Gehörloser Salzburger bringt wegen ORF-Gebühren Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein.

Der gehörlose Salzburger Matthäus Auer bringt Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein, weil er sich diskriminiert fühlt. Warum soll er 100 % Gebühr für ein ORF-Programm bezahlen, das er nicht wahrnehmen kann.
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003 – kundgemacht am 20.8.2003 -, wurde die Fernmeldegebührenordnung in Österreich geändert. Seither gibt es für behinderte Menschen keine automatisch Befreiung von der Fernseh- und Rundfunkgebühr mehr.
Herrn Auer geht es nicht um den gratis Empfang des ORF. „Wenn wir barrierefrei schauen können, zahlen wir gerne voll.“ hält er fest. Was er aber nicht versteht und warum er klagt ist der Umstand, dass er 100 % Gebühr zahlen muss und „maximal 15 Prozent des TV-Programmes“ mitverfolgen kann.
Für gehörlose Kinder, die nicht fließend lesen können, gebe es beim ORF gar kein Programm und von regionalen Informationssendungen sind gehörlose Menschen ebenfalls völlig ausgeschlossen, beklagt Reinhard Grobbauer, Leiter des Salzburger Gehörlosenverbandes in den „Salzburger Nachrichten“ vom 16. August 2004.
Rechtsanwalt Friedrich Harrer hat für Matthäus Auer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingelegt. Herr Auer sei „in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit verletzt worden“, argumentiert Harrer, denn der ORF biete gehörlosen Menschen kein adäquates TV-Programm.
Das Bundeskanzleramt meint in einer Stellungnahme dazu, dass die staatlichen Rundfunkgebühren nicht dem ORF zugute kommen würden, berichten die Salzburger Nachrichten. Deshalb gebe es keine Verbindung zu seinem TV-Programm. Gebühren seien ja auch zu zahlen, wenn kein Programm empfangen würde, heißt es.
Herr Auer hat beim Verfassungsgerichtshof nun eine Beschwerde gegen die Finanzbehörde eingereicht. Die Stadt Salzburg hofft auf einen Präzedenzfall und zahlt die Prozesskosten.
Jost Kothe,
17.09.2004, 13:51
Ein typisches Beispiel von Behördenwillkür. Ohne sich auch nur Gedanken zu machen, dass ein Gehörloser nahezu keine bzw. sehr wenige Fernsehprogramm wahrnehmen kann, werden Gebühren erhoben. Das Argument, dass die Gebühr für den Fernsehanschluss sein soll, unabhängig ob die Person das Programm sieht oder nicht, ist nicht nachzuvollziehen.
Der Gehörlose kann so gut wie kein Programm wahrnehmen also hören, auch wenn er wollte!!!!
Brigitta Mikulasek,
26.08.2004, 11:10
In meiner Funktion als Geschäftsführende Sekretärin des WITAF teile ich mit, daß der WITAF seit 1865 die Interessen der Gehörlosen vertritt und selbstverständlich sofort auch auf diese Situation reagiert hat.Mit Hilfe unseres seit jahrzehnten vertauten Rechtsanwaltes haben wir bzgl. der Aufhebung der „unbefristeten Gebührenbefreiung für GL“ den rechtlichen Weg der Klage beschritten, Die Klage läuft den dementsprechenden Instanzenweg … Überdies hinaus haben wir bei jedem GL der vorstellig wurde eine Berufung zur Vorschreibung der Gebühren eingebracht.
Franz Werfel,
25.08.2004, 13:00
Vielleicht will der ORF keine gehörlosen Zuseher, weil diese für das enervierende Product Placement nicht so zugänglich sind.
Gottfried Wetzel,
21.08.2004, 03:18
Wir hatten vor 3 Jahren in einer Studie, wie (nicht) behindertengerecht Salzburg ist, u.a. auf diese Diskriminierung mehrfach hingewiesen und empfohlen den ORF zu klagen. Ein Lob an Herrn Auer, diesen Schritt zu wagen und an die Stadt Salzburg, dass sie dieses Vorhaben finanziell unterstützen.
