Hörfilme für sehbehinderte und blinde Menschen via Audiodeskription

Film und Fernsehen verbreiten wie kaum ein anderes Medium Information, dienen der Bildung, lassen Kultur auf spannende und phantasievolle Weise erleben!

Audiodeskription - Cartoon
Ulli Krispl

Auch sehbehinderte und blinde Menschen lieben es fernzusehen, ins Kino zu gehen, eine DVD anzuhören. Durch die akustische Wahrnehmung genießen blinde und sehbehinderte Menschen diese Medien wie ein Hörspiel; da dabei jedoch primär die visuelle Wahrnehmung angesprochen wird, kommt es natürlich immer wieder vor, dass Geschehnisse in einem Film nicht akustisch wahrgenommen werden können und dem sehbehinderten oder blinden „Hörer“ damit oftmals wichtige Informationen fehlen. Dem soll durch die sogenannte Audiodeskription (oder im englischsprachigen Raum Videodescription) – akustische Beschreibung – abgeholfen werden. Akustischen Untertiteln vergleichbar, beschreibt eine Audiodeskription in knappen Worten zentrale, akustisch nicht wahrnehmbare Elemente der Handlung sowie Gestik, Mimik und Dekors. Die Bildbeschreibungen werden in den Dialogpausen eingesprochen. Audiodeskription macht aus einem Film einen blinden- und sehbehindertengerechten Hörfilm.

Beispiel:

Stellen Sie sich eine Krimiszene vor. Zwei Personen unterhalten sich; plötzlich erscheint eine Hand mit einem Messer im Hintergrund, die natürlich akustisch nicht wahrnehmbar ist. Als Audiodeskription hört man im Kanal 2 dann z. B. „eine Hand mit einem Messer erscheint von hinten“.

Die Deutsche Hörfilm gGmbH (DHG) – die Nachfolgerin des Projekts „Hörfilm“ des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, widmet sich seit einigen Jahren eben dieser Erschließung visueller Medien für blinde und sehbehinderte Menschen, macht Fernsehen und Kino, Video und DVD durch akustische Bildbeschreibungen (Audiodeskription) für sehbehinderte und blinde Menschen zugänglich.

Arbeitsschwerpunkte der DHG sind die Vergrößerung des Hörfilm-Angebots, ein Info-Service für die Nutzer sowie die Erschließung weiterer Segmente des kulturellen Lebens für blinde und sehbehinderte Menschen. Die DHG produziert Hörfilmfassungen für Fernsehen und Kino sowie Video und DVD und bietet auch Ausbildungen für Filmbeschreibung/Audiodeskription an. Dabei arbeitet die DHG beispielsweise mit dem ZDF, dem SWR, Sat.1, Kinowelt Home Entertainment und VCL zusammen.

Das Projekt Hörfilm des DBSV hat von 1998 bis 2001 Grundlagenarbeit für die Audiodeskription geleistet. Wurden 1997 lediglich 8 Hörfilme im TV ausgestrahlt, so gab es im Jahr 2000 bereits 147 Hörfilm-Sendetermine. Die ersten 8 DVDs mit Audiodeskription entstanden; die Berliner Hörbücherei bot auch als erste derartige Einrichtung Videos und DVDs mit Audiodeskription zum Verleih an. War Audiodeskription anfangs nur etwas für selbst betroffene behinderte Menschen und Insider, machten Hörfilm-Aufführungen bei der Berlinale das Medium dann einem breiteren Publikum bekannt.

Das Bayerische Fernsehen war 1997 der erste Sender in Deutschland, der ein regelmäßiges Angebot von Hörfilmen in sein Programm aufnahm. Das Engagement des BR wurde 1999 mit dem Integrationspreis des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes und in weiterer Folge auch mit dem vor kurzem erstmals vergebenen Deutschen Hörfilmpreis des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes ausgezeichnet.

