Alle Wiener Abgeordnete stimmen für neue Großheime

Am 27. Juni 2007 wurde im Wiener Gemeinderat der einstimmige Beschluss zum Bau dreier neuer Pflegeheime bis 2010 gefasst. Geriatriezentren in der Leopoldstadt, Favoriten und Meidling entstehen.

Geriatriezentrum Am Wienerwald
wien.at

Wien baut. Im Jahr 2010 sollen drei neue Großheime fertig gestellt sein. Sie werden mit öffentlicher Unterstützung von privaten Bauträgern errichtet. Fortschrittliche Länder unternehmen intensive Anstrengungen Großheime aufzulösen und möglichst viele Ressourcen in die mobile Pflege umzuleiten. Nicht so in Wien.

Lainz!

Die Diskussion ist nicht ohne Bezug zum Großheim Lainz zu führen. Beim Stichwort „Lainz“ denken fast alle an das skandalumwitterte Großheim; die Krankenschwestern die in den Jahren 1983 bis 1989 41 Personen töteten; den aufgedeckten Pflegeskandal im Jahr 2000; einen weiteren, der im Jahr 2003 bekannt wurde.

Es wurde festgestellt, dass bei manchen Patienten Bettruhe ab 15 Uhr verordnet wurde oder sie erst nach 4 Stunden umgelagert wurden, berichtete „Die Presse„. Weiters erfolgten ärztliche Diagnosen ohne Datum und gesunde Heimbewohnerinnen und Bewohner wurden gezwungen, Inkontinenzeinlagen zu tragen, damit sich das Personal die Hilfe zur Toilette erspart.

„Fehler passiert“

Die Politik hat lange gebraucht, um die menschenunwürdigen Zustände zu begreifen und dann wiederum, um diese ändern zu wollen. „Hier sind gravierende Fehler passiert – nun ist sicherzustellen, dass sich derartige Dinge nicht wiederholen“, reagierte Wiens Gesundheitsstadträtin, Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ), zutiefst betroffen.

Das Schönreden ging soweit, dass sich das Großheim sogar in Geriatriezentrum „Am Wienerwald“ unbenannte; eine Namensänderung – natürlich ohne Erfolg. Auch der bauliche Zustand von Lainz war katastrophal.

Die GRÜNE Gesundheitssprecherin Sigrid Pilz forderte nach dem letzten Pflegeskandal: Wien „sollte umgehend die alten Großheime durch moderne, wohnortnahe, kleine Einrichtungen für die kommenden 100 Jahre ersetzen und das Versorgungsheim Lainz zur Geschichte werden lassen!“

Nur kleiner, statt abschaffen

BIZEPS schrieb an die Abgeordneten im Rathaus, um sie eindringlich davor zu warnen, nicht einen Fehler aus der Vergangenheit zu wiederholen und wieder – wenn auch besser ausgestattete – Großheime zu bauen. Statt dessen sollte das Geld in mobile Betreuung und wirklich sehr kleine Angebote investiert werden, forderte BIZEPS – ohne Erfolg.

„Wien macht dafür heuer noch 19 Mio. Euro für Sachkredite locker. Bis 2015 investiert die Stadt 350 Mio. Euro in die Geriatrie“, berichtet „Der Standard“ und ergänzt: „Die drei Häuser mit 250 bis knapp über 300 Plätzen werden von der Gesiba, der Buwog bzw. der Kabelwerk Bauträger GmbH errichtet.“

„Die ÖVP wird zustimmen, weil wir feststellen konnten, dass die Mehrheitsfraktion in diesem Haus erkannt hat, dass sie jahrzehntelang einen falschen Weg gegangen ist“, so ÖVP-Gemeinderätin Ingrid Korosec.

