Wer als blinder oder sehbehinderter Mensch im Besitz einer Vorteilscard der ÖBB ist, aber die neuen Fahrkartenautomaten mit Touchscreen nicht benutzen kann, ist auf das Glück angewiesen, dafür nicht noch durch eine Aufzahlung bestraft zu werden.
Jedem Menschen, der hin und wieder die Bahn benutzt wird bislang schon klar gewesen sein, dass man einen Aufpreis (sogenannte Abfertigungsgebühr nach Zif. 18.3 des Österreichischen Personentarifs – ÖPT) zahlen muss, wenn man in einem „besetzten“ Bahnhof, der also über einen besetzten Verkaufsschalter verfügt, ohne gültige Fahrkarte in den Zug einsteigt und das Ticket dann im Zug beim Zugsbegleiter (vulgo Schaffner) kaufen will.
So weit so gut. Nach dem ÖPT gilt aber auch ein Bahnhof, der mit einem Fahrkartenautomaten ausgestattet ist, an dem man eben das konkret benötigte Ticket hätte kaufen können, als „besetzter“ Bahnhof, so dass auch in diesem Fall die Abfertigungsgebühr verrechnet werden darf, wenn man das Ticket trotzdem erst im Zug beim Zugsbegleiter kaufen möchte.
Das bringt aber gerade für blinde und sehbehinderte BahnkundInnen, die im Besitz einer Vorteilscard/blind sind, eine ziemlich diskriminierende Situation. Die neuen Fahrkartenautomaten ermöglichen auch den Kauf eines Vorteilstickets für blinde Menschen mit der 50% Fahrpreisermäßigung und der kostenlosen Mitnahme einer Begleitperson. Das Problem ist nur, dass die neuen Automaten lediglich über Touchscreen verfügen und so für blinde und viele sehbehinderte Menschen nicht bedienbar sind. Wenn auf einem Bahnhof nun kein Verkaufsschalter existiert, sondern nur ein solcher unbedienbarer Fahrkartenautomat, so bleibt dem blinden und sehbehinderten Fahrgast nurmehr die Möglichkeit, das Ticket im Zug beim Zugsbegleiter zu erwerben. Doch das bedeutete bereits in einigen Fällen, dass zum Ticket noch die sogenannte Abfertigungsgebühr verrechnet wurde.
Diese behindertendiskriminierende Situation im Bereich der ÖBB nahmen Wolfgang Kremser vom gemeinsamen Verkehrsgremium der Sehbehinderten- und Blindenorganisationen der Ostregion und Dietmar Graff als Leiter des Verkehrsgremiums des Österreichischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes zum Anlass, sich direkt an die ÖBB zu wenden. Die Antwort vom 19. Dezember 2002 war eher ernüchternd.
Zunächst wurde seitens der ÖBB bestätigt, dass die Rechtslage tatsächlich so ist und eine Ausnahmebestimmung für blinde oder sehbehinderte Fahrgäste nicht existiert. Als schwacher Trost sollte offenbar folgende Aussage der ÖBB zu verstehen sein: „Durch eine entsprechende interne Dienstanweisung ist es dem Zugbegleiter aber freigestellt, ob er diese Nebengebühr einhebt oder nicht. Die Einhebung ist von den jeweiligen Umständen abhängig; in den meisten Fällen wird der Zugbegleiter aber auf die Einhebung der Nebengebühr nicht verzichten.“
Lebensrealitäten wie diese machen es immer wieder unmissverständlich deutlich: „Das Ziel muss ein Behindertengleichstellungsgesetz sein, das den Einsatz von Fahrkartenschaltern, die behinderte Menschen von der Benutzung ausschließen, verbietet und erforderlichenfalls geeignete Sonderbestimmungen für behinderte KundInnen vorsieht!“ Nur so kann das Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen und das Staatsziel der Gleichbehandlung behinderter und nichtbehinderter Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens gemäß Art. 7 Abs. 1 der Österr. Bundesverfassung auch gelebte Realität werden. Behindertengleichstellung darf nicht zur Glückssache degradiert werden, sondern muss ein durchsetzbares Recht werden!