Als gehörlose Person barrierefrei und unkompliziert mit Unternehmen und Organisationen zu kommunizieren, kann schwierig sein.
Zwei Beispiele aus dem Alltag gehörloser Menschen zeigen, welche Konsequenzen es haben kann, wenn bei der Barrierefreiheit auf die Möglichkeit der lückenlosen Kommunikation vergessen wird.
Das erste Beispiel betrifft die Lufthansa:
„Hallo. Ich bin gehörlos. Und ich kann Ihr Servicecenter in Kanada nicht erreichen. Ich brauche Hilfe, mit meinem gebuchten und umbuchbaren Flug. Mit ihrem Onlinesystem komme ich nicht zur Umbuchung. Es sagt mir, ich muss mich an Ihr Servicecenter wenden, aber es gibt keine Email-Adresse. Bitte helfen Sie mir.“
Diese Anfrage eines Twitter Users an die Lufthansa zeigt ganz klar einen blinden Fleck der Lufthansa in Bezug auf Barrierefreiheit. Denn die Möglichkeit zu telefonieren, kann ein gehörloser Menschen nicht nutzen. Somit steht man als gehörloser Mensch vor einem großen Hindernis. Ärgerlicher ist auch die Antwort, die von der Lufthansa kam.
Leider könne man ihm nicht weiterhelfen. Man habe keinen Zugang zum Buchungssystem. „Bitte rufen Sie unser Servicecenter an.“
Noch einmal wird darauf hingewiesen, dass der Kunde ja nicht hören kann und dass es ihm nicht möglich sei, in einem Servicecenter anzurufen. Doch immer noch scheint man das Problem nicht zu begreifen, denn die Antwort der Lufthansa lautet folgendermaßen:
Umbuchungen werden mit unserem Kundenserviceteam abgewickelt. Es gibt keine Email-Adresse zur Umbuchung der Tickets. Bitte versuchen Sie es weiter. Es tut mir leid.
Ein kleines Detail von großer Wichtigkeit
Ein Blick auf die Internetseite der Lufthansa zeigt, dass sich das Unternehmen grundsätzlich mit dem Thema barrierefreies Reisen auseinandergesetzt, dort, wo es auch gesetzlich verankert ist.
So ist es z.B. möglich, den Unterstützungsbedarf sowohl telefonisch als auch online anzugeben. Das gilt aber leider nicht für die Buchung und für die Reservierung.
Das Einzige, was zusätzlich für Fluggäste mit Hörschädigung angeboten wird, ist ein sogenannter Relay-Dienst. Das wird aber nur für Fluggäste, die in den USA leben, angeboten.
Ein Relay-Dienst bietet die Möglichkeit, die Kontaktaufnahme über übliche schrift- oder videobasierte Telekommunikationsgeräte abzuwickeln. Die Nachricht wird durch eine geschulte Person in eine Sprachnachricht umgeformt und weitergeleitet. Das funktioniert entweder mit simultan ablaufender Gebärdensprach-Video-Dolmetschung oder über ein Telefon mit zusätzlichem Video-Bildschirm.
Das heißt, zuerst kommt das Anliegen zu einer Gebärdensprach-Dolmetscherin oder einem Gebärdensprach-Dolmetscher. Diese oder dieser ruft dann wieder das Unternehmen an und übersetzt das Anliegen des gehörlosen Menschen. Das ist sehr umständlich.
Andere Serviceleistungen auf der Internetseite der Lufthansa, wie z.B. der Lufthansa medical desk können nur telefonisch kontaktiert werden. Einzig und allein der Betreuungsbedarf kann online angemeldet werden.
Doch damit auch potenzielle Fluggäste mit Hörbehinderung die Angebote der Lufthansa barrierefrei nutzen können, wäre ein Online-Formular oder die Kommunikation per E-Mail notwendig.
Auch bedenklich ist, dass dem Mann im Twitter Beispiel nicht einmal die Möglichkeit des Relay-Anrufes genannt wurde und er immer wieder auf ein Telefonat verwiesen wurde.
Erschreckendes Beispiel aus Deutschland
Nicht nur die Lufthansa vergisst bei Barrierefreiheit auf die Bedürfnisse gehörloser Menschen, sondern auch die Polizei, wie ein bedenkliches Beispiel aus Bayern zeigt. Wie in einem Artikel des Stern berichtet, wollte eine gehörlose Frau den Notruf kontaktieren, da sie Brandgeruch in ihrer Wohnung wahrnahm. Dafür nutzt sie einen Relay-Dienst.
Die Dolmetscherin vom Telefonvermittlungsservice möchte mit dem Polizeibeamten sprechen und das Anliegen der gehörlosen Frau mitteilen. Dieser ist mit der Situation völlig überfordert und glaubt, es handele sich um einen Scherzanruf, da er nicht mit der Person direkt sprechen kann. Er wird unhöflich und sogar laut.
Einige Zeit später entschuldigte sich die Polizei für das Verhalten des Mitarbeiters. Auch in diesem Beispiel scheint man völlig vergessen zu haben, dass Barrierefreiheit auf alle Behinderungen und auf alle Serviceleistungen des Unternehmens und der Organisation bezogen sein muss.
Die mangelnden Kommunikationsmöglichkeiten für gehörlose Menschen, die im Falle der Lufthansa schon sehr ärgerlich sind, sind im Falle eines Notrufdienstes gefährlich. Denn wenn ich nicht barrierefrei kommunizieren kann, wie soll mir dann im Falle eines Notrufs geholfen werden?
Elisabeth Humpelstetter
14.02.2022, 14:29
Es wäre interessant, ob die Polizei auf diese Problematik reagiert hat und nachhaltig etwas verbessert hat.
Kritiker
14.02.2022, 10:20
Ein ähnliches Problem haben wir auch bei Personen mit Sehbeeinträchtigungen. Medikamentenschachteln sind nicht barrierefrei, sodass man nicht nachvollziehen kann, ob ein Medikament noch für den Gebrauch vorgesehen ist oder schon abgelaufen, bzw. denken wir an die nicht barrierefreien Gurgeltests in Wien.
Personen mit Wahrnehmungsbehinderungen werden leider generell vergessen, da offenbar noch davon ausgegangen wird, dass diese Menschen betreut würden.