„Wir haben aber nichtsdestoweniger den drei geplanten Häusern zugestimmt, weil es für uns – nicht zuletzt ein grüner – Erfolg ist, dass die trostlosen Pflegekasernen GZW und Baumgarten nun endlich durch wohnortnahe moderne Häuser ersetzt werden, die mit Ein- und Zweibettzimmern ausgestattet sind, Zugang ins Freie haben und Wohnstruktur anstelle von Spitalspflege bieten werden“, gibt Sigrid Pilz (Grüne) gegenüber BIZEPS-INFO bekannt und führt weiter aus: „In meiner heutigen Rede habe ich nochmals betont, dass die überdimensionierte Größe der Häuser für die Grünen der größte Wermutstropfen geblieben ist.“

Beschluss gefasst

Im Ausschuss für Gesundheit und Soziales vom 6. Juni 2007 wurden die von Wiens Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) vorgelegten Pläne für die Errichtung von drei neuen Wiener Geriatriezentren in den Bezirken Leopoldstadt, Favoriten und Meidling mit den Stimmen aller Parteien beschlossen. Die Stadträtin bedankte sich für die „konstruktive Haltung aller Parteien in dieser Frage“.

Im Wiener Rathaus stimmten nun am 27. Juni 2007 ebenfalls alle Parteien dem Bau zu. Wehsely freute sich, dass gemeinsam höchstes pflegerisches und menschliches Niveau bei der Betreuung der alten Menschen erreicht werden könne, berichtet die Rathauskorrespondenz.

„Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Vorsätzen“, sagt ein Sprichwort. Auch „Lainz“ wurde damals nicht aus Bösartigkeit gegründet. „Der Spatenstich zum Altersheim erfolgte am 26. Juni 1902 im Beisein von Kaiser Franz Joseph und Bürgermeister Karl Lueger, auf dessen Anregung der Grundstein am Ölberg in Jerusalem gebrochen worden war. Die offizielle Inbetriebnahme fand am 12. Juli 1904 statt. Es gab fünf Männer-, fünf Frauen- und zwei Ehepaarheime, zwei Krankenheime, ein Beobachtungs- und ein Isolierhaus. In der Endausbaustufe 1913 verfügte die Anlage über 4.498 Betten“, berichtet Ö1.

Auch wenn nun alle feiern; der Weg der Aussonderung wird unbeirrt fortgesetzt; wenn auch qualitativ besser ausgestattet. Ein teurer und nachhaltiger Fehler.

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0 Kommentare

  • Sehr geehrter Herr Schrage! Sie können die Schrift vergrößern indem sie oben rechts bei „Schriftgröße ändern in:“ entweder „groß“ oder „sehr groß“ auswählen. Weiters können sie auch in ihrem Browser die Schriftgrösse ändern.

  • Lieber martin, liebe bizeps-leute, ich stimme – spät aber doch! – eurem beitrag mit einer ganz großen einschränkung voll zu. Auch ich hätte als ein exponent einer oppositionspartei den neuen Mittelgroß-Heimen nicht zugestimmt.
    Ganz schlimm und unverantwortlich an Bizeps beitrag finde ich, dass Martin in seinem artikel so schreibt, als wären die tötungen 1983 bis 1989 im Pflegeheim Lainz geschehen. Das war nicht so. Die tötungen (Hilfsschwester Wagner & Co) geschahen in der nicht allzu großen internen abteilung des Krankenhauses Lainz. Auch der ORF – zuletzt Zib 2 – hatte wiederholt aus nichtwissen falsch informiert. Aber, lieber Martin, du bist doch sicher richtig informiert! Die schlampigkeit in dem bericht ist deiner nicht würdig!

    Liebe grüße dieter

    Eine frage: Was kann ich machen, dass hier die schrift so altenfeindlich klein ist? Ich kann diesen schriftgrad kaum lesen und so auch kaum schreiben.

  • Es ist egal welches Heim genannt wird es ist in allen Heimen der gleiche Ablauf! Glauben sie mir auch im Neu erbauten GZSüd werden die Bewohner ab 14 Uhr zu Bett gebracht, mir wurde auf meine Frage warum erklärt : Nachmittag ist weniger Personal im Dienst und es wäre anders nicht zu schaffen.Eine sr. geht um 14 uhr 30 nach Hause. Hier geht es meiner Meinung nur ums Geld! Das der KAV einen Umbau nicht abschreiben kann aber einen Neubau schon das zeigt meiner Meinung nach schon nach welchen Kriterien die ganze Diskussion geführt wird!

