Barrierefreiheit in Wiener Spitälern

Am Beispiel der Wiener Gemeindespitäler: Viele Fortschritte erzielt – weitere Verbesserungen geplant

Michael Fink, Christine Steger, Evelyn Kölldorfer-Leitgeb
Mitzi Gugg

Der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) hat sich als erster Spitalsbetreiber Österreichs einer umfassenden Begehung zu Barrierefreiheit durch eine Monitoringstelle unterzogen.

Gesundheitsleistungen sollen allen Wienerinnen und Wienern ohne Hürden zugänglich sein – wie es auch in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen festgeschrieben ist. Der Unabhängige Monitoringausschuss überwacht und überprüft die Umsetzung dieser UN-Konvention auf Bundesebene.

Ein zentraler Punkt ist dabei das Recht auf umfassende Barrierefreiheit – natürlich auch in Krankenanstalten: Artikel 9 der Konvention hält das Recht der unabhängigen und somit barrierefreien Lebensführung sowie volle Teilhabe in allen Bereichen fest. Artikel 25 beinhaltet das Recht auf gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen.

Einen Status Quo in den Wiener Städtischen Spitälern haben die Expertinnen und Experten der Wiener Monitoringstelle für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in drei der Wiener Städtischen Spitäler erhoben. Die ersten Ergebnisse zeigen: Neue Spitäler schneiden gut ab, ältere Häuser haben Nachholbedarf.

Barrierefreiheit ist ein mehrdimensionales Thema

Das Verständnis von Barrieren ist oft auf bauliche Barrieren, wie beispielsweise Stufen oder zu enge, nicht rollstuhlgerechte Toilettenanlagen beschränkt. Es existieren jedoch noch andere Dimensionen: Sprachbarrieren, soziale Barrieren, ökonomische Barrieren und Verständnisbarrieren.

Tief verwurzelte Vorurteile und Stereotype sind beispielsweise soziale Barrieren, die Menschen mit Behinderungen an den Rand der Gesellschaft drängen.

Christine Steger, Vorsitzende des Unabhängigen Monitoringausschusses, erläutert: „Zu komplizierte Sprache in allen Bereichen des Lebens kann zur Barriere werden. Bei einem Aufenthalt in einem Spital muss man alles verstehen. Die Unterlagen, aber auch die Gespräche mit den Menschen, die dort arbeiten.“

„Barrierefreiheit ist eine Einstellung – keine Checkliste!“, betont Steger. „Erst wenn wir beginnen, barrierefrei zu denken, können Hindernisse in allen Dimensionen wirklich beseitigt werden. Das fängt damit an, dass Menschen mit Behinderungen überall mitgedacht sein müssen. Das bedeutet auch, dass wir Menschen mit Behinderungen gefragt werden und selbstverständlich am Tisch der Entscheidung sitzen. Denn wie immer gilt: Nichts über uns – ohne uns! Man muss Barrierefreiheit wollen. Es ist nie zu spät, das Thema Barrierefreiheit anzugehen!“

Barrieren in älteren Häusern abbauen – neue Häuser zum Vorbild nehmen

Die Wiener Monitoringstelle für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat in den letzten Monaten drei Krankenhäuser unterschiedlichen Baualters in Wien anhand einer umfassenden Fragenliste geprüft: das Donauspital, das Wilhelminenspital und das Krankenhaus Nord-Klinik Floridsdorf.

Anna Hosenseidl, Michael Fink, Christine Steger, Oswald Föllerer, Evelyn Kölldorfer-Leitgeb vor dem Donauspital
Mitzi Gugg

Bei der Begehung wurden die Aspekte der Information über das Spital, der Aufnahme, des Aufenthalts und der Entlassung sowie die Patientinnen- und Patienten-Kommunikation beleuchtet. Zentrale Fragen waren, wie es in diesen drei Spitälern mit der umfassenden Barrierefreiheit aussieht, welche Bereiche bereits barrierefrei sind und wo noch Verbesserungsbedarf besteht.

So unterschiedlich die Spitäler sind, so unterschiedlich fallen auch die Ergebnisse der Begehungen aus. Augenfällig ist, dass das älteste der begangenen Häuser noch einigen Aufholbedarf in Bezug auf die baulichen Voraussetzungen hat. In die Planungsprozesse für notwendige Modernisierungen hat das Thema Barrierefreiheit natürlich längst Eingang gefunden.

So ist es Standard bei Umbauten, dass etwa Sanitäranlagen rollstuhlgerecht ausgeführt oder Leitsysteme barrierefrei umgesetzt werden. Ein Beispiel dafür: Im Donauspital – errichtet in den 1980er- und 1990er-Jahren – sind den Expertinnen und Experten der barrierefreie Eingangsbereich mit Lift und Rampe sowie das taktile Leitsystem positiv aufgefallen, ebenso wie barrierefreie Bäder und Toiletten.

