Nahaufnahme: Über die (Un)sichtbarkeit von Frauen mit Behinderungen

Ein preisgekrönter Beitrag der ORF-Sendung „konkret“ von Marianne Waldhäusl mit dem Titel „Frauen, die behindert werden“ zeigt fünf starke Frauen mit Behinderungen. Warum es mehr solche Beiträge braucht.

Cornelia Scheuer in ORF-konkret vom 2.4.2021
ORF

„Frauen mit Behinderungen haben keine Präsenz. Sie sind oft zu Hause und trauen sich nicht raus. Das ist ganz anders bei den Männern“, sagt Monika Schmerold.

Sie ist eine der fünf Frauen, die von Marianne Waldhäusl für ihren mit der silbernen MedienLÖWIN ausgezeichneten Beitrag porträtiert wurde.

Der Beitrag, der etwa zwanzig Minuten lang ist, handelt von der Sichtbarkeit von Frauen mit Behinderungen und den Barrieren, mit denen sie im Alltag und auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu kämpfen haben.

Der Beitrag aus dem Jahr 2021 ist durchaus eine Seltenheit, denn wenn es um die gesellschaftliche Sichtbarkeit geht, sind Frauen mit Behinderung einer doppelten Benachteiligung ausgesetzt, denn schon Menschen mit Behinderungen sind in der Gesellschaft wenig sichtbar.

Man sei immer noch nicht den Anblick von Menschen mit Behinderungen gewohnt, erklärt Cornelia Scheuer während ihres Interviews.

Mit ein Faktor dafür sei, dass viele Menschen mit Behinderungen immer noch in Einrichtungen leben und somit in keinen Kontakt mit dem Rest der Gesellschaft kommen.

Nicht umsonst bezeichnet Cornelia Scheuer Behinderteneinrichtungen als Ghetto. Diese gesellschaftliche Unsichtbarkeit trifft Frauen mit Behinderungen in besonderem Maße.

Frauen mit Behinderung zu Wort kommen lassen

Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass Medien Frauen mit Behinderungen zu Wort kommen lassen.

Wenn die Medien Menschen mit Behinderungen zeigen, tun sie dies häufig in einer bestimmten Weise. So werden entweder tragische Schicksale oder Heldengeschichten erzählt. Die Heldengeschichten haben zumeist männliche Protagonisten.

Diese Erzählungen zu durchbrechen, ist die Aufgabe moderner und aufgeklärter Medien. Denn was in den Medien nicht präsent ist, läuft Gefahr, auch gesellschaftlich an den Rand gedrängt zu werden.

Der Beitrag von Marianne Waldhäusl ist weder die Geschichte eines Schicksalsschlags noch die von Helden. Es ist die Geschichte von fünf starken Frauen, die über ihr Leben sprechen und über die Dinge, die sie behindern.

Solche Beiträge vermitteln ein realistisches und ungekünsteltes Bild vom Leben mit einer Behinderung. Ein Leben, das weder besonders heroisch noch bemitleidenswert ist.

Strukturen schaffen

Damit Frauen mit Behinderungen in der Gesellschaft gleichberechtigt leben können, braucht es das System dazu, sagt Monika Schmerold. Aus den Geschichten der Frauen erfährt man, dass Teilhabechancen oft nicht von der eigenen Behinderung, sondern von Barrieren abhängig sind. Cornelia Scheuer beispielsweise ist Schauspielerin.

Während ihrer Ausbildung wurden ihr zahlreiche Barrieren in den Weg gestellt – so wurde ihr zum Beispiel die Möglichkeit verwehrt, an praktischen Schauspielkursen teilzunehmen oder die Ausbildungsstätte war schlicht und einfach nicht barrierefrei.

Bei Sonja Schweighofer war es das zu schwere und nicht barrierefreie Kamera-Equipment, das ihr die Karriere als Videoproduzentin zunächst erschwerte. Aber es sind auch vermeintlich simple Dinge wie nicht barrierefreie Toilettenanlagen oder eine Tür, die die Parkanlage mit dem Rollstuhl unzugänglich macht, die die Teilhabe erschweren.

Alle fünf Frauen haben es geschafft, die Barrieren ihres Alltags zu meistern. Hauptsächlich dadurch, dass sie sich nicht unterkriegen ließen und selbstbestimmt zu ihren Bedürfnissen und ihrer Behinderung standen. Auch das ist eine wichtige Botschaft für andere Frauen in einer ähnlichen Situation.

Vorbilder, keine Heldinnen

Was in den Medien gezeigt wird, hat Vorbildwirkung. Die Alltagsgeschichten dieser fünf Frauen zeigen Möglichkeiten auf, mit der eigenen Behinderung umzugehen und für Selbstbestimmung zu kämpfen.

In einer Gesellschaft, in der Frauen mit Behinderungen immer noch zahlreichen Benachteiligungen ausgesetzt sind, in der die Kategorie „Geschlecht“ immer noch von der Kategorie „Behinderung“ in den Hintergrund gedrängt wird, brauchen Frauen mit Behinderungen andere Frauen mit Behinderungen, an denen sie sich orientieren können.

Hier hat die Paralympische Athletin weniger Vorbildfunktion als selbstbestimmte Frauen, die ihr Leben managen und über ihre Behinderung und Barrieren erzählen. Denn für Frauen mit Behinderungen geht es nicht darum, Höchstleistungen zu erbringen, sondern ein selbstbestimmtes Leben zu leben und zu erfahren, dass sie wichtig sind und gehört werden.

Sich für die Sichtbarkeit von Frauen mit Behinderungen in den Medien einzusetzen, bedeutet letztendlich sich für deren gesellschaftliche Inklusion einzusetzen.

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3 Kommentare

  • Schön wäre es gewesen, wenn ich das Video hätte abrufen können..
    Gute Besserung

  • Ich finde es sehr gut, mutig und wichtig, für die Betroffenen selbst als auch für das Umfeld und die Gesellschaft im Allgemeinen, daß jetzt vermehrt Frauen mit Behinderungen in die Öffentlichkeit treten und für Ihre Angelegenheiten einstehen. Es ist ein wichtiger Prozeß- für die Frauen selbst und ihr Selbstverständnis, fürden Bekannten- und Familienkreis – daß dieser sieht, welch hohe Eigenleistung diese Frauen bringen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Darüberhinaus ist es ganz wichtig für die allgemeine Akzeptanz und Anerkennung in der Gesellschaft, Verständnis zu gewinnen für Behinderungen und zu Lernen, daß es um Vielfalt, Respekt und Lebenssinn, Lebensfreude geht. Es gibt viele starke Frauen, die anderen Mut machen können und das Bild der armen, behinderten Frau, belächelt oder unverstanden, korrigieren und auf diese Weise Vorbildwirkung zeigen. SICHTBARMACHEN!!!