Ausstellung: Der Krieg gegen die „Minderwertigen“

Dauerausstellung über die Verbrechen der NS-Medizin an behinderten Menschen und den Umgang mit ihnen nach 1945 im Otto-Wagner-Spital in Wien eröffnet.

Opfer der NS-Zeit
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes

Am 3. Juli 2008 wurde im Wiener Otto-Wagner-Spital (vormals Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“) die erneuerte und erweiterte Ausstellung „Der Krieg gegen die ‚Minderwertigen‘: Zur Geschichte der NS-Medizin in Wien“ eröffnet.

Die Medizin übernahm im Nationalsozialismus eine neue und besonders menschenverachtende Aufgabe: Die von den Nazis so genannte „Ausmerzung“ von Menschen, die sie als „minderwertig“ ansahen. Für Personen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen, nicht integrierte oder unangepasste Menschen war in der nationalsozialistischen Volks- und Leistungsgemeinschaft kein Platz. Sie wurden verfolgt, eingesperrt und der Vernichtung preisgegeben.

Die Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ – das heutige Otto-Wagner-Spital – wurde in den Jahren nach der Machtergreifung der Nazis 1938 zum Wiener Zentrum der nationalsozialistischen Tötungsmedizin, die mindestens 7.500 Patienten von Steinhof das Leben kostete.

„Am Spiegelgrund“

Von 1940 bis 1945 existierte auf dem Anstaltsgelände unter der Bezeichnung „Am Spiegelgrund“ eine so genannte „Kinderfachabteilung“, in der rund 800 kranke oder behinderte Kinder und Jugendliche von den Nazischergen ermordet wurden.

Von 1940 bis 1941 wurde im Rahmen der „Aktion T 4“ mehr als 3.200 Patienten aus der Anstalt nach Schluss Hartheim bei Linz abtransportiert und dort „ins Gas geschickt“ (ermordet). Nach dem offiziellen Ende der „Aktion T 4“ im August 1941 wurden die so genannte „Euthanasie“ in Steinhof mit Hilfe gezielter Mangelernährung und systematischer Vernachlässigung fortgesetzt. Dadurch fielen mehr als 3.500 Patienten dem Hunger und Infektionen zum Opfer.

Der so genannte „Steinhof“ spielte auch in anderen Bereichen der NS-Verbrechensmaschinerie eine wesentliche Rolle, so etwa bei der Durchführung von Zwangssterilisierungen. Darüber hinaus befanden sich vor Ort u.a. auch das Erziehungsheim „Am Spiegelgrund“, das eng mit der so genannten „Kinderfachabteilung“ kooperierte.

Dokumentiert wird auch der Umgang mit der Geschichte der NS-Medizin nach 1945, wie z.B. der Fall Dr. Heinrich Gross oder der Umgang der Gerichte mit den Naziverbrechen.

„Der Umstand, dass der ehemalige Arzt der Tötungsklinik „Am Steinhof“ Dr. Gross auch nach dem Ende des NS-Regimes seine Karriere fortsetzen konnte, ist mir unerträglich. Die Opfer der Folterknechte leiden, so sie noch leben, seit damals unter anhaltenden gesundheitlichen Problemen, sie haben Traumata und schwere psychische Wunden erlitten, die sie wohl nie wieder los lassen. Ihnen schulden wir alles zu tun, damit hingesehen werden kann. Die überarbeitete Ausstellung hilft ihnen beim Hinsehen“, betonte die Gesundheits- und Sozialstadträtin, Mag. Sonja Wehsely (SPÖ), im Rahmen der Eröffnung.

Projekt des Dokumentationsarchivs

Die Ausstellung ist ein Projekt des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes und entstand in enger Zusammenarbeit und mit Förderung der Stadt Wien sowie des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus.

Bedauerlicherweise weist die rundum positive Ausstellung für behinderte Besucher derzeit noch zwei gravierende Barrieren auf: Der Zugang ist nur über einen Lift möglich, dessen Türe am Tag der offiziellen Eröffnung jedoch noch versperrt war, sodass eine Begleitperson zuerst jemanden holen muss, der im Besitze eines Schlüssels ist. (Diese Barriere soll laut Aussage der Zuständigen kurzfristig beseitigt werden).

Die zweite Barriere, das Fehlen einer Behindertentoilette, dürfte sich eher erst mittelfristig beseitigen lassen; konkrete Überlegungen laufen derzeit.

Ort

Pavillon V, Sozialmedizinisches Zentrum Baumgartner Höhe, Otto-Wagner-Spital, Baumgartner Höhe 1, 1140 Wien, Öffnungszeiten Mittwoch bis Freitag (werktags) von 10-17 Uhr, an anderen Tagen nach Vereinbarung, der Eintritt ist frei.

Es gibt kostenlose Führungen nach Voranmeldung unter der Nummer 01/22 89 469-319 bzw. per eMail unter office@doew.at, www.gedenkstaettesteinhof.at

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