Interview mit Thomas Schmidhauser im SL-TV

Am 5. Juni 2010 trat Thomas Schmidhauser aus Protest gegen die Hilfsmittelpolitik der Pro Audito von seinem Amt als Finanz-Chef zurück. Im Interview mit SL-TV erläuterte er die Gründe für diesen mutigen Entschluss.

Interview mit Mikrofon
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„Pro Audito Schweiz hat seit letztem Sommer auf Drängen und Anraten des Bundesamtes für Sozialversicherungen eine sehr teure, amerikanische Firma für Öffentlichkeits-Arbeit angestellt“, erzählte der Finanz-Chef über Vorfälle in der Schweiz, die fast unglaublich sind.

Konkret geht es um 300.000 Franken, alleine für diese Öffentlichkeitsarbeit, ergänzte er im Interview. Mit dieser Öffentlichkeitsarbeit soll Pro Audito Schweiz das Bundesamtes für Sozialversicherungen in der Schweiz unterstützen, „im Parlament Stimmung“ für ein vom Bundesamt gewünschtes Gesetz machen.

Im Klartext: Eine Bundesorganisation hat eine Behindertenorganisation beauftragt und bezahlt, sie dabei zu unterstützen, die Abgeordneten im Parlament zu bearbeiten. Diese und weitere unglaubliche Vorfälle werden durch die zwei nachfolgenden Videos des SL-TV öffentlich:

Transkription

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer

Am 5. Juni 2010 trat Thomas Schmidhauser aus Protest gegen die Hilfsmittelpolitik der Pro Audito von seinem Amt als Finanz-Chef zurück. Im Interview mit SL-TV erläutert er die Gründe für diesen Entschluss.

F: Guten Tag Herr Schmidhauser. Herzlichen Dank, dass Sie zu uns gekommen sind. Sie waren ja sechs Jahre lang Zentral-Sekretär bei Pro Audito Schweiz und drei Jahre lang deren Finanz-Chef. Jetzt sind Sie plötzlich zurückgetreten. Was war der Grund?

A: Es waren im Wesentlichen zwei Gründe: Der eine, wichtige Grund war, dass ich mit der Politik von Pro Audito Schweiz in Bezug auf die zukünftige Hörgeräte-Versorgung nicht mehr einverstanden sein konnte. Pro Audito Schweiz hat sich im Laufe der letzten zwei Jahre immer mehr und konsequent für einen staatlichen Einkauf von Hilfsmitteln, in unserem Fall vor allem Hörgeräte, eingesetzt. Nun war mir eigentlich von Anfang an klar, dass mit einem staatlichen Einkauf von Hilfsmitteln sich die Situation der Behinderten ganz sicher nicht verbessern wird. Sie wird eher komplizierter. Sie wird wahrscheinlich auch nicht sehr viel günstiger. Und das habe ich grundsätzlich in Frage gestellt.

Zudem hat Pro Audito Schweiz seit letztem Sommer auf Drängen und Anraten des Bundesamtes für Sozialversicherungen eine sehr teure, amerikanische Firma für Öffentlichkeits-Arbeit angestellt, beauftragt und teilweise selber bezahlt, mit IV-Geldern, mit Spenden und mit Mitglieder-Geldern. Und diese amerikanische Gross-Firma hat nichts anderes zum Ziel, als im Parlament Stimmung zu machen für diesen staatlichen Einkauf.

Und als Zentral-Sekretär konnte ich es einfach nicht mehr verantworten, dass Pro Audito Schweiz in diesem Jahr rund 300‘000 Franken ausgeben wird, allein für diese Öffentlichkeits-Arbeit. Wir haben eine Verantwortung gegenüber Mitgliedern und gegenüber Spendern und wir können nicht einfach Geld ausgeben für Zwecke, wie sie in der Privat-Wirtschaft üblich sind. Eine Behinderten-Organisation hat einen Sonder-Status. Sie hat ein sehr grosses Ansehen in der Öffentlichkeit und mit Massnahmen, wie sie Pro Audito jetzt durchführt, wird dieses Ansehen beschädigt. Und das war für mich der Punkt, an dem ich zurücktreten musste.

