Kein Krankenstand in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen

Volksanwaltschaft kritisiert, dass Zeiten der Krankheit vom „Urlaubsanspruch“ abgezogen werden – „Lohn statt Taschengeld“ umsetzen!

ORF-Screenshot zum FSW-Thema Fehltage in Bürgeranwalt vom 3. Februar 2024 - Titel: Arbeit ohne Urlaub?
ORF

Menschen mit Behinderungen bekommen in den „Werkstätten“, in denen sie arbeiten, nur Taschengeld statt Lohn. Das kritisiert die Volksanwaltschaft schon lange.

Nun ist ein neuer Aspekt des Problems aufgetaucht: Weil die Beschäftigung von Christian S. nicht als Arbeitsverhältnis gilt, kann er auch nicht in Krankenstand gehen. Die Zeit, die er krank war und in der Werkstatt gefehlt hat, wurde ihm von den 50 jährlich erlaubten Fehltagen pro Jahr abgezogen.

Nun hat er keine Tage mehr übrig, um auf Urlaub zu gehen oder Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Denn für jeden zusätzlichen Fehltag müsste er 60 Euro zahlen – unleistbar!

ORF-Screenshot zum FSW-Thema Fehltage in Bürgeranwalt vom 3. Februar 2024
ORF

„Das ist ein klarer Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, denn auch Menschen mit Behinderung haben ein Selbstbestimmungsrecht über ihren Aufenthaltsort sowie ein Recht auf Familienleben“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz.

In der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ am 3. Februar 2024 unter dem Titel „Fehlende Unterscheidung von Urlaub und Krankenstand“ sieht auch ein Vertreter von Jugend am Werk, der Trägerin der Einrichtung, wo S. arbeitet, Änderungsbedarf.

Und auch im Fonds Soziales Wien (FSW), der die Regelung mit den Fehltagen vorschreibt, sagte man zu, über Änderungen nachdenken zu wollen. Man müsse aber sorgsam mit öffentlichen Mitteln umgehen, sie müssten effizient eingesetzt werden.

„Lohn statt Taschengeld“: Bericht des Sozialministeriums ist da, jetzt Umsetzung angehen!

Achitz verweist auf den Sonderbericht „Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung“, in dem die Volksanwaltschaft vor mehr als vier Jahren Lohn statt Taschengeld sowie sozialversicherte Arbeitsverhältnisse für Menschen in „Werkstätten“ gefordert hat:

Die Umsetzung würde wohl auch bedeuten, dass Herr S. wie andere Arbeitnehmer*innen in Krankenstand gehen könnte, ohne dass dadurch sein Urlaubsanspruch verfällt.

Die Bundesländer sind ebenso gefordert wie der Bund. Das Sozialministerium hat einen Bericht angekündigt, der nun mit großer Verspätung endlich vorliegt.

Achitz: „Jetzt müssen alle Beteiligten rasch in die Gänge kommen, damit ‚Lohn statt Taschengeld‘ noch in dieser Gesetzgebungsperiode Wirklichkeit wird. Und die dauert planmäßig nur mehr bis September.“

Niederösterreich ignoriert Recht auf Selbstbestimmung, das durch UN-BRK garantiert wird

Auch in Niederösterreich haben Menschen mit Behinderungen Probleme mit limitierten Fehltagen. Gerhard A. etwa lebt in einer Einrichtung, aber die Wochenenden will er bei seinen Eltern verbringen.

Seine Mutter holt ihn jedes Wochenende nachhause. Er darf aber auf maximal 82 Fehltage im Jahr kommen – wenn er also jedes Wochenende von Freitag bis Sonntag oder gar Montag nicht in der Einrichtung übernachtet, geht sich das nicht aus. Und für Urlaub bleiben sowieso keine Tage mehr übrig.

Seine Mutter holt ihn daher samstags in der Früh mit dem Auto ab und bringt ihn am Abend zurück. Am Sonntag wiederholt sich die Tour.

„Österreich hat die UN-BRK unterzeichnet, Niederösterreich muss die freie Wahl des Aufenthaltsorts ermöglichen“, hat Volksanwalt Achitz schon vor einem Jahr in „Bürgeranwalt“ von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner gefordert, doch das Land Niederösterreich hat sich um keinen Millimeter bewegt.

Das Argument, dass die Einrichtung, in der A. lebt, öffentlich finanziert sei und daher auch am Wochenende voll belegt sein müsse, lässt Achitz nicht gelten:

Für Menschen mit Behinderungen gilt das Recht auf Selbstbestimmung des Aufenthaltsorts genauso wie für alle anderen Menschen. Auch wer in einer öffentlich finanzierten Gemeindewohnung lebt, darf diese schließlich am Wochenende verlassen, um Urlaub zu machen oder Zeit mit der Familie zu verbringen.

