Barrierefreiheit in der Gastronomie

Warum ist sie wichtig? Wie wird sie umgesetzt?

Zwei Frauen - eine davon Rollstuhlnutzerin - in einem Gastgarten
BIZEPS

Gastgärten, Wirtshäuser und Lokale sind als Orte der Begegnung und der Entspannung ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Lebens in Wien.

Kennen Sie diese Situation? Sie treffen zufällig eine Bekannte oder einen Bekannten. Eine spontane Plauderei oder auch eine abendliche Verabredung wäre nett. „Kennst du ein nettes Lokal hier in der Nähe?“ Diese Frage ist nicht außergewöhnlich. Für mich als Rollstuhlfahrerin sind aber in diesem Fall noch weitere Rahmenbedingungen wesentlich. Ist das Lokal stufenlos erreichbar? Ist die Toilette für mich benutzbar, das heißt groß genug und mit Haltegriffen ausgestattet?

Sonst wird die kurze Plauderei ungewollt noch kürzer oder ich muss meinen Getränkekonsum auf ein Minimum reduzieren. Leider ist die Suche nach einem geeigneten Treffpunkt meist immer noch eine Herausforderung.

Menschen mit anderen Behinderungen geht es ähnlich. Für blinde Menschen oder Menschen mit Sehbehinderung ist es nicht selbstverständlich, ohne fremde Hilfe aus dem Speiseangebot auswählen zu können.

Speisekarten in Brailleschrift beziehungsweise größerer Schrift oder technische Hilfsmittel, welche die Speisekarten vorlesen, können hier Abhilfe schaffen. Gehörlose Personen würden von Gebärdensprachkenntnissen des Personals profitieren. Auch ein barrierefreier Webauftritt ist wichtig, damit alle Ihre Kundinnen und Kunden problemlos an Informationen über das Lokal kommen können.

Zwei Frauen - eine davon Rollstuhlnutzerin - betreten ein Lokal
BIZEPS

Wem nützt Barrierefreiheit?

Für mich ist Barrierefreiheit unverzichtbar, aber was bringt sie Ihnen als Gastronomin oder Gastronom? Wenn ich ein gutes barrierefreies Lokal gefunden habe, komme ich gerne wieder auf Ihr Angebot zurück, erzähle meinen Bekannten davon und feiere meine Feste mit vielen Freunden in ihrem Lokal. Auch gibt es Tourismuswebseiten, die entsprechende Daten auflisten.

All das bedeutet für Sie als Restaurantbetreiberinnen und Restaurantbetreiber einen Zuwachs an Kundschaft. Von Barrierefreiheit profitieren übrigens nicht nur Menschen mit Behinderungen, es genügt schon ein gebrochenes Bein und man ist in der Mobilität eingeschränkt. Ältere Gäste und Gäste mit Kinderwägen schätzen ebenfalls ein barrierefrei zugängliches Lokal. Man könnte also durchaus sagen, dass eine Investition in Barrierefreiheit eine Investition in die Gäste und in die Zukunft ist.

Barrierefreiheit in der Praxis

Laut Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz müssen seit 1. Jänner 2016 alle Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen öffentlich anbieten, barrierefrei zugänglich sein. Das gilt unabhängig von der Branche und der Größe des Unternehmens. Diese Regelung betrifft selbstverständlich auch Gastronomiebetriebe.

Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz will, wie der Name schon sagt, eine Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen gegenüber anderen Bürgerinnen und Bürgern verhindern.

Eine 2016 veröffentlichte Studie des ÖZIV-Bundesverbands für Menschen mit Behinderungen stellt den Geschäftslokalen Wien ein schlechtes Zeugnis aus. Es wurden 1700 Geschäftseingänge in den größten Einkaufsstraßen Wiens untersucht, darunter auch Hotels und Gastronomiebetriebe. Das Ergebnis war ernüchternd. Sogar dort lag der Anteil an stufenlosen Geschäftslokalen bei 44,5 %. Auch die Gastronomiebetriebe und Hotels schnitten in der Studie schlecht ab. Von 285 untersuchten Eingängen in dieser Branche waren nur 45 % barrierefrei zugänglich.

Außerhalb von Geschäftsstraßen ist der Anteil an barrierefreien Zugängen bei weitem geringer.

Woran liegt es, dass trotz offenkundigem Nutzen und entsprechender gesetzlicher Vorgaben noch so großer Nachholbedarf besteht?

Rollstuhlfahrern öffnet Türe zum barrierefreien WC
BIZEPS

Peter Dobcak, Vorstand der Fachgruppe für Gastronomie der Wirtschaftskammer Wien, sieht als Ursachen dafür unter anderem die Bestimmungen der sogenannten Betriebsanlagengenehmigung und in Vorschriften zum Brand- und Denkmalschutz. Die Betriebsanlagengenehmigungspflicht besagt nämlich, dass jegliche bauliche Veränderung in Abstimmung mit der Behörde durchzuführen ist. Das eigentliche Problem sei aber, dass man im Zuge jeder baulichen Veränderung im Betrieb dazu aufgefordert werde, den gesamten Betrieb auf den aktuellen, technischen Stand zu bringen. Das ist mit zusätzlichen Kosten verbunden und schrecke viele ab.

Unser Appell: Lassen Sie sich nicht abschrecken! Erfüllen Sie die gesetzlichen Vorgaben und lassen Sie sich die Chance nicht entgehen, Ihren Kundenkreis zu erweitern!

Wo bekommen Sie Informationen und kompetente Unterstützung?