F: Für uns ist es eigentlich fast nicht verständlich, wenn man sich überlegt, was es für Konsequenzen haben muss, dass der Staat Hilfsmittel einkauft – und es geht ja nicht nur um Hörgeräte, es geht um Hilfsmittel. Das Gesetz spricht von allen Hilfsmitteln. Theoretisch kann der Bund nachher das Gesetz verwenden, um Rollstühle, oder was immer, einzukaufen. – Wenn man sich das Ganze überlegt, ökonomisch überlegt, ist es für uns fast unverständlich, wie eine Betroffenen-Organisation so einen Vorschlag unterstützen kann. Bei allem Verständnis für die Sparmassnahmen, die bei der IV nötig sind. Auch wenn sich die idealistische Vorstellung der IV bewahrheitet, geht es um kleine Summen, die auf diesem Weg eingespart werden. Aber wie kann man darauf kommen, dass der Staats-Einkauf und damit die Abgabe von Hilfsmitteln, die der Staat ausgesucht hat, für uns von Vorteil sein könnte? Wie ist das genau abgelaufen bei Pro Audito? Wie kommt Pro Audito dazu, eine solche Entscheidung zu fällen und dann auch zu unterstützen?

A: Die Geschichte begann eigentlich schon im Jahre 2005, als der Bund hinter dem Rücken von Pro Audito neue Verträge mit den Lieferanten der Branche, also in diesem Fall auch wieder die Hörgeräte-Lieferanten, abschloss. Damals wurde Pro Audito Schweiz ausgeschlossen von allen Gesprächen. Und die Resultate jener Verträge waren ganz einfach die, dass die Hörbehinderten praktisch die gesamten Einsparungen des Bundesamtes, also der IV, zu übernehmen hatten. Das war der erste Streich. Und dann folgte im Jahre 2008 der zweite Streich, als das Bundesamt unter Diskretion und Amtsgeheimnis die Pro Audito einlud, die ganzen Standards für den staatlichen Einkauf von Hörgeräten festzulegen. Das wurde in vielen Sitzungen im Geheimen so festgelegt. Es durfte nichts an die Öffentlichkeit geraten, weil der Bund selber, das Bundesamt selber nicht sicher war, ob dieser staatliche Einkauf wirklich durchkommen würde. Und dann wurde ja von der Branche her, von der Hörgeräte-Branche her die ganze Sache vors Bundes-Verwaltungs-Gericht gebracht und dieses hat den staatlichen Einkauf abgelehnt ohne gesetzliche Grundlage.

Und daraufhin ist das Bundesamt wieder auf Pro Audito zugekommen und hat nun Pro Audito eingesetzt, um für diesen staatlichen Einkauf auch im Parlament, sprich in der Öffentlichkeit zu werben. Mir scheint, dass die Leitung von Pro Audito Schweiz ganz einfach die Konsequenzen nicht sehen will. Man muss sich vorstellen: E gibt rund 600 relativ häufig eingekaufte Hilfsmittel. Es gibt rund 350 Hörgeräte, also das wäre dann eine eigene Sorte. Man muss sich nun vorstellen, dass der Bund also rund 1‘000 verschieden, kleinere und grössere Zahl von Hilfsmitteln bei hunderten von Lieferanten einkaufen will. Und schon mal diese Zahlen-Vorstellung macht einem klar, dass das sicher nicht gut gehen kann, dass das einfach dazu führen würde, dass der einzelne Behinderte entweder sehr lange auf seine Hilfsmittel warten muss, oder nicht die richtigen für ihn kriegt, oder selber auf den Markt gehen muss und alles das privat noch einkaufen muss, was er von Bern nicht kriegt. Und diese ganze Sache ist an sich einfach ökonomisch und vor allem auch aus Sicht der Betroffenen sicher Unsinn.

Nun betont ja das Bundesamt ständig: Ja, man will die gesetzliche Grundlage nur deswegen, damit man sie als Druckmittel gegenüber den Lieferanten einsetzen kann. Aber wenn man das so macht und schon zum Voraus den Lieferanten mitteilt: „Ja wir machen das gar nicht, wir wollen euch nur unter Druck setzen.“, dann werden diese ja lachen. Also das wird ja sicher kein Druckmittel sein, wenn man im Voraus sagt, dass mans nicht einsetzt. Also kann es nicht sein, dass man es nicht einsetzen will. Man will es sicher einsetzen. Und das ist klar, aus der Politik, der Zukunft des Bundesamtes, damit hat man natürlich eine Macht-Verstärkung gegenüber der ganzen Hilfsmittel-Industrie.

F: Und gegenüber den Betroffenen.

A: Und gegenüber den Betroffenen, das ist richtig. Das ist so eigentlich glaube ich der Grund, warum da Pro Audito in eine völlig falsche Richtung geraten ist und die Konsequenzen nicht mehr sieht und auch nicht mehr raus will. Denn man verspricht sich selber auch eine Macht-Verstärkung für den Verband.

