Bahnreisen immer wieder ein Abenteuer

Sich woanders einen schönen Tag machen, für Menschen ohne Behinderung meist ein normales und unproblematisches Unterfangen, kann für Menschen im Rollstuhl zu einem Höllentrip werden.

ICE
BIZEPS

Wie die TZ München am 29. Dezember 2017 berichtete, musste dies ein 35-jähriger junger Mann mit einer Behinderung am eigenen Leibe erfahren.

Stefan Diesenbacher aus Dachau plante schon länger einen Tagesausflug nach Brixen in Südtirol. Er wollte dort gemeinsam mit seiner Mutter und deren Freundin einen schönen Tag verbringen. Doch am Hauptbahnhof erwartete ihn zunächst die erste böse Überraschung.

„Wir haben alles über die Bahn vorab geklärt und schriftlich bekommen“, zitiert die TZ die Mutter Margot Diesenbacher. Alles sei geregelt, die Zugtickets, die Buchung für das behindertengerechte Zugabteil, in das der Rollstuhl passe. Ebenso liege eine Zusage für eine Einstieg- und Ausstieghilfe mit einem Hublift an den Bahnhöfen in München und Brixen vor.

Am Münchner Hauptbahnhof angekommen, wurde den Reisenden eröffnet, dass die Spezialtüre des Zuges, durch die er mit seinem Rollstuhl Zugang erhalten sollte defekt sei. Er müsse eben noch 2 Stunden warten, bis der nächste Zug eintreffe, so die Bahn. Nur auf mehrfaches Nachfragen hin durften der Rollstuhlfahrer mit seiner Mutter und derer Bekannten sich in der DB-Lounge aufwärmen, nachdem er auf dem eiskalten Bahnsteig der Kälte ausgesetzt war, berichtet die Münchner Tageszeitung.

Nach dieser unfreiwilligen Wartezeit traf der nächste Zug mit einer funktionierenden Spezialtür ein. Trotzdem sollten die Probleme nicht enden. Weil der Rollstuhlfahrer aus Dachau diesen Zug nur barrierefrei in einem Waggon der 1. Klasse nutzen konnte, jedoch nur die 2. Klasse gebucht war, bereitete ihm der Zugbegleiter zunächst massive Schwierigkeiten. Seine Mutter benötige einen Begleitschein für die 1. Klasse, um bei ihrem Sohn sein zu dürfen, so die TZ.

In Brixen allerdings wurde der Horror der Tagesreise noch gesteigert. Zum Aussteigen waren weder ein Hublift noch irgendwelche Bahn-Mitarbeiter da, um Diesenbacher zu unterstützen. Der Zugbegleiter drängte, wollte aber selber aus versicherungsrechtlichen Gründen nicht mit anpacken. Schließlich halfen andere Fahrgäste aus und wuchteten den Rollstuhl samt dem Mann aus dem Zug.

Die Rückfahrt um 17:04 Uhr sollte auch zu einem Martyrium werden. Wieder waren weder ein Hublift noch ein Mitarbeiter zur Unterstützung für den Einstieg in den Zug anwesend. Zusätzlich erschwerte die bittere Kälte den Aufenthalt am Bahnsteig. Schließlich ließ sich Diesenbacher vom Rollstuhl zu Boden und robbte über den nassen und kalten Boden über die Stufen des Zuges in das Abteil.

„Es war frustrierend. Ich war vollkommen machtlos und erschöpft“, zitiert die TZ den 35-jährigen Rollstuhlfahrer. Als Folge dieses Vorfalles wurde der junge Mann eine Woche lang krankgeschrieben und konnte seiner Tätigkeit als Erzieher in einer Einrichtung im Landkreis Dachau nicht nachgehen.

Als er die Bahn daraufhin zur Rede stellte, bekam er die Antwort, dass schließlich die italienische Bahn für den Vorfall in Brixen zuständig sei. Als Wiedergutmachung und aus Kulanz böten sie ihm einen Gutschein in Höhe von 20 € für seine nächste Reise an. Auf Nachfrage der TZ wollte sich das Unternehmen nicht weiter dazu äußern.

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3 Kommentare

  • € 20,- ist eine Beleidigung!

  • Wieso kann man diese Tür nicht manuell öffnen?
    Wieso wird die Tür nicht vorher geprüft?

    Wieso ist die Tür nicht funktionsfähig?
    Wieso erhält der geprellte Kunde nicht ein Gratis-Fahrt 1. Klasse als Entschuldigung?

    Wieso ist die Bahn nicht in der Lage, augenblicklich und jederzeit einen Hublift bereit zu stellen?

    Was würde die Bahn mit mir machen, wenn ich mit meinem 200kg E-Rolli und mir mit 120 kg, Muskelkrankeit, käme? Bei mir geht nix mit „robben“?

    Fahrten mit der DB waren früher schon „schwierig“:
    – Heizung im Sommer auf Vollgas – nicht reduzierbar,
    – Sitze nicht reserviert,
    – kein Restaurantwagen bis Athen,
    – Klimanlage defekt bei außen 33° C und 90% Feuchte – Fenster nicht zu öffnen…

    Alles selber durchgemacht!

    Ausweg: Westbahn!

  • Erwerbsarbeit macht offensichtlich dumm und unempathisch. Klar hat das Unternehmen falsch gehandelt, aber die Feigheit von vielen Mitarbeitern, in Notsituationen zu handeln und verantwortung zu übernehmen, finde ich schrecklich. Wenn alle Menschen überlegen würden, ob sie helfen sollten und wofür sie alles geklagt werden könnten, sähe die Welt noch viel schlimmer aus. Wenigstens verhindert diese Entscheidungsangst solche Menschen effektiv daran, wirklich verantwortungsvolle Positionen zu übernehmen.
    Ich würde mich als Betroffener nicht mit einem Gutschein abschaseln lassen.