  • ich pers.war 3jahre in einem PWH in wien wo man bewohner sprich INSASSEN in deren apartement verhungern ließ.dabei währe es ganz leicht und ohne finaz.mittel möglich durch austausch des personals mit anderen heimen das problem zu lösen .es würde dadurch kein zu großes mitleid oder keine so große agression den bewohnern gegenüber von seiten des personals entstehen.eine erfolgs gerechte lösung ohne finaziellen aufwand.auch für das geratrizetrum LAINZ die lösung.es ist mir GOTT SEI DANK gelungen wieder PRIVAT zu wohnen.nach schwerem kampf

  • Ich gratuliere zu dieser absolut unverständlichen Entscheidung. Aber es ist schon verständlich wenn ich daran denke, daß es in Österreich beinahe schon üblich ist, für tote Pferde sauteure Trainer zu kaufen, die es zum laufen bringen sollen.

    Ich bin zwar froh, nicht in Wien und somit direkt mit dieser Entscheidung leben zu müssen, doch befürchte ich, daß diese typisch politiotische Entscheidung Schule macht und auch andere Bundesländer ansteckt.

    Ich bin wieder mal traurig, Mitglied einer Partei zu sein, die Dinge tut bzw aktiv unterstützt, die sie angeblich gar nicht tun will. Wenn das so weitergeht, ersparen wir uns in Österreich die Windräder und stellen statt dessen weitere Typen wie die Wiener Abgeordneten auf, die dann Windenergie im Großformat erzeugen.

  • eine Alternative zu Groß-Pflegeheimen wären generationenübergreifende Wohnprojekte. Information über das Frauenwohnprojekt [ro*sa]22 am 24. Juli ab 19 h im Café Max, 1., Stubenring 16

  • Fortsetzung 2: Unter Einbeziehung des Faktums psychischer Folter ist die Bezeichnung „legalisierte Folteranstalten“ und der Hinweis auf „die täglichen Verletzungen der Menschenrechte in diesen Verwahranstalten“ durch Herrn Mizelli, für meist lebenslängliche Internierung in aussondernden, stationären Einrichtungen, auch wenn dies „im Namen der Barmherzigkeit“ geschieht, durchaus angebracht und nicht „überzogen“ und als „Polemik ungustiös“, auch wenn es ungewöhnlich hart klingen mag.

  • Sehr geehrter Herr Mag. Fraunbaum, nur weil unser Verfassungsgerichtshof den Artikel 7 (Benachteiligungsverbot) noch nicht wirklich verinnerlicht hat – von Bund, Ländern und Gemeinden (die dort angesprochen sind), ganz zu schweigen – darf man ein überholtes, institutionelles Fürsorge- System aus dem vorvorigen(!) Jahrhundert nicht gutreden. Solche Grundsatzfragen dürfen nicht mit der bisherigen Praxis beurteilt werden und schon gar nicht mit Rücksichtnahme auf Lobby- Interessen unterdrückt werden.
    Die so genannten „Heime“ hatten beim Aufkommen der Idustrialisierung zwar wertvolle und anerkennenswerte Dienste geleistet, einem Menschenrechtsverständnis (das in der ureigensten Formulierung ungeteilt ALLE Menschen inkludiert) – wie nun auch in der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen klargestellt ist – hält dieses System nicht stand! Diese Tatsache wird von Menschenrechtsexperten immer mehr erkannt und auch formuliert, nachdem sich mittlerweile ambulante Alternativen entwickelt haben, die es zügig und konsequent auszugestalten gilt.