Sie sind Inhaberin oder Inhaber einer Gaststätte und möchten Ihr Angebot barrierefrei gestalten? Sie haben Fragen zum Thema?

Die Expertinnen und Experten des Betriebsanlagenservice der Wirtschaftskammer Wien beraten und begleiten Sie gerne. Unterstützung gibt es auch vom Verein BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben office@bizeps.or.at.

Barrierefreiheit lohnt sich für Alle!

Zwei Frauen - eine davon Rollstuhlnutzerin - lesen in der Speisekarte
BIZEPS
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9 Kommentare

  • Nur ein Tipp: Wheelmap als App verwenden! Wheelmap ist eine Karte zum Suchen und Finden rollstuhlgerechter Orte. Wie bei Wikipedia kann jeder mitmachen und öffentlich zugängliche Orte entsprechend ihrer Rollstuhlgerechtigkeit markieren – weltweit. Markiert wird nach dem einfachen Ampelsystem:
    Grün = Voll rollstuhlgerecht
    Gelb = Teilweise rollstuhlgerecht
    Rot = Nicht rollstuhlgerecht
    Unmarkierte Orte sind grau gekennzeichnet und können von jedem schnell und einfach markiert werden. Die so gemeinsam gesammelten Informationen sind frei zugänglich.

    • Sehr geehrte Frau Fröschl,
      ich würde nicht darauf vertrauen, das die Kennzeichnung auf wheelmap tatsächlich auch richtig ist. Jeder kann dort das Ampelsystem benutzen, ohne daß es eine Kontrolle gibt.
      Alleine wenn ich schon daran denke, wie oft ich bei Ärzten angerufen habe und gefragt habe, ob ich mit dem Rollstuhl stufenlos hinein komme und als ich dann vor Ort war, waren doch wieder Stufen. Und jetzt stellen Sie sich das auf wheelmap vor, wenn man schon am Telefon keine richtige Antwort bekommt, obwohl die Herrschaften eigentlich nur vor die Türe gehen müßten, um die Stufen abzuzählen, die sie tatsächlich haben.

  • Hallo Herr Riess,
    Ich nehme sie beim Wort. Ich wohne in Lengau in OÖ.hier mein Mailadresse, damit ich auch daheim bin, wenn sie mich besuchen. darknimue@yahoo.de

  • liebe katharina müllebner, es ist schön, daß Sie an die gastronomie appellieren, ihre lokale barrierefrei zu machen. die öziv-studie bestätigt ja, daß das gesetz NICHT eingehalten wird. ich komme viel in österreich herum und darf Ihnen sagen, daß es am „land“ noch viel schlechter ist. meiner einschätzung nach hat sich die situation durch das gesetz von 2016 KAUM oder NICHT verbessert. das liegt an den fehlenden sanktions- und klagsmöglichkeiten des gesetzes! das müßte man halt schon erwähnen, das geschwurbel von dem kammerherrn braucht niemand. die wirtschaftskammer ist teil des problems, nicht der lösung! mit kriecherei und duckmäusertum werden unsere kinder und enkel auch in hundert jahren noch vor denselben problemen stehen. also: bitte mehr klarheit & mut! wir leben im jahr 2018 und nicht im jahr 1958. mit freundlich solidarischen und kämpferischen grüßen!

  • Oft liegt der Hund im Datail begraben, nämlich in der Ausstattung von Lokalen. Der neueste Schicki-Micki-Trend ist, dass jedes Lokal vollgestopft ist mit hohen Stehtischen oder zumindest halbhohen Tischen. Jedenfalls sind weder die einen noch die anderen für Gäste im Rollstuhl brauchbar. Hierin haben die Betreiber von Lokalen angeblich alleine das Sagen und grenzen Leute im Rollstuhl oder mit anderen massiven Gehbehinderungen aus. Man wird auch bei Schlichtungen in diesem Fall abgewimmelt, auch wenn die Lokale meist zusätzlich kein barrierefreies WC haben. Es handelt sich dann um eine Betriebsübernahme und es sei dem neuen Betreiber, der neuen Betreiberin wie dem/der alten nicht zumutbar, so einen kostspieligen Umbau zu tätigen oder es ist der Platz dafür nicht da. So wird sich nie etwas zum Positiven ändern (eher im Gegenteil!). Ich kann es nur von Linz sagen, dass hier alles SCHLECHTER wird, was Lokale betrifft!

  • Ich bin überrascht. Ich wohne in einem kleinen Dorf und dachte immer Wien müsse behindertenfreundlicher sein als ein kleines Dorf in welchem es verhältnismäßig wenig Rollstuhlfahrer gibt. Aber, ich kenne das gar nicht. Bei uns sind alle lokale und Geschäfte selbstverständlich barrierefrei. Bei uns gibt es auch organisierte Nachbarschaftshilfe und selbstverständlich auch spontane Nachbarschaftshilfe. Vielleicht liegt es daran dass sich türkis in unserer Kommunalpolitik noch nicht manifestiert hat.

    • sehr geehrte frau chytil! mit HOFFEN wird sich gar NICHTS ändern!

    • sehr geehrte frau winter! in welchem paradiesischem dorf leben Sie? ich möchte es unbedingt besuchen! mit freundlichen grüßen!

  • Sehr guter Artikel und es ist so, dass ein Treffen mit Freunden, ein Familienfest oder auch ein spontaner Kaffeehausbesuch oft aus fehlender Zugänglichkeit und entsprechender Sanitäreinrichtungen zu einer großen Herausforderung werden. Danke und hoffen wir, dass die Tourismusstadt Wien aktiver wird.