F: Wenn man die Stellungnahmen von Agile und DOK zur IV-Revision 6a liest, dann wird einem klar, dass eigentlich der Entscheid bei Pro Audito den Entscheid ausgelöst hat bei Agile und bei DOK, das zu unterstützen. Und auch wieder ohne zu überlegen, was das eigentlich für Konsequenzen für die Betroffenen hat, sondern in einem Reflex von Solidarität hat man gesagt: „Ja wenn die Gehörlosen das so wollen, dann können wir dazu doch nicht nein sagen.“ Wurden denn bei Pro Audito die Betroffenen über diese ganzen Pläne informiert und befragt? Haben überhaupt Betroffene in grösseren Zahlen dazu jemals Stellung nehmen können?

A: Nein, Betroffene wurden eigentlich nie orientiert. Es ging eine Orientierung an die Vereins-Vorstände. Also Pro Audito hat ja rund 50 Sektionen, Vereine. Diese wurden orientiert zu einem Zeitpunkt, als alles eigentlich schon ganz klar war, also als die Sache in Richtung staatlicher Einkauf lief. Man hat ja auch festgestellt, dass bei den Betroffenen selber mindestens in diesem ersten Stadium grosses Unverständnis herrschte. Man sah natürlich als Einzelner auch nicht richtig durch. Aber ich glaube der Einzelne, der alle sechs Jahre Hörgeräte braucht, oder sogar in kürzeren Perioden, der hat sich sofort gesagt: „Ja es kann ja nicht sein, dass ich das dann nicht mehr von meinem Akustiker, sondern von einer Zentral-Stelle in Bern beziehen muss.“ Das hat der Einzelne eigentlich gemerkt, das ist aber in der Leitung von Pro Audito eigentlich nie als Argument akzeptiert worden.

Das ist überhaupt ein Bisschen das gegenwärtige Regime in diesem Verband, dass eigentlich auf die Stimmen, sagen wir jetzt mal „der Basis“ überhaupt nicht gehört wird. Das kommt natürlich von der Struktur der Kollektiv-Mitgliedschaft. Also es ist ja nicht jeder Einzelne Mitglied, sondern nur der Verein.

F: Sehen Sie eine andere Möglichkeit? Also was der Bund vorschlägt, scheint ja bei vielen Politikerinnen und Politikern Sympathie zu finden. Ich hab so den Eindruck, dass vorallem die Linke aus einem Reflex, „Anti-Abzocker“-Reflex jetzt eigentlich dafür stimmt, auch wieder als Kaskade: „Wenn die Agile dafür ist, wenn die DOK dafür ist, wenn die Pro Audito selber dafür ist, können wir ja nicht dagegen sein.“ Und dann dieser Reflex: „Diese bösen Abzocker müssen bestraft werden!“ ohne sich wirklich Gedanken darüber zu machen, was das für die Betroffenen schlussendlich für Folgen haben könnte. Sehen Sie eine Möglichkeit, wie man anders, bei der Hörgeräte-Versorgung zum Beispiel, anders vorgehen könnte, und einen Spareffekt erreichen könnte?

A: Ja, wir haben ja bereits zu Beginn des Jahres 2010 einen Vorschlag ausgearbeitet. Der wurde sogar in der ersten Runde von der Führung von Pro Audito Schweiz einstimmig angenommen. Der hat keinen staatlichen Einkauf mehr vorgesehen, sondern eine Aufgliederung: Wir gehen davon aus, dass für mittel bis stark schwerhörige Menschen die Hörgeräte kostenlos von der IV und der AHV abgegeben werden müssten. Dagegen sind wir der Auffassung, dass die rund 50-60% der sogenannten „Lifestyle“-Geräte, das sind Geräte für Menschen die ohne weiteres hören, aber die besser verstehen mit einem Gerät, – das ist ja in letzter Zeit eigentlich die grosse Kostenzunahme, nicht die Schwerhörigen an sich. – Dass man für diese Geräte eine Pauschale ausrichtet. Über diese Pauschale muss man verhandeln, wie hoch dass die sein soll. Dass man dann aber dem einzelnen leicht Hörbehinderten absolut die Wahl lässt, ob er in diesem Geschäft oder im anderen Geschäft einkaufen möchte.

F: Oder im Ausland.