  • Fortsetzung: Hinzuweisen ist auch auf „Artikel 8 der Menschenrechtskonvention, Schutz das Privat- und Familienlebens, dieses habe einen höheren Wert als eine Abschiebung aus öffentlichem Interesse“ (eine tagesaktuelle Formulierung zum Thema Fremdenrecht). Ebenfalls stark eingeschränkt wird das Recht auf persönliche Freiheit (Art 5 EMRK), das Recht auf Freizügigkeit der Person und des Vermögens (Art 4 Abs 1 StGG; Art 2 Abs 1 4. ZPEMRK) sowie das Recht der freien Wahl von Aufenthalt und Wohnsitz (Art 6 Abs 1 StGG; Art 2 Abs 1 4. ZPEMRK). Es ist und bleibt eine eklatante Menschenrechtsverletzung, wenn bei hoher Hilfebedürftigkeit und Angewiesenseins auf umfassende fremde Unterstützung in allen Lebensbereichen laut Sozialgesetzen nur mehr ein „Leben im Heim“ ermöglicht wird, wie es derzeit oftmals der Fall ist. Wenn jemand freiwillig das Leben in der Sonderwelt „Heim“ vorzieht (wieviele?) und kein indirekter Zwang ausgeübt wurde, gibt es diese Menschenrechtsproblematik natürlich nicht.

  • Wer sich dafür interessiert: Ich habe das Urteil, allerdings in englischer Sprache. Wer selber suchen will: Price v. The United Kingdom (Application no. 33394/96)

  • Sg Herr Fraunbaum: Das ist keine Polemik. Das ist aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Darin wird die Verweigerung bedarfsgerechter Assistenz als Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verurteilt. Artikel 3 verbietet Folter und unwürdige Behandlung. Dass in Heimen keine bedarfsgerechte Assistenz geleistet wird, wird wohl niemand ernsthaft bezweifeln. Leider kann man diese Menschenrechtsverletzung nicht vor Gericht bekämpfen. Zumindest laut Auskunft meiner Anwältin.

  • zum kommentar von wolfgang mizelli:

    grundsätzlich teile ich ihre kritik an großheimen und der geschäftemacherei damit, ABER (sind sie mir nicht böse) „legalisierte Folteranstalten“ und „tägliche Verletzungen der Menschenrechte“ ist als reale beurteilung völlig überzogen und als polemik ungustiös. derartiges lenkt von der tatsächlich vorhandenen problematik ab.

  • Für mich ist der derzeitige Zustand bald untragbar ,alle Fraktionen reden um den Brei herum ändern tut sich leider nix! Man kann der Jugend keinen Vorwurf machen daß sie sich um die „Alten“ nicht sorgt und diese deswegen in ein Heim abgeschoben werden! Wir selbst versuchen seit zwei Jahren eine geeignete Wohnung zu finden wo „Jung“ und „Alt“ in einem gemeinsamen Haushalt leben können,derzeitige Angebote sind (monatlich) nicht unter zweitausend Euro zu finden! Bitte wer kann sich das leisten? Hier ist meiner Meinung nach die Öffentliche Hand gefordert und zwar schon beim Wohnungsbau der Zukunft. Derzeit wird ja nur die Familie auseinandergetrieben ob sie wollen oder nicht!Wir bräuchten viel weniger GZ wen die möglichkeit des zusammenwohnen gefördert werden würde.

  • Hier gehts doch nur um Geld und bisher scheints nicht so vielen zu stören. Und versteckt wird diese Handlung hinter pseudosoziales Denken. Jaja, die armen alten Leut können ja nur in solchen „Heimen“ versorgt werden. Ganz klar muss man aber auch denen die Schuld geben, die ihre Alten und Kranken erst gar nicht pflegen wollen. Früher war es normal, das die junge Generation die Alten und gebrächlichen Famlienmitglieder versorgt haben. Heute gibt es dieses soziale Denken nimmer, weil es uns viel zu gut geht!!! Daher haben derartige Handlungen, wie es wiedermal gezeigt hat, sehr gute Chancen sich durchzusezen. Wer krank und alt ist, muss ja froh sein, dass sie überhaupt noch sein dürfen.

  • Solange wir nicht gerichtlich gegen diese legalisierten Folteranstalten vorgehen können und sich keineR wirklich für die täglichen Verletzungen der Menschenrechte in diesen Verwahranstalten interessiert, werden sie fröhlich weitergebaut. Irgendwer muß da ganz viel Geld verdienen damit.