Franz Sixtl,
20.08.2004, 20:46
Grundsätzlich habe ich Verständnis für die Vorgangweise von Herrn Auer, wenn es darum geht auf die Probleme und Bedürfnisse von zuwenig berücksichtigten Gruppen hinzuweisen. In der Paxis allerdings wäre ich für eine Politik für Menschen, egal mit welchen konkreten Problem sie sich herumschlagen müssen. Kaum kann ich mir vorstellen, daß es die allumfassende Gerechtigkeit geben wird. Auch im konkreten Fall erscheint mir die erforderliche Bürokratie überzogen, die damit verbunden wäre (wer prüft wiederholend die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Begünstigungen, welche zahlreichen Ungleichstellungen wären auch in den vielfältig anders gelagerten Lebenssituationen aussichtsreich zu beanstanden, …)
Trotzdem viel Erfolg ! (zur Bewustseinsbildung von uns nicht Betroffenen kann es sicher dienlich sein).
Klaudia Karoliny,
20.08.2004, 17:59
… das hoffe ich auch, und wünsche Herrn Auer viel Glück, um zu seinem Recht zu kommen! Ich danke auch für das Engagement in Sachen Gleichstellung. Es wird nur so gehen, wenn wir uns gegen Unrecht selbst wehren und uns immer wieder auch selbst zu Wort melden!
Günther Faulhuber,
20.08.2004, 16:39
Sehr gute Idee! Ich wuerde mich der Klage sofort als Beteiligter anschliessen oder eine Parallelklage einreichen, wenn da nicht die Kostenfrage waere. Sollte, wie in Salzburg, auch in Wien eine Institution die Prozesskosten uebernehmen wuerde ich mich, als Betroffener, sofort zur Verfuegung stellen!
Anonymous,
20.08.2004, 12:17
Im Leserforum vom Standard online zu lesen: http://derstandard.at/?id=1761717
BBC: 1 Woche – ca. 800 Filme/Sendungen mit UT; ORF: 1 Woche – ca. 70 Filme/Sendungen mit UT; ARD/ZDF/3.Programm: 1 Woche – ca. 250 Filme/Sendungen mit UT. England (4 Sender) – ungefähr 200 UT-Sendungen pro Sender in einer Woche. Österreich (2 Sender) – ca. 35 UT-Sendungen pro Sender in einer Woche. Deutschland (11 Sender) – ca. 22 UT-Sendungen pro Sender in einer Woche. UT in deutschsprachigen Ländern ist dzt. qualitativ und quantitativ noch im Rückstand.
Anonymous,
20.08.2004, 11:49
Höchst interessant – ich würde auch als Hörende gerne wissen, wer jetzt wirklich die Rundfunkgebühren verwendet, die wir zahlen.
Gerlinde Wrießnegger,
20.08.2004, 10:58
wir, die gehörlosen aus Kärnten, sind die gleichen Meinung wie Hr. Auer, warum müssen wir vollen Gebühr zahlen, wenn wir nicht alles mitverfolgen können, wenig Untertitel, kaum Gebärdensprachdolmetscheinblendung usw.
Sigo Bachmayer,
20.08.2004, 10:46
Die Salzburger Gehörlosen haben wirklich den Mut, dagegen zu tun. Da haben sie und die Stadt Salzburg meinen Respekt. Die Informationsbarriere ist eine Verletzung des bürgerlichen Grundrechts und der Gleichheit. Wenn das Verfassungsgerichthof den Fall der Gehörlosen zustimmen würde, kippt das höchste Gericht das österreichische Verfassungskonvent bzw. das neue/alte, zahnlose Behindertengleichstellungsgesetz um. Es geht ja ums Prinzip, das jeden angeht. Wenn nicht, für was zahlen alle Gehörlosen Steuern? An liebe(n) gehörlose(n) BürgerInnen: Kämpfe weiter! Macht die Salzburger Aktion mit!
Franz Werfel,
19.08.2004, 12:44
Herzlichen Dank an die fortschrittliche Stadt Salzburg. Viel Glück bei dem Prozeß gegen Sendekolchose!
meia,
18.08.2004, 22:43
Das Bundeskanzleramt meint in einer Stellungnahme dazu, dass die staatlichen Rundfunkgebühren nicht dem ORF zugute kommen würden, berichten die Salzburger Nachrichten. Deshalb gebe es keine Verbindung zu seinem TV-Programm. Gebühren seien ja auch zu zahlen, wenn kein Programm empfangen würde, heißt es. Diese Argumentation verstehe ich beim besten Willen nicht. Wem kommen dann die ORF Gebühren zu Gute?