Siehe: Sonderbericht der VolksanwaltschaftSonderbericht in Leicht Lesen

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

7 Kommentare

  • Ein schönes Hallo.
    Es klingt ja so das Gesetz, das unsere Behinderten Kinder eingesperrt sein müssen.
    STEINZEITALTER.
    Das Sozialamt sollte mal 4 Wochen in einer WG arbeiten ! Dann würden sie sehen das auch diese Menschen Bedürfnisse haben wie wir.Sport Kunst Unterhaltung……… Ich weiß das alles viel Geld kostet. Trotzdem darf man sie nicht von Eltern Verwandten verbannen.
    Ich musste meine Tochter auch in eine Wg. Geben da ich 45h Vollbeschäftigung war. TD und ND.
    Nochmals wir geben unsere Kinder nicht weg weil uns Spaß macht!!!!!
    Liebe Grüße Elfriede Leitgeb

  • Nicht nur in Niederösterreich gibt es Probleme mit den sogenannten Fehltagen in Wohngemeinschaft in Wien gibt es nur 72 Tage im Jahr Menschen mit Behinderung dürfen und können entscheiden ob sie sich duschen wollen oder ihre Zähne putzen (um nur einige Sachen anzusprechen) haben ja ein selbstbestimmtes Leben sie dürfen aber nicht entscheiden wie oft sie mit Freunden oder ihren Angehörigen ihre Wochenende oder Urlaub verbringen.

  • Dies ist auch in Wien so , meine Schwester wohnt in einer WG und kann nicht selbst bestimmen ob sie jedes Wochenende nach Hause zu Ihrer Familie kann, aufgrund von Fehltagen.
    Man sollte jedoch bedenken, das auch Eltern von Menschen mit besonderen Bedürfnissen älter werden und die Besuche sich ja verringern werden oder gar aufhören. Wenn die Familiäre Situation sich verändert.
    Inklusion wird immer nur dann angewandt wenn es gerade von Vorteil ist.

  • Schon vor 40 Jahren versuchte ich gegen diese Zwänge anzukämpfen. Bis zum Bundespräsidenten…Alles sei aus heilpädagogischen Gründen so geregelt…Mit selbstbestimmtem Leben hat das nichts zu tun!
    Das Schema ist: 3xtäglich Psychopharmaka und essen.
    Für Spaziergänge keine Möglichkeit da Personalmangel. So erlebte ich da seinerzeit!Wenn sich Eltern an Wochenenden und Urlauben um Sport und Förderungen bemühen müsste man eigentlich froh darüber sein. Krankenstände von den Urlaubszeiten abzuziehen ist sehr ungerecht, überhaupt in Covidzeiten!
    Diese Zwänge bewegten mich dazu mich 1994 von meinem geliebten Beruf in Frühpension zu begeben. Nun bin ich 87+und brachte meine Tochter in einer liebevollen Tagesstruktur und WG unter. Ich bin entsetzt, dass sich punkto Fehltagen noch immer nichts geändert hat! Kardinal König sagte, die Familie ist die wichtigste Zelle eines Staates. Recht auf Familie wäre auch ein Argument❣️
    Nur durch Sport und behutsames Integrieren in Gesellschaft wurde aus meiner schwer autistischen Tochter ein einigermaßen gesellschaftsfähiger Mensch….Zurücklehnen kann man sich nicht…

  • Der Kontakt zu den Angehörigen ist sehr sehr wichtig
    Bei Freizeitaktivitäten wie Sport oder Urlaube um andere Menschen kennen zu lernen.
    Diese können beim Kontakt
    Mit beeinträchtigen Mitmenschen ihre Vorurteile neu überdenken.
    Ich habe das mit meiner Tochter oft erlebt auf vielen
    Reisen die ich Michaela unternommen habe.
    Ich hoffe dass dieses Gesetz endlich umgesetzt wird

  • Das Modewort..Inklusion.. verstehen das die Personen, die die wunderbaren Gesetze für unsere Kinder mit Behinderung machen? ..nein. alle diese müssten mindestens 4 Wochen
    In einer Behinderten Einrichtung arbeiten, um zu urteilen und Gesetze zu bestellen.
    Gerade für diese Personen ist es wichtig, den Kontakt mit den Eltern aufrecht zu erhalten.

  • Nur zu“hoffen“,dass dieses mal „Volksanwalt“ mehr“Gewicht“ erhält,Zeit wäre es!