Andere Töne zum Thema Sterben von „Hospiz Österreich“ und „Österreichischer PalliativGesellschaft“

Unter dem Motto "‘Leben bis zuletzt‘: Zwischen Lebenswillen und Todeswunsch, zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge" fand am 1. April 2014 im MuseumsQuartier Wien ein Pressegespräch mit anschließender sehr gut besuchter Enquete statt.

Pressegespräch: Leben bis zuletzt 20140401
Karner, Mag. Marianne

Die Referate von unterschiedlichen Experten und Expertinnen aus der Praxis zeigen andere Aspekte über die letzte Phase des Lebens auf und liefern somit einen weiteren Beitrag für die laufende Diskussion über das Sterben in Politik, Medien und Gesellschaft.

Klare Positionierung: Beibehaltung der derzeitigen Gesetzeslage

In den gemeinsamen Positionspapier von „Hospiz Österreich“ vertreten durch Präsidentin Waltraud Klasnic und Dr. Karl Bitschnau (Palliative Care, Leiter der Hospizbewegung in Vorarlberg) sowie von der „Österreichischen PalliativGesellschaft“ vertreten durch den Präsidenten Univ. Prof. Dr. Herbert Watzke (Professur für Palliativmedizin, Wiener Universitätsklinik für Innere Medizin I, Leiter der Palliativstation) heißt es:

Wir sprechen uns klar für eine Beibehaltung der gegenwärtigen Gesetzeslage und gegen die Legalisierung von Tötung auf Verlangen und der Beihilfe zur Selbsttötung aus.“ Die Begründung dieser Position folgt: 1. „Es geht vor allem darum, Gebrechlichkeit und Leiden in eine umfassende Sicht des Menschseins zu integrieren. Hilfsbedürftigkeit widerspricht nicht der Würde des Menschen, …“ 2. Weiter wird auf die „Gefahr des Missbrauchs“ hingewiesen, falls Tötung auf Verlangen gesetzlich möglich wäre. 3. Zu bedenken ist auch: „Menschen die Verfügungsgewalt über die Beendigung des Lebens anderer Menschen zuzusprechen, hat eine nicht übersehbare Tragweite und birgt die Gefahr der schleichenden Ausweitung der Tötung auf Verlangen auf andere PatientInnen, die nicht danach verlangen, …“. 4. Auch wächst der gesellschaftliche Druck auf ältere und pflegebedürftige Menschen. Ein Verbot der Tötung auf Verlangen bietet einen Schutz. „Niemand muss sich für sein Angewiesensein auf Pflege und Unterstützung rechtfertigen.“ 5. Zu befürchten ist bei einer gesetzlichen Freigabe auch ein zunehmender Druck durch „ökonomische Interessen“. Die Tötung auf Verlangen widerspricht darüber hinaus auch dem ärztlichen Berufsethos. 6. Und zuletzt: „Tragische Einzelerfahrungen im Umgang mit dem Sterben und mit den Grenzen der Leidensfähigkeit dürfen nicht zum Regelfall der Rechtsprechung erhoben werden.“

Klare Forderungen an die politischen Entscheidungsträger

„Hospiz Österreich“ und die „Österreichische PalliativGesellschaft“ gehen noch weiter und fordern vielmehr:

  1. Einen Rechtsanspruch auf Betreuung durch Hospiz- und Palliativeinrichtungen.
  2. „Die Hospiz- und Palliativversorgung muss für alle Menschen, die sie brauchen, erreichbar, zugänglich und leistbar sein“.
  3. Eine umfassende Integration von Hospiz und Palliative Care in Pflegeeinrichtungen, … Krankenhäusern, … „Versorgungseinrichtungen für Menschen mit Behinderung.“
  4. Finanzierung durch die öffentliche Hand.
  5. Interprofessionelle Qualifizierung aller beteiligten Ehrenamtlichen und Berufsgruppen.
  6. Erweiterung von Unterstützungsangeboten für pflegende und trauernde Angehörige.“

Es darf auf gar keinen Fall zu einer rechtlichen Verschlechterung in diesem Bereich kommen. Gesetze sollen für diejenigen Menschen gemacht werden, die es betrifft.

