf massiv umzugestalten, um ihn zu einer sinnbringenden Maßnahme für mehr Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen zu machen und es der Behindertenbewegung auch gelingt, die Gleichbehandlung und Förderung für Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt auch für den öffentlichen Dienst entsprechend zu erwirken!

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