So notwendig der Monitoringausschuss für die Beachtung und die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen ist, so unverzichtbar sind seine öffentlichen Sitzungen.
Alle fünf bis sechs Monate tagt der Monitoringausschuss in aller Öffentlichkeit, zuletzt in Salzburg. (siehe Fotos von Christian Treweller)
Rund 200 Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter und Interessierte waren am 23. April 2013 gekommen und haben sich 3,5 Stunden lang mit Stellungnahmen, Wünschen und Anregungen zum Thema „barrierefreie Gesundheitsversorgung“ beteiligt.
Warum sind öffentliche Sitzung wichtig?
Dieses Form der öffentlichen Diskussion ist deshalb unverzichtbar, weil kein anderes Gremium und keine wissenschaftliche Studie die vielen unterschiedlichen Sichtweisen und persönlichen Erfahrungen zu einem bestimmten Thema einbringen kann, wie ein Saal mit so vielen engagierten Expertinnen und Experten in eigener Sache.
Gerade das umfangreiche Gesundheitsthema, das jeden und jede Einzelne ganz unterschiedlich betreffen kann, ist für eine öffentliche Diskussion auf breitester Basis geeignet. Auch wenn es in Salzburg wieder eine sorgsam vorbereitete Diskussionsgrundlage gab, bin ich immer wieder erstaunt und beeindruckt, wie viel zusätzliches Wissen in einem Saal mit 200 engagierten Menschen steckt.
Inhalte der Diskussion
Ob es wichtige Detailfragen waren, wie die immer noch mangelhafte Aufklärung der Patientinnen und Patienten in einer Sprache, die alle verstehen oder das stets verdrängte Thema Sexualität oder etwa barrierefreie Medikamente mit Informationen auch für blinde Menschen (in Brailleschrift). Sie alle sind unverzichtbar, wenn wir von einer Gesundheitsversorgung für alle sprechen wollen.
Breiten Raum nahm die Diskussion über nicht oder sehr spät genehmigte Kur- und Rehab-Aufenthalte ein. Wiederholt wurde auf das unterschiedliche und vom Einkommen abhängige Versicherungssystem hingewiesen. Sogar von zeitlichen Lücken im Versicherungsschutz für Menschen im untersten Einkommensbereich wurde berichtet.
Als völlig unzureichend wurde von einigen Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmern die Versorgung mit Rollstühlen bezeichnet. Von ausgemusterten alten Rollstühlen war die Rede, die ohne auf die Bedürfnisse, die Körpergröße und die persönlichen Umstände der Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter Rücksicht zu nehmen, einfach weitergegeben werden. Oder dass kein einsatzbereiter Ersatzrollstuhl bewilligt wird, wenn jemand tagtäglich auf einen E-Rolli angewiesen ist.
Besonders die Situation der Menschen mit psychosozialen Problemen sei weit von einer barriere- und diskriminierungsfreien Gesundheitsversorgung entfernt, wurde betont. Auch die unterstützte Entscheidungsfindung für Menschen mit Lernschwäche in gesundheitlich ernsten Situationen oder bei Patientenverfügungen sei weitgehend noch kein anerkanntes Thema.
Immer wieder wurde beklagt, dass sich viele Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter im Krankheitsfall respektlos behandelt fühlen, dass statt mit ihnen, über sie mit den Angehörigen oder mit dem Betreuungspersonal gesprochen wird. Das Thema „mangelnde Würde“ zieht sich wie ein roter Faden durch fast alle öffentlichen Sitzungen und wurde auch in Salzburg im Bereich Gesundheit immer wieder besonders betont.
Besonderer Gast: Ronald McCallum
Als besonderer Gast wurde gegen Ende der Salzburger Sitzung der weltweit geachtete Menschenrechtsexperte, Professor Ronald McCallum, begrüßt. Mr. McCallum unterrichtete an Universitäten in Australien und Neuseeland und ist ehemaliger Vorsitzender des UN-Monitoringausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Committee on the Rights of Persons with Disabilty, CRPD). Er wird darüber erstmals im Herbst 2013 auch Berichterstatter für den Staatenbericht betreffend Österreich sein, was seine Anwesenheit bei der Sitzung in Salzburg besonders wertvoll machte.
Es war beeindruckend, wie klar und deutlich Mr. Ron McCallum in seinen Grußworten den uneingeschränkten Respekt und die Würde im Umgang mit Menschen mit Behinderungen und ihren Rechten einforderte. Und auch, mit welcher Wertschätzung er von seiner ehemaligen Studentin und unserer Vorsitzenden unseres Monitoringausschusses, Marianne Schulze, sprach.
Es war der Schluss einer sehr intensiven Sitzung mit vielen Aufträgen und Aufgaben für die Zukunft, aber auch mit viel Zuversicht, sie alle zu bewältigen.