A: Oder im Ausland, das ist dann auch zugelassen. Und dann würden sich die sogenannten „Lifestyle“-Geräte sicher verbilligen. Der Bund hätte mit einem grossen Teil dieser Geräte viel weniger Kosten. Und die Schwerhörigen wären andererseits bevorzugt, also die stark Schwerhörigen, in dem sie sich wirklich darauf verlassen könnten: „Ich kriege meine Hörgeräte gratis.“

Sparen kann man am einfachsten, wenn man bei den leicht Hörbehinderten keine obligatorische ärztliche Untersuchung verlangt. Denn die ärztliche Untersuchung kostet in jedem Fall 700 Franken, für ungefähr zwei mal 20 Minuten kurze Arbeit und das ist bei leicht Hörbehinderten absolut überflüssig. Wenn man sich also ausrechnet, dass die Hälfte dieser Arzt-Expertisen wegfällt, dann hat man bereits 20 Millionen Franken gespart. Nun hören das natürlich die Ärzte nicht gerne. Und die komische Situation war ja die, dass die Ärzte sich am Anfang mit Vehemenz gegen den staatlichen Einkauf gewehrt haben, das als furchtbar angesehen haben. Und plötzlich ist eine komplette Umkehr erfolgt, weil man natürlich festgestellt hat: „Oha, jetzt müssen wir aufpassen, sonst kommt jemand auf die Idee, man könnte die Expertisen halbieren.“ Das ist die jetzige Situation.

F: Artikel 74 hat ja ganz besondere Bedeutung für die Behinderten-Organisationen. Der Artikel regelt die Finanzierung der privaten Behinderten-Organisationen durch die Invaliden-Versicherung. Ohne diesen Artikel gäbe es wahrscheinlich gar keine Behinderten-Politik, in der die Behinderten mitreden würden. Es wäre gar keine Stimme der Behinderten in der Politik vernehmbar.

Dieser Artikel ist jetzt von allen Seiten unter Beschuss. Das Bundesamt für Sozial-Versicherungen hat eine Studie durchgeführt, um festzustellen was der Effekt des Artikel 74 ist. Und wenn man die Studie genau liest, ist ja das Resultat vor allem, dass das Bundesamt sich in den ganzen Jahren nie die Mühe gemacht hat, eine Politik zu formulieren, was denn eigentlich mit diesem Artikel 74 erreicht werden soll. Ohne auf die Resultate dieser Studie einzugehen wird ja jetzt in er Invaliden-Versicherungs-Revision 6b vorgeschlagen, dass man dort massive Kürzungen im Artikel 74 machen kann, nicht bezüglich auf irgend eine Politik, sondern einfach durchs Band.

Wie sehen Sie das Verhalten von Pro Audito bezüglich dem Bundesamt für Sozial-Versicherungen und Artikel 74? Welchen Einfluss wird das haben auf die politische Diskussion ob der Artikel überhaupt noch notwendig ist und was seine Funktion ist?

A: Ja, da sehe ich genau die Gefährdung dieses Artikels. Der Artikel 74 ist sehr wertvoll, wie Sie es bereits umschrieben haben. Es gäbe in der Schweiz kaum Behinderten-Organisationen, die aus den Spenden und Mitglieder-Geldern alleine irgend eine sinnvolle Tätigkeit entwickeln könnten. Da beneiden uns ja beispielsweise alle ausländischen Behinderten-Organisationen, die kaum in dieser Weise gefördert werden. Also ich bin der Meinung man muss auf alle Fälle für diesen Artikel 74 kämpfen. Wenn es nötig ist, wäre da sicher dann sogar ein Referendum anzustreben.

Was mir an der ganzen Sache mit Pro Audito eben sehr sauer aufstösst, ist dass diese ganze Haltung und die Zahlungen an diese Gross-Firma eben genau dann diese Kräfte stärken, die sagen: „Das wollen wir doch nicht mit IV-Geldern unterstützen, dass die quasi gegen uns im Parlament antreten.“ Also diese Stimme hab ich jetzt bereits schon sehr stark gehört. Ich bin ja Sekretär der parlamentarischen Gruppe für Hörbehinderte. Und diese Stimmung ist schon da, dass man sagt: „Also wenn das soweit kommt, dass die Behinderten-Organisationen eigen Firmen für Öffentlichkeits-Arbeit anstellen, dann müssen wir das unbedingt kürzen, dann ist zu viel Geld vorhanden. Das würde ich als ausserordentlich gefährlich und schädlich für die ganze Behinderten-Bewegung ansehen.

