Weil wir behinderten Menschen immer wieder mit Benachteiligungen und Barrieren in der Gesundheitsversorgung konfrontiert sind, brauchen wir ein Behindertengleichstellungsgesetz!
Wer kennt sie nicht, die oftmals unüberwindlichen Barrieren und Benachteiligungen behinderter Menschen bei Arzt- oder Spitalsbesuchen:
- Arztpraxen haben zumeist keinen barrierefreien Zugang (Stufen, kein Aufzug, zu schmale Türen)
- Arztpraxen haben zumeist kein behindertengerechtes WC
- wenn ein behinderter Mensch eine Arztpraxis mangels Barrierefreiheit nicht benutzen kann, bleibt nur die Spitalsambulanz; dafür muss man jedoch – anders als für den herkömmlichen Arztbesuch – Ambulanzgebühren zahlen
- in Spitälern gibt es keine tastbaren Bodenleitsysteme und kaum einen Begleitservice für sehbehinderte und blinde Menschen
- Aufzüge in Spitälern haben oftmals keine tastbare Beschriftung oder Sprachausgabe für sehbehinderte und blinde Menschen
- geistig behinderte PatientInnen werden oftmals gezwungen, sich nur mit Vollnarkose behandeln zu lassen
- Ärzte und Pflegepersonal verfügen so gut wie nie über Gebärdensprachkenntnisse, so dass ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch zwischen einem gehörlosen/gehörbehinderten Patienten und dem Arzt/Pfleger nicht möglich ist
- Ärzte und Pflegepersonal verfügen zumeist über keine oder mangelhafte Kenntnisse über den Umgang mit behinderten PatientInnen, woraus unnötige Schwierigkeiten, Diskriminierungen und Stressfaktoren für behinderte PatientInnen entstehen
- der Freizeitfahrtendienst für behinderte Menschen in Wien darf nicht für Arztfahrten verwendet werden und eine allfällige Genehmigung der Krankenkasse für einen Transport ist nur mit einem erheblichen bürokratischen Hürdenlauf möglich …
Alle diese Benachteiligungen und Diskriminierungen gehören leider zur Lebensrealität behinderter Menschen! Behinderte Menschen werden damit in diskriminierender Weise vom österreichischen System der Gesundheitsversorgung über weite Strecken ausgeschlossen!
Abhilfe könnte da jedoch ein Behindertengleichstellungsgesetz schaffen, das z. B. folgendes anordnen könnte:
- Arztpraxen und Spitäler müssen entsprechend den ÖNORMEN für behindertengerechtes und barrierefreies Bauen errichtet werden
- Ärzte und Pflegepersonal müssen eine hinreichende Stundenzahl zum Thema „Umgang mit behinderten PatientInnen“ im Rahmen ihrer Ausbildung unterrichtet werden
- Spitäler haben mit tastbaren Bodenleitsystemen zu einem Servicepoint und Aufzügen mit tastbarer Beschriftung und Sprachausgabe ausgestattet zu sein; sie müssen auch einen funktionierenden Begleitservice anbieten
- Spitäler haben für entsprechende Kommunikationsmöglichkeiten mit gehörbehinderten oder gehörlosen Menschen – etwa durch Gebärdensprachdolmetsche oder in Gebärdensprache geschulte Ärzte – zu sorgen
- der Freizeitfahrtendienst in Wien darf auch für Arztfahrten verwendet werden …
Diese Rechte könnten behinderte Menschen dann in einem Verfahren auch durchsetzen und könnten mit einem sogenannten Verbandsklagerecht auch einen ihnen nahestehenden Verein mit der Führung dieses Verfahrens betrauen. Sollte durch eine Diskriminierung ein Schaden entstehen, so könnte der behinderte Mensch auch Schadenersatz und/oder Schmerzensgeld verlangen, ja und sogar für Kränkungen oder Herabwürdigungen könnte ein sogenannter ideeller Schadenersatz verlangt werden. Durch eine sogenannte Beweislastumkehr müsste der behinderte Mensch aber nicht beweisen, dass er nur wegen seiner Behinderung diskriminiert wurde, sondern der Arzt, die Pflegeperson oder das Spital hätten zu beweisen, dass das nicht so ist.
Darum ist es wichtig, dass alle behinderten Menschen ein Behindertengleichstellungsgesetz fordern und sich, je nach ihren Möglichkeiten, wo immer es geht, aktiv dafür einsetzen! Behinderte Menschen brauchen keine netten Worte oder soziale Aktionen. Behinderte Menschen brauchen Rechte auf chancengleiche und gleichberechtigte Teilhabe an allen Bereichen des täglichen Lebens!