Parlament

Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz – Begutachtung abgeschlossen

Am 31. Jänner 2006 endete die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zum Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz.

Am 22. Dezember 2005 versandte das Sozialministerium einen Entwurf für ein Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz in Begutachtung; die Stellungnahmefrist endete am 31. Jänner 2006.

Der Gesetzesentwurf enthält:

  • Maßnahmen zur Beseitigung der behindertendiskriminierend wirkenden Berufszugangsvoraussetzung „körperliche und geistige Eignung“ und
  • Maßnahmen zur Lockerung der Notariatsaktspflicht für Urkunden über Rechtsgeschäfte blinder und der lautsprachlichen Kommunikation nicht mächtiger Personen.

Zu diesem Ministerialentwurf wurden zahlreiche Stellungnahmen eingebracht, deren wesentlichste Inhalte sich so zusammenfassen lassen:

  • Das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, der Rechnungshof sowie die Ämter der Burgenländischen, Niederösterreichischen, Salzburger, Vorarlberger und Tiroler Landesregierung haben gegen den Gesetzesentwurf grundsätzlich keine Einwände.
  • Das Amt der NÖ Landesregierung wies ergänzend darauf hin, dass sich auch in § 9 Abs. 4 Z 1 des land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes die Zugangsvoraussetzung der „körperlichen und geistigen Eignung“ findet und sohin auch diese Bestimmung entsprechend zu ändern wäre.
  • Das Amt der Wiener Landesregierung merkte insb. zur geplanten Änderung der behindertendiskriminierend wirkenden Berufszugangsvoraussetzung „körperliche und geistige Eignung“ folgendes an: „Es ist lediglich im Medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetz die gesundheitliche Eignung näher definiert. Nach ha. Ansicht wäre auch in den anderen Gesetzen eine Definition sinnvoll, da die genannte Definition umfangreicher ist, als im allgemeinen Sprachgebrauch üblich. Unter „Gesundheit“ wird in der Regel das Freisein von Krankheiten verstanden. Im Medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetz werden hingegen generell die physische Fähigkeit (also auch die eines Gesunden) und unter anderem die Intelligenz der gesundheitlichen Eignung zugeordnet.“

    Folgte man dieser Anregung des Amtes der Wiener Landesregierung, würde sich im Ergebnis damit die „gesundheitliche Eignung“ inhaltlich auch wieder auf körperliche oder geistige Behinderungen als solche beziehen, was ja eigentlich gerade durch diese Neuformulierung geändert werden sollte; das hieße aber auch, dass diese Behindertendiskriminierung – wenn auch mit einer anderen Formulierung – fortgesetzt würde.

  • Die Österreichische Notariatskammer bemerkt zunächst in ihrer Stellungnahme, dass die Änderungen hinsichtlich der Berufszugangsvoraussetzung körperliche und geistige Eignung „der Verbesserung der Rechtsposition von Menschen mit Behinderungen diene“. Die Österr. Notariatskammer gibt jedoch zu bedenken, dass „die Ausübung einiger angeführter Berufe mit besonderer Verantwortung für die Gesundheit beziehungsweise rechtliche Positionen der Bevölkerung verbunden ist. Bei der Verfolgung des – begrüßenswerten – Zieles, Diskriminierungen Behinderter hintanzuhalten, dürfen nicht ebenso schützenswerte Interessen Dritter gefährdet werden“.

    Nun, die Angst vor RichterInnen, RechtspflegerInnen, ApothekerInnen, Diplomkrankenschwestern und -pflegern, PflegehelferInnen, Hebammen, medizinischen MasseurInnen und HeilmasseurInnen, SanitäterInnen etc. mit Behinderung dürfte offenkundig ziemlich groß sein.

    Hinsichtlich der geplanten Änderung der Notariatsaktspflicht für Menschen mit Behinderung vertritt die Notariatskammer eine differenziertere Ansicht und verweist in diesem Zusammenhang auf das Schutzbedürfnis von Menschen mit Behinderungen und meint, dass „die bisherige Bestimmung ein Schutzinteresse zugunsten von Menschen mit Behinderung verwirkliche“. Dabei hat die Notariatskammer grundsätzlich bei der Lockerung der Notariatsaktspflicht für Geschäfte des täglichen Lebens und bankübliche Geschäfte ein Girokonto betreffend, unter Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel oder eines Gebärdensprachdolmetschers, keine wirklichen Bedenken sondern spricht sich nur für die zusätzliche Unterfertigung solcher Urkunden durch eine Vertrauensperson oder den Gebärdensprachdolmetsch aus; die Ausnahme behinderter Unternehmer von der Notariatsaktspflicht lehnt die Notariatskammer jedoch vehement ab und zwar primär, weil die behinderten Unternehmer aus Sicht der Notariatskammer ebenso schutzwürdig erscheinen wie die sonstigen behinderten Menschen; außerdem übt die Notariatskammer am Fehlen der Definition des Begriffes „Unternehmer“ Kritik.

