Ein Tabu? Behinderung und Sexualität

Zweifellos sind sowohl Behinderung als auch Sexualität Themen, die lange tabu waren und es teilweise auch heute noch sind.

Sexualität
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Sie rufen, zumal sie gemeinsam auftauchen, Angst und Unsicherheit hervor. Behinderte Menschen werden in der Regel als geschlechtslose Wesen angesehen und auch dementsprechend behandelt.

Dies ist auch eine Erklärung dafür, daß Mann/Frau/Eltern/Betreuer und wir versuchen, behinderte Menschen so lange wie möglich als Kinder anzusehen, zu versorgen, anzukleiden, anzusprechen und zu „halten“.

Mit großem Eifer wird Ausgleich angepriesen; die Alternativen lauten dann: „eine hochwertige Berufsausbildung, gesunder Leistungsehrgeiz, befriedigende Arbeit und Pflege persönlicher Interessen“ – was das auch immer heißen mag.

Sexualität ist mit dem Mensch-Sein untrennbar verbunden und darf daher auch keinem behinderten Menschen abgesprochen werden.

Auch die Lösung sexueller Probleme gehört zur Rehabilitation behinderter Menschen und nicht nur die berufliche und wohnliche Integration. In Heimen beispielsweise bemüht man sich darum, sexuelle Wünsche einzudämmen, um möglichst keine „schlafenden Hunde“ zu wecken. Ganz abgesehen von den strengen und unmenschlichen Regeln und Heimordnungen, die es Heimbewohnern von vornherein schwierig bis fast unmöglich machen, überhaupt in Kontakt zu kommen, geschweige denn einen intimen Bereich zum Rückziehen für sich zu beanspruchen.

Oft findet man in Heimen z. B. Glasscheiben in den Aufenthaltsräumen, um die „Behinderten“ besser zu kontrollieren, die Toiletten sind nicht verschließbar, getrennte Frauen- und Männergruppen bzw. Männer und Frauen sind überhaupt stockweise getrennt. Gleichgeschlechtliche Betreuer sind die Regel.

Bei einer Umfrage unter Heimleitern war zu hören: „Die Problematik haben wir ja nicht, da die Leute sehr schwer behindert sind …. überhaupt wird heute auf der ganzen Welt die Sexualität hochgespielt. Ich sehe keinen Sinn darin, auch noch die Behinderten damit zu konfrontieren, sie haben sonst schon genug Probleme“.

Jeder Mensch besitzt Sexualität. Die Fähigkeit, sich sexuell ausleben und ausdrücken zu können, trägt in entscheidendem Maße zu unserem Selbstwertgefühl bei. Fast alle behinderten Menschen sind in der Lage, ein sexuelles Leben führen zu können. Spezielle Beratung, Aufklärung und ein Minimum an physikalischer Hilfe sind dafür von großer Wichtigkeit. Forscher haben z. B. beobachtet, wie sich das Leben von schwerst-behinderten Menschen durch zärtliche Sexualität positiv verändert hat.

Zwei kurze Auszüge aus dem Buch: „Herz im Korsett“ von Ursula Eggli.

„Da kann ein Mann lange erklären, er sehe ein Mädchen nicht als invalid an, er habe es total akzeptiert. Solange es kameradschaftlich ist, sicher, freundschaftlich auch. Aber sobald es um den Sex geht, um den Körper, da hört diese vielgepriesene Akzeptanz bald auf. Da sind die besten Freunde plötzlich erstaunt, sogar entsetzt, daß eine Freundin eine Frau ist, daß die Kollegin auch andere Bedürfnisse hat als nur zu diskutieren“.

„Ich glaube völlig integriert, akzeptiert und emanzipiert sind wir erst, wenn es auch mit dem Sex klappt. Nicht bei uns, bei den anderen. Bei uns würde es ja klappen, ich bin ja normal. Theres ist normal. Die körperlichen Funktionen sind normal. Nur das Aussehen und die Leistung ist nicht normal, nicht den Normen der Reklameschönheiten und der Leistungsgesellschaft entsprechend“.

Phantasie, Flexibilität und das Verständnis für den anderen sind wichtige Grundlagen für eine Beziehung, bei der ein Partner (oder beide) behindert sind. Es gibt Situationen, die man mit Worten nur schwer be-schreiben kann.

Wenn man z. B. zu ganz unkonventionellen Zeiten Lust bekommt, sich zu spüren, sich aneinander zu kuscheln, sich nahe zu sein, miteinander ins Bett zu gehen, wird dies oft nicht so harmonisch und erotisch ablaufen, wie man das so oft im Kino serviert bekommt. Es kann sein, daß man den Partner erst ausziehen, ins Bett legen oder aufs WC bringen muß – und bei all diesen Hilf-reichungen die Erregung wieder nachläßt.

Manchmal wird man sich dann überlegen, ob man all diese „Anstrengungen“ auf sich nimmt, um eine Stunde miteinander gemütlich im Bett zu verbringen. Oder aber es werden sich beide entscheiden, sich einmal mit intensivem Schmusen und Umarmen zu begnügen. Oft liegt das Problem einer Beziehung zwischen Klassisch- und Normal-behinderten nicht an solchen Situationen, denn beide wissen ja am besten, was ihnen gefällt und wie es schön für beide ist.

Die schwerwiegendsten Probleme und oft Gründe für den Abbruch einer solchen Be-ziehung entstehen durch das Umfeld. Durch sogenannte Freunde, Eltern und Bekannte, die es ja „so gut“ mit dem behinderten oder nichtbehinderten Partner meinen, aber auch durch falsche Reaktionen der anderen und langanhaltende Vorurteile unserer Gesellschaft.

Es gibt so viele Gründe,
alles beim alten zu lassen und
nur einen einzigen, doch endlich
etwas zu verändern: du hältst es
einfach nicht mehr aus.

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