ÖBB ein (bald) behindertenfreundliches Unternehmen

Im Sommer 1991 haben Marina Posch und ich einen der behindertenfreundlichen Reisewagen der ÖBB besichtigt.

Außer dem Reisewagen wurde auch die Hebebühne der ÖBB in einer Pressekonferenz am Westbahnhof vorgestellt. Nach dieser kurzen Erklärung konnten wir den Reisewagen von innen betrachten.

Im Reisewagen

Im Reisewagen – der als Familien- und Behindertenwagen in Zusammenarbeit mit der ARGE Reha geplant wurde – kam aber dann die Überraschung. Dieser Reisewagen ist wirklich behindertengerecht ausgebaut. Türbreiten von mindestens 80 cm (Eingangstür). (Rollstühle mit einer Breite von mehr als 80 cm können allerdings nicht im Reisewagen mitfahren.)

WC-Anlage

sehr groß, selbstöffnende Türe, mehrere Notrufschalter, unterfahrbares Waschbecken; leider kein Spiegel in Sichthöhe (wird aber behoben) sowie ein Wickeltisch.

Speisewagen

Dieser ist nur bedingt behindertengerecht ausgestattet. Der Rollstuhlplatz ist sehr klein. Von der Tischkante bis zur Wand hinter dem Rollstuhlfahrer sind nur ca. 80 cm „Parkplatz“ für den Rollstuhl. Außerdem ist das Einparken sehr schwierig, weil auch seitlich nicht viel Platz vorhanden ist. Die Zugreihung ist so geregelt, dass Rollstuhlfahrer vom rollstuhlgerechten Wagen auf kürzesten Weg in den Speisewagen gelangen können.

Hebebühne

Die Hebebühne (kostet nur S 35.000,-/Stück) ist sehr einfach gebaut und hebt den Rollstuhl samt Helfer auf das Niveau der höchsten Stufe. Dann wird eine Rampe herunter geklappt. Mir hat die Einstiegshilfe sehr gefallen.

Service

Die ÖBB hat für behinderte Menschen eine spezielle Servicestelle Tel: 5800/35800. Außerdem wurde eine Informationsbroschüre „Behindertenführer“ aufgelegt, die auch dort bezogen werden kann.

Die ÖNORM B 1600 (Bauliche Maßnahmen für körperbehinderte und alte Menschen) wurde von der ÖBB als verbindlich für alle Neubauten anerkannt. (Detail am Rande: Beim neuen Intercityexpress der deutschen Bundesbahn wurde nicht an Einstiegshilfen gedacht!)

Für die Zukunft bleibt daher nur zu wünschen übrig, dass die ÖBB mit einer flächendeckenden Ausstattung der Bahnhöfe mit Hebebühnen nicht zu lange braucht. (Oder wie ein Vertreter der Schweizer Bahn zu mir sagte: „Dieser Waggon ist europäische Spitze. Er sollte halt überall fahren und in jedem Bahnhof müsste eine Hebebühne vorhanden sein.“)

Soweit die Theorie

Mir ist aber dann ein folgenschwerer Fehler unterlaufen: Ich habe die Neue Bahn mit ihrem behindertengerechten IC-Zügen getestet. Die Praxis werde ich jetzt im Telegrammstil wiedergeben:

Abfahrt des Zuges IC 593 für 9.28 Uhr (mit Behindertenzeichen im Fahrplan)

Kaufe um 8.30 Uhr meine Fahrkarte – teile mit, dass ich mit meinem Rollstuhl in den IC 593 will – bitte um Einstiegshilfe – Verwirrung; der Schalterbedienste verkauft mir eine Karte und schließt Schalter, um für mich Hilfe zu organisieren (telefoniert ca. 5 Minuten und öffnet dann wieder den Schalter)

Um 8.50 Uhr frage ich nach, ob ich abgeholt werde – ´Wird gleich wer kommen.´ – 9.15 Uhr (Zug fährt bald ab) blockiere den Kartenverkauf – Drohung: ´Mein Zug fährt bald weg! Ich bleibe jetzt hier stehen.´ – Beamter schließt wieder den Schalter – telefoniert – verschwindet kurz – kommt zurück: ´Es kommt gleich wer.´ – 9.20 Uhr kommt eine Person – fahren Richtung Aufzug – teile ihm mit, dass ich zum Rollstuhlplatz des IC-Zuges will – kurz vor dem Aufzug bemerkt der Helfer: ´Der geht ja nicht´“ – fahren über die Rampe zum Bahnsteig.

Ich bemerke beiläufig: ´Sie werden wahrscheinlich noch jemanden brauchen, um mich samt Rollstuhl in den Zug zu heben.´ – Helfer bemerkt das Problem – bittet einen Angestellten der ÖBB ihm zu helfen – Zug mit Abteilen – mein sehr kleiner Rollstuhl (65 cm) ist fast zu breit!

Helfer bleibt vor einem Abteil stehen – Rollstuhl passt nicht ins Abteil – meint, ich müsse jetzt aussteigen und mich auf die Bank setzen – bietet seine Hilfe an – (kein Rollstuhlplatz sondern ganz normales Abteil – außer dem Zettel: „Behinderten-Abteil“)

Bitte Helfer, Wr. Neustadt zu benachrichtigen (Ausstiegshilfe) – Konfusion – vier Angestellte der ÖBB diskutieren, ob und wie das geht – Zusicherung: „Sie werden schon aus dem Zug geholt“, Wr. Neustadt – ein Helfer und ein Angestellter der ÖBB heben mich samt Rollstuhl aus dem Zug – Helfer: „Die aus Wien habn mi angrufen und gsagt im 2. Wagen sitzt ein Behinderter; aber welcher Zug hams ma net gsagt! I wart scho a halbe Stund.“

Beide wollen gehen – (Wr. Neustadt hat Gleise die nur über Stufen erreicht werden können) – bitte beide Herren, mich noch bis zur Bahnhofshalle zu bringen In diesem Moment kam dann mein Freund, der mich vom Bahnhof abholt. Zusammenfassend kann ich sagen:

Die ÖBB bemüht sich, aber die Organisation ist das reine Chaos! Nur für behinderte Menschen geeignet, die etwas erleben wollen.

Nachsatz

Bei meiner Beschwerde wurde dann klar, dass der IC 593 doch einen Rollstuhlplatz hat. Der Helfer wusste es aber anscheinend nicht. Was soll man da noch sagen?

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