    Zusammenfassend hält die Notariatskammer fest: „Die Österreichische Notariatskammer vertritt daher die Meinung, dass dem Schutzinteresse von Menschen mit Behinderung, auch wenn sie Unternehmer sind, besser Rechnung getragen ist, wenn die in Artikel 20 angedachte Änderung des Notariatsaktsgesetzes § 1 Abs 1 lit e nur hinsichtlich der Verwendung technischer Hilfsmittel bzw. bei Möglichkeit, sich eines Gebärdensprachdolmetschers zu bedienen, umgesetzt wird. Von der Umsetzung des Vorschlages Unternehmer von § 1 Abs 1 lit e Notariatsaktgesetz auszunehmen sollte Abstand genommen werden“.

  • Eine ähnliche Position wie die Österreichische Notariatskammer nimmt die Österreichische Wirtschaftskammer ein.
  • Die Bundesarbeitskammer wiederum begrüßt den vorliegenden Entwurf zwar dem Grunde nach, betont jedoch, dass weiterhin Defizite in den Bereichen Bildung, Erziehung, Kultur, Mobilität, Verkehr, Wohnen, Bauen, Freizeit, Kommunikation bestünden; sie kritisiert ferner, dass sich der Gesetzgeber mit der Gleichstellung behinderter Menschen unnötig viel Zeit lässt und verweist dabei auf den Bericht der Arbeitsgruppe zur Durchforstung des Bundesrechts nach behindertenbenachteiligenden Bestimmungen vom März 1999 und das erste Rechtsbereinigungsgesetz aus 1999.

    Die Bundesarbeitskammer lehnt jene Änderungsvorschläge des Entwurfes ab, bei denen die Klausel „körperliche und geistige Eignung“ lediglich durch den unbestimmten Begriff „Eignung“ ersetzt werden soll, da damit einer diskriminierenden Interpretation Tür und Tor geöffnet würde. Sie spricht sich daher dafür aus, durchwegs den Begriff „gesundheitliche Eignung“ zu verwenden, wobei die gesundheitliche Eignung aus Sicht der Bundesarbeitskammer schon dann gegeben sein muss, wenn eine Person den Beruf entsprechend den beruflichen Anforderungen – wenn auch unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln, persönlicher Assistenz oder Arbeitsassistenz – fachgerecht ausüben kann.

    Und ebenso lehnt die Bundesarbeitskammer die Definition der „gesundheitlichen Eignung“ nach dem medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetz ab.

    Die Änderungen im Notariatsaktsgesetz hingegen stellen aus der Sicht der Bundesarbeitskammer eine Verbesserung im täglichen Leben von behinderten Menschen dar.

  • Das Forum Gleichstellung begrüßt in seiner Stellungnahme grundsätzlich die Gesetzesinitiative und anerkennt die Bemühungen, die mit dem Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz erbracht wurden; es weist jedoch in seiner Stellungnahme vom 25. Jänner 2006 im übrigen darauf hin, dass es noch weiterer derartiger Bündelgesetze – wie etwa jenes, das das Forum Gleichstellung bereits am 18. November 2003 als Entwurf dem Sozialministerium übermittelte – bedarf, wollte man bekannte behindertendiskriminierende Bestimmungen wirklich umfassend beseitigen, wie z. B. in den Bereichen Bildung und Verkehr. Inhaltlich verlangt das Forum Gleichstellung noch präzisierende Klarstellungen zu den geplanten Änderungsvorhaben in den Erläuterungen bzw. dem Durchführungserlass zum Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz; insb. sollte deutlicher auf die Absicht, behindertendiskriminierende Berufszugangsbeschränkungen – Stichwort blinde Richter oder gehörlose Lehrer – beseitigen zu wollen, hingewiesen werden.

