Schild: Nationalratswahl

Nationalratswahl: Wieder Chaos bei Wiener Verwaltung

Warum ist es zum wiederholten Male in Wien nicht möglich, behinderten Menschen verlässliche, richtige und sinnvolle Informationen bereitzustellen? Liegt es an der Verwaltung oder ist es der Stadtregierung einfach egal?

Die Stadt Wien informierte am 5. September 2006 per Aussendung zur bevorstehenden Nationalratswahl am 1. Oktober 2006. Besonders der Satz „Beim kommenden Urnengang werden rund 380 Wahllokale barrierefrei oder mit Hilfe barrierefrei erreichbar sein.“ verwundert.

„Was nun?“, fragt man sich. Also ist etwas entweder „barrierefrei“ oder eben nicht (weil es beispielsweise nur mit Hilfe zugänglich ist“.

Das Behindertengleichstellungsgesetz definiert ja bekanntlich in § 6 „Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich OHNE FREMDE HILFE zugänglich und nutzbar sind.“

Eine Formulierung „mit Hilfe barrierefrei“ ist ein glatter Unsinn. Doch man wird den Verdacht nicht los, dass die Stadt Wien – genauer die zuständige MA 62 – schon wieder hilflos ist.

Auf BIZEPS-INFO Nachfrage, was mit der widersinnigen Definition gemeint ist, wurde uns mitgeteilt „Unter ‚mit Hilfe barrierefrei‘ erreichbare Wahllokale verstehen wir Wahllokale, die mit einer speziellen Hilfe barrierefrei erreichbar sind. Zum Beispiel muss Portier einen speziellen Eingang öffnen oder man erreicht das Wahllokal über einen Lift (Treppenlift), …“

Verschleierungsaktion?

Man wird den Verdacht nicht los, dass die gesamte Aktion nur dazu da ist, zu verschleiern, wie viele Wahllokale nicht barrierefrei zugänglich sind. Dass diese Art der bewussten Desinformation gemäß Behindertengleichstellungsgesetz seit 1. Jänner 2006 rechtswidrig wäre und daher schadenersatzpflichtig, versteht sich von selbst.

Doch die MA 62 ist um Schadensbegrenzung bemüht. „Wir sind gerne bereit, bei einer nächsten Wahl … noch breiter abgestimmte Begriffe zu verwenden.“ Auf die Rechtswidrigkeit der Information angesprochen meint man: „… Zu Ihrer Anmerkung zum Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz stellen wir fest, dass wir in unseren Wahlinformationen ausdrücklich die Begriffsfolge ‚mit Hilfe barrierefrei‘ verwenden. Damit muss für jeden betroffenen Menschen mit Behinderung klar sein, dass es sich nicht um eine Barrierefreiheit im Sinne des § 6 Abs. 5 BGStG handelt.“

Aha. Wien hat also eine eigene Definition von Barrierefreiheit, könnte man daraus schließen.

Chaos auch schon in der Vergangenheit

Schon bei der Wahl im Jahr 2005 war die von der Stadt Wien verbreitete Information falsch. Damals hat man „stufenlos“ mit „barrierefrei“ gleichgesetzt und außerdem die Anzahl der betreffenden Wahllokale falsch wiedergegeben.

Schon im Jahr 1999 hat die zuständige Stadträtin, Mag. Renate Brauner, (SPÖ) angekündigt: „Ich habe die zuständige MA 62 beauftragt, schon bei der kommenden Europawahl dafür Sorge zu tragen, daß keine Zweifel darüber aufkommen, daß die selbständige und geheime Ausübung des Wahlrechts für diesen Personenkreis sichergestellt wird.“

Sie ist – so meinte sie damals – „in hohem Maße daran interessiert ist, Hindernisse aus dem Weg zu räumen“. Vergeblich, wie man feststellen muss.

Auch ihre Nachfolgerin, Stadträtin Mag. Sonja Wehsely (SPÖ), gab auf BIZEPS-INFO Anfrage bekannt: „Wir bemühen uns auch weiterhin um einen Ausbau in Sachen Barrierefreiheit.“ Ebenfalls ohne verlässliche Fortschritte, wie folgendes Beispiel zeigt.

Falsche Informationen

Das an die Haushalte versandte Informationsblatt gibt dagegen zum Wahllokal Simonsgasse 23 (22. Bezirk) bekannt: „Ihr Wahllokal ist barrierefrei erreichbar und mit einer extrabreiten Wahlzelle ausgestattet“. Dies widerspricht wieder der Wahlinfo, die online verfügbar ist. Dort wird mitgeteilt, dass es keine extrabreite Wahlzelle gibt.

Eine der beiden Information ist also eindeutig falsch, welche werde ich am 1. Oktober wissen.

Wann endlich?

Warum nicht ehrlich sein und beispielsweise die Wahllokale so einteilen:

  • barrierefrei zugänglich
  • nur mit Hilfe zugänglich
  • nicht stufenlos zugänglich

Stadträtin Wehsely sollte dann auch diese – mit ziemlicher Sicherheit ernüchternden Zahlen – zum Anlass nehmen, endlich eine deutliche Verbesserung der Situation herbeizuführen.

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