Bei den Aufzügen fehlen allerdings noch Beschriftungen in Brailleschrift und Lautsprecherdurchsagen zur Orientierung im Lift. Im Krankenhaus Nord – Klinik Floridsdorf wurde unter anderem die Induktionsschleife bei allen Leitstellen und Aufzügen sowie die Brailleschrift positiv vermerkt, Erstkontaktstellen haben absenkbare Pulte und es gibt barrierefreie Toiletten.

Modernisierung der Wiener Spitäler auch in Hinblick auf Barrierefreiheit erforderlich

Mit dem Wiener Spitalskonzept 2030 hat der KAV ein massives Investitionsprogramm eingeleitet, um die Spitalsversorgung der Wienerinnen und Wiener für die Zukunft abzusichern. Neben der Schaffung dreier Versorgungsregionen und einer fachlichen Schwerpunktbildung liegt der Fokus klar auf der baulichen Modernisierung der Wiener Städtischen Spitäler.

„Wir betreiben Krankenhäuser aus unterschiedlichen Epochen“, erklärt KAV-Generaldirektorin Evelyn Kölldorfer-Leitgeb.

„Das reicht von der Krankenanstalt aus der K.u.K.-Zeit bis hin zum Krankenhaus Nord, einer der modernsten Kliniken Europas. Wir müssen und werden in den kommenden Jahren massiv in den Umbau der älteren Häuser investieren, um sie auch baulich ins moderne Medizinzeitalter zu bringen.“

Natürlich ist auch das Thema Barrierefreiheit in diesem Zusammenhang ein wichtiger Aspekt: „Vor 100 Jahren spielten die Bedürfnisse von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen oder kognitiven Einschränkungen leider überhaupt keine Rolle. Das spiegelt sich auch in der Gestaltung öffentlicher Bauwerke wider. Unser Ziel als KAV ist es, alle unsere Spitäler auch in puncto Barrierefreiheit auf den Stand eines Krankenhauses Nord – also ins 21. Jahrhundert zu bringen.“

Und an diesem Ziel arbeitet der KAV gemeinsam mit den Expertinnen und Experten auf dem Gebiet. Michael Fink von der Wiener Monitoringstelle für die Rechte von Menschen mit Behinderungen erklärt: „Uns ist wichtig: Barrierefreiheit in Krankenanstalten hilft allen Menschen also auch Älteren, Eltern mit Kleinkindern etc. Und wir wollen gemeinsam mit dem Wiener Krankenanstaltenverbund daran arbeiten, dass in Zukunft umfassende Barrierefreiheit in allen Krankenhäusern selbstverständlich ist.“

Veranstaltungshinweis

Am 24. September 2019 findet eine gemeinsame öffentliche Sitzung des Unabhängigen Monitoringausschusses, der Wiener Monitoringstelle für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und dem Wiener Krankenanstaltenverbund statt.

Dabei werden unter anderem die Ergebnisse der Begehungen der drei KAV-Spitäler öffentlich präsentiert und diskutiert.

Anna Hosenseidl, Michael Fink, Christine Steger, Oswald Föllerer, Evelyn Kölldorfer-Leitgeb
Mitzi Gugg
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2 Kommentare

  • „sind den Expertinnen und Experten der barrierefreie Eingangsbereich mit Lift und Rampe sowie das taktile Leitsystem positiv aufgefallen, ebenso wie barrierefreie Bäder und Toiletten“

    Da seit ihr aber mit Sonnenbrille oder verklebten Augen reingefahren?
    Weil gerade im Donauspital, wenn man von der Notambulanz zum Röntgen will und der Rolli 4cm breiter ist, hat man schon den Salat, weil der Aufzug (Eingang rechts) zu eng ist. Im Gegenteil, da kommt dann wer der einem ums halbe KH schiebt nur um das man dann im ersten Stack zum Röntgen kommt. *der Artikel ist schon echte Augenauswischrei :-(( *

  • Gott sei Dank kümmert sich jetzt jemand darum. Was man in Spitälern erlebt, ist zeitweise schauderhaft, nicht nur das die Behinderten-WCs oft zu Putzkammerln verkommen (gesehen im Franz Josef-Spital), werden in barrierefrei gestalteten Duschräumen zwischen Dusche und Waschbecken Wände eingezogen (gesehen im Wilhelminenspital) und schon kann man den Raum mit dem Rollstuhl nicht mehr benutzen. Die Station für Schilddrüsenerkrankungen im AKH hat sogar überhaupt keine barrierefreie Dusche, obwohl die Abteilung 10 Zimmer hat. Ich mußte für meinen 10-tägigen Aufenthalt dann ins Donauspital übersiedeln um die Behandlung durchführen lassen zu können.