    Ergänzend weist das Forum Gleichstellung auf die sprachliche Diskriminierung durch die Wendung „Leiden und Gebrechen“ in § 6 des Führerscheingesetzes hin, die durch eine entsprechende zeitgemäße Formulierung zu beseitigen wäre; Das Forum Gleichstellung fordert in diesem Zusammenhang auch die Beseitigung von behindertendiskriminierenden Bestimmungen in der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung und die Kosten- und Gebührenfreistellung von, lediglich wegen der Behinderung erforderlichen, ärztlichen Zusatzuntersuchungen, Stellungnahmen und Kontrollfahrten im Rahmen des Verfahrens zur Erlangung einer Lenkberechtigung.

    Das Forum Gleichstellung fordert ferner die Beseitigung der behindertendiskriminierenden Voraussetzung der „körperlichen und geistigen Eignung“ für die Bestellung als GerichtssachverständigerIn oder GerichtsdolmetscherIn.

    Die geplante Lockerung der Notariatsaktspflicht für Menschen mit Sinnesbehinderungen wird vom Forum Gleichstellung begrüßt; es weist aber darauf hin, dass in den Erläuterungen zu Art. 20 des Gesetzesentwurfes die diskriminierenden Begriffe „Blinde, Gehörlose und Stumme“ verwendet werden, die entsprechend in „blinde, gehörlose und der lautsprachlichen Kommunikation nicht mächtige Personen“ geändert werden sollten.

  • Die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation betont im wesentlichen, dass gerade im Bereich der Menschen mit Behinderungen auf einen sorgsamen Umgang mit der Sprache Bedacht zu nehmen sei und weist in Anlehnung an die diesbezüglichen Ausführungen des Forum Gleichstellung auf die sprachlichen Diskriminierungen in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf hin.

    Inhaltlich übernimmt die ÖAR weitestgehend die Ausführungen des Forum Gleichstellung und verweist auch auf die Stellungnahme des Forum Gleichstellung, dessen Mitglied die ÖAR ja ist.

    Abschließend fordert die ÖAR auch noch die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Bündelgesetzes, unter Beteiligung aller betroffenen Bundesministerien und der Behindertenvertreter.

  • Der Kriegsopfer- und Behindertenverband spricht sich eingangs für eine diskriminierungsfreiere Vollziehung aus und merkt in diesem Zusammenhang im Wesentlichen an, dass die Absicht, behindertendiskriminierende Berufszugangsbeschränkungen beseitigen zu wollen, in den Erläuterungen und einem allfälligen Durchführungserlass zu diesem Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz noch deutlicher zum Ausdruck gebracht werden müssten. Außerdem spricht sich der KOBV für eine diskriminierungsfreie Sprache, insb. in der Definition der gesundheitlichen Eignung des medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetzes und die gesetzlich vorgesehene Anhörung der Behindertenvertrauensperson bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit eines Arbeitsplatzes im Beamtendienstrecht aus.

    Im Übrigen übernimmt auch der KOBV die inhaltlichen Ausführungen des Forum Gleichstellung zu diesem Gesetzesentwurf.

    Abschließend fordert der KOBV in seiner Stellungnahme noch die Stärkung der Behindertenvertrauenspersonen durch entsprechende Änderungen im Behinderteneinstellungsgesetz, wie sie im Arbeitskreis Behinderteneinstellungsgesetz erarbeitet wurden.

  • Das Zentrum für Gebärdensprache und Hörbehindertenkommunikation wiederum kritisiert, dass die geplante Änderung des Notariatsaktsgesetzes die graduellen Unterschiede von Gehörbehinderungen nicht berücksichtige und die Begriffe „blind“, „gehörlos“ und „der lautsprachlichen Kommunikation nicht mächtig“ einerseits zu eng gefasst wären und andererseits eine Vielzahl von Behindertengruppen überdecke. Das ZGHK plädiert für die Selbstdefinition der Betroffenen und für ein Recht darauf, jene Maßnahmen verlangen zu dürfen, die die gleichberechtigte Teilhabe am Leben ermöglichen, ob dies nun mittels Gebärdensprachdolmetsch, technischen Hilfen, Vertrauensperson und dgl. sei. Generell wird in der Stellungnahme auch angemerkt, dass derartige Ungleichbehandlungen – eine solche wird seitens des ZGHK in der Regelung des Notariatsaktsgesetzes gesehen – immer die Gefahr in sich bergen, dass die betroffenen Personen letztlich nicht für voll handlungsfähig gehalten würden.
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