Also ich glaube da müssen wir auf alle Fälle schon vorbereitet sein, dass wenn das wirklich in grossem Masse so vorgesehen wird bei 6b, oder gesetzlich sogar installiert wird, dass man dann allenfalls ein Referendum ins Auge fassen muss. Es ist natürlich schon so, dass die IV insgesamt in grossen Teilen des Schweizer Volkes mittlerweile zu Unrecht ein schlechtes Ansehen hat. Also das hat sich wahnsinnig verändert in den letzten Jahren.

F: Und da wurde ja eigentlich über die Jahre jetzt so reagiert, dass man eigentlich immer die Themen, die von rechts-bürgerlichen Kreisen gegen die IV aufgebracht wurden, dass man eigentlich immer diese Themen bearbeitet hat und damit eigentlich ja auch immer bestärkt hat, ohne dass man auf der Positiv-Seite daran gearbeitet hat, im Volk auch wieder klar zu machen, wozu die IV eigentlich da ist. Man hat eigentlich nur noch über Schein-Invalide gesprochen und über Missbrauch und so weiter. Und das wurde zum Hauptthema. Und jetzt auch noch dieses Verhalten der Invaliden-Versicherung, die der Pro Audito indirekt einen Auftrag gibt: „Gebt mal ein paar 100‘000 Franke für eines der teuersten Werbe-Büros aus, die es überhaupt gibt.“ Es ist ja genau diese Reaktion der IV, die diese Kritik ja noch verstärkt und schlussendlich im Volk dann auch plausibel macht, warum man die ganze IV gleich aus dem Verkehr kippen könnte.

A: Das ist richtig. Sie haben jetzt richtig gesagt: Man hat immer nur die negativen Seiten des ganzen Sozial-Versicherungs-Bereichs, vor allem der IV betont. In der Bevölkerung hat kein Mensch eine Ahnung, was Behinderten-Verbände alles an ehrenamtlicher Arbeit für die Verbesserung der Situation von Menschen mit Benachteiligung tun. Das weiss kaum jemand, weil man darüber nie sprich. Auch das Bundesamt hat meines Wissens noch kaum jemals sich in irgend einer Form dazu geäussert. Und da ist natürlich ein Manko da, dass viele Leute denken: „Wieso kriegen die Geld vom Bund, was soll das?“ Jemand, der das nicht versteht, hat dann sofort diesen Eindruck.

F: Wenn ich da noch eine Frage anfügen darf. Ich habe von unserer Sicht her den Eindruck, dass bei diesen sogenannten Kontrollen über die Leistungen der Behinderten-Organisationen gerade der Teil, der eigentlich der wichtigste Teil ist, nämlich die immense Freiwilligen-Arbeit, die die Bundes-Gelder auslösen, dass das Bundesamt sich nie dafür interessiert. Ich weiss, in den Statistiken haben wir eigentlich mehr durchdrücken können, dass man auch noch irgendwo aufnimmt, dass Freiwilligen-Arbeit auch geleistet wird. Aber kontrolliert wird ja eigentlich nur die bezahlte Arbeit, den Rest scheint das Bundesamt überhaupt nicht zu interessieren.

A: Und man hat sich wahrscheinlich auch noch nie Gedanken gemacht, was das jetzt kosten würde, wenn man das Ganze auch staatlich übernimmt. Natürlich, bei der IV kann man, wenns schlecht läuft eben diesen Artikel 74 verändern, oder überhaupt streichen. Und dann verbleiben einfach viele Aufgaben dann wieder beim Bundesamt. Und das kommt sicher wieder teurer.

F: Aber es gibt dann viele Stellen beim Bundesamt.

A: Es gibt viele Stellen beim Bundesamt, natürlich, die sind aber sehr viel teurer, als all diese tausenden von Menschen, die ehrenamtlich arbeiten, das ist sicher.

F: Oke, Herr Schmidhauser, herzlichen Dank.

A: Gerne, ich bin gerne gekommen.

F: Es freut uns, dass wir da auch eine gemeinsame Sicht entwickeln und miteinander kämpfen. Ich möchte Ihnen am Schluss einfach, nicht nur danken, sondern wirklich auch herzlich gratulieren zum Mut, denn ich denke es ist einmalig, zum Mut, an diesem Punkt aufzustehen und zu sagen: „Ich kann damit nicht mehr weiter machen.“ Das hat ja Mut gebraucht und für Sie auch persönliche Konsequenzen gehabt. Und ich gratuliere Ihnen. Danke nochmals herzlich.

A: Gern geschehen.

F: Auf Wiedersehen, Herr Schmidhauser.

Wir danken Thomas Schmidhauser für seinen Besuch, SL-TV 2010

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