Expertenwissen und Berichte aus der Praxis

In den Referaten der Enquete wurden viele unterschiedliche Aspekte rund um das Sterben angesprochen. Der Bogen reichte von einem sehr persönlichen Bericht einer Angehörigen, die ihren schwerkranken Vater in der letzten Lebensphase begleitet hat, den Erfahrungen aus dem ärztlichen und pflegerischen Betreuungsalltag, ethischen Überlegungen, über rechtliche Möglichkeiten der Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung bis zu Information über Angebote sowie Fakten über die derzeitige Lage der Hospiz- und Palliative-Care-Versorgung in Österreich.

In den Berichten kristallisierten sich vor allem folgende Einsichten heraus:

Sowohl in der allgemeinen Ärzteschaft als auch in der Gesellschaft besteht viel zu wenig Wissen darüber, welche legalen Möglichkeiten der Einflussnahme Ärzte und Patienten bereits jetzt schon in der letzten Lebensphase haben. Das betrifft z.B. die Möglichkeiten der Schmerz- und Angstlinderung, die Entscheidung für einen Therapieabbruch oder Ablehnung einer Therapie, die Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung (die vor allem bei bereits unheilbar erkrankten Menschen sinnvoll ist). Leider sind derzeit die beiden letztgenannten Möglichkeiten mit nicht unerheblichen (finanziellen) Hürden verbunden.

Die sog. „end of life discussion“, also das vertrauensvolle Gespräch zwischen Arzt und dem todkrankem Patienten über Diagnose und Prognose bis zur medizinischen Gestaltung der letzten Tage in seinem Leben ist von sehr großer Bedeutung. Zusätzlich zu den Rahmenbedingungen für so ein Gespräch ist vom Arzt neben der fachlichen Kompetenz auch eine einfühlsame Gesprächsführung gefordert.

Nur sehr wenige Patienten und Patientinnen entscheiden sich in der letzten Phase des Lebens für eine Lebensverkürzung. Gerade Menschen, die sich früher für eine sogenannte „Sterbehilfe“ ausgesprochen haben, machten angesichts einer schlimmen Diagnose bzw. Prognose einen Wandel, einen Prozess durch und änderten ihre Meinung. Sie möchten leben bis zuletzt.

Einhelliger Tenor besteht auch für die Notwendigkeit der verbesserten Ausbildung von Medizin-Studierenden, Ärzten und Ärztinnen sowie Pflegepersonal. Einerseits sind fachärztliche Spezialisten sowie eine Vernetzung erforderlich, andererseits muss das Expertenwissen auch in die Regelversorgung Eingang finden.

Modernes Sterben – quo vadis?

Schließlich sind auch noch folgende Anmerkungen aus dem Publikum (die Diskussion wurde übrigens vom Journalisten Hans Rauscher, derStandard, moderiert) festzuhalten.

  • Sterben heute? Fakt ist, dass die meisten Menschen in Österreich derzeit einsam und ohne besondere Betreuung im Krankenhaus oder Pflegeheim sterben.
  • Hospiz und Palliativ-Care müssen einem breiteren Spektrum von Betroffenen zur Verfügung stehen. Der Fokus liegt derzeit noch immer vorwiegend auf dem onkologischen Bereich.
  • In den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird die Anzahl der hochaltrigen Demenzkranken mit kognitiven Einschränkungen stark ansteigen. Eine große Herausforderung auch für die Palliativmedizin.
  • Die ganz große Frage dreht sich um die Finanzierung von Hospiz und Palliativ-Care.
  • Unsere Gesellschaft hat den natürlichen Umgang mit dem Tod verlernt. Sterben und Tod findet vor allem in Institutionen statt. Sterben und Tod muss wieder in das Leben geholt werden. Ganz wichtig ist auch schon die Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen.
  • Selbstverständlich sollten Hospiz und Palliativ Care im Curriculum in der pflegerischen und ärztlichen Ausbildung (auch interdisziplinär) festgeschrieben werden. Neben Theorie und Einheiten mit Schauspielern zur Einübung der Gesprächsführung sollte auch schon der frühzeitige Kontakt zu realen Patienten und Patientinnen vorgesehen sein.
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