Doch Hörfilme mit Audiodeskription wurden bei den unterschiedlichsten Sendern nach und nach etabliert. Franz-Josef Hanke berichtete im Frühjahr 1999 für die „Hessen-Feder“ über die Veranstaltung „Anders sehen – Chancen und Risiken der Digitalisierung im Rundfunk für Blinde und Sehbehinderte“ am 14. Dezember 1998 im ZDF-Kongresszentrum Mainz: „100.000 DM hat das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) für 1999 in seinen Etat eingestellt, um damit 10 Filme mit Audiodeskription zu versehen. Ebensoviel investieren auch der Bayrische Rundfunk (BR) und der Westdeutsche Rundfunk (WDR) in jeweils 10 Hörfilmproduktionen. Angesichts der Millionenbeträge für die Herstellung von Filmen schlägt die Aufbereitung für Blinde nicht gerade stark zu Buche. Dennoch hinken deutsche Fernsehsender hier den amerikanischen, englischen und französischen TV-Kanälen hinterher, die die Audiodeskription schon länger und inzwischen auch umfangreicher betreiben.“ Mittlerweile haben der ARD, ARTE, der Bayrische Rundfunk, MDR, der SWR, das Westdeutsche Fernsehen und ZDF Hörfilme in ihr Programmangebot aufgenommen.

Ausgestrahlt werden Hörfilme im Zweikanal-Ton. Notwendig für den Empfang ist ein Stereo-Fernseher oder Stereo-Videorecorder, bei Satellitenempfang ein Stereo-Satellitenreceiver. Auf Spur 1 ist der normale Filmton ohne Audio-Description, auf Spur 2 eine Mischung aus Filmton und Audio-Description zu erleben.

Das Spektrum des Hörfilmangebotes im deutschen Fernsehen ist groß und reicht von Krimiserien, wie Tatort, bis hin zu deutschen und internationalen Spielfilmen, wie etwa „Mondsüchtig“, „In and out“, „Die unteren Zehntausend“, „Dead man walking“, „Goldfinger“ …

Diese Hörfilme sind in den Programmzeitschriften mit einem durchgestrichenen Auge gekennzeichnet und können auch über die einschlägigen Programmseiten der Sendeanstalten im Internet abgerufen werden.

Und wie sieht das Hörfilmangebot im ORF aus? Nun, eine aktuelle Anfrage beim Kundenservice war eher ernüchternd, denn dort kannte man „Audiodeskription“ zunächst gar nicht. Laut dem technischen Dienst des ORF, zu dem wir dann weiterverbunden wurden, seien in der Vergangenheit 2 bis 3 Filme mit Audiodeskription im ORF gesendet worden. Das Echo darauf sei allerdings nicht überwältigend gewesen. Derzeit sei deshalb nicht geplant, eigene Produktionen mit Audiodeskription ausstatten zu lassen, da das Verfahren sehr aufwändig und teuer sei. Lediglich, wenn bei einer Koproduktion – z. B. mit dem ZDF, dem Bayrischen Rundfunk … – die Audiodeskription schon mitumfasst wäre oder Filme anderer Sender eingekauft werden, die bereits über Audiodeskription verfügen, würden solche Hörfilme im ORF auch angeboten und in den Programmankündigungen des ORF auch entsprechend gekennzeichnet werden.

Nun, wie man sehen und hören kann, ticken die Uhren in Österreich offenbar etwas anders als in Deutschland, wo gerade in den Weihnachtsferien nahezu täglich Filme mit Audiodeskription gesendet werden. Da bleibt nur eines: „Auch in Österreich muss seitens der Behindertenbewegung mehr Druck gemacht werden, um die Position des ORF auf den international beobachtbaren „Behindertengleichstellungskurs“ der Massenmedien zu bringn! Denn gerade das öffentlichrechtliche Fernsehen hat einem gesetzlichen Auftrag zu folgen, für den auch das Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen in Art. 7 Abs. 1 B-VG gilt“, so Mag. Michael Krispl, der selbst blinde Jurist und Bürgerrechtler des Vereines Blickkontakt.

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