Radiosendung Radio Werk-Klang: Selbstbestimmung in den Medien

Die Februarausgabe 2022 der Sendung „Radio Werk-Klang“ der Katholischen Medien Akademie thematisiert die Problematik der journalistischen Darstellung von Behinderung. Interviewt wurden unterschiedliche Menschen mit ähnlichen Standpunkten.

Eine schwarzweiß Zeichnung stilisiert eine am rechten Bildrand sitzende Frau mit dem Kopf auf den Knien. Die rechte Hälfte der Frau ist schwarz, die linke Hälfte sieht aus als ob viele kleine Stücke aus ihr herausbrechen
Bild von Gordon Johnson auf Pixabay

Zu Beginn der Sendung Selbstbestimmung in den Medien wird erläutert, Sprache würde unser Denken formen, sodass es einen gesellschaftlichen Einfluss hätte, wie über Menschen gesprochen wird. Deswegen trägt Journalismus eine große Verantwortung.

Behinderung steht oft im Vordergrund

Die ersten Interviewpartner*innen sind Katharina Müllebner, seit 2016 im BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben tätig und Redakteurin für die Sendung „barrierefrei aufgerollt“ bei Radio Orange und Manfred Fischer, freier Journalist bei der Braunauer Warte.

Beide nutzen einen Rollstuhl. Müllebner übt Gesellschaftskritik und bemängelt die Bezeichnung „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“, weil diese impliziere, man würde als Mensch mit Behinderung mehr als die normale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beanspruchen.

Nach ihrer Definition kommt der Mensch zuerst, dann die Behinderung. Dabei wäre Behinderung nichts per se Schlechtes, sondern Teil des Lebens, so Müllebner. Sie gibt ein besonders markantes Negativbeispiel an, das veranschaulichen soll, wie in der Berichterstattung der Mensch oft in den Hintergrund gerät, und zwar die Attacke auf Bewohner*innen eines Wohnheimes für Menschen mit Behinderung in Potsdam, Deutschland durch eine Angestellte. Der psychische Zustand der Täterin wurde hervorgehoben, die Schicksale der ermordeten Bewohner*innen hingegen würden nebensächlich wirken, so Müllebner

Fischer argumentiert ebenfalls, dass Behinderung oft als Attribut in Formulierungen, wie „der Blinde“ verwendet wird und somit die Behinderung vorranging wäre. Konstrukte, wie „an den Rollstuhl gefesselt“ würden zudem ein falsches Bild vermitteln. Schließlich ist ein Hilfsmittel etwas, das einem Freiheiten verschafft und keine Barrieren begünstigt.

Das Narrativ des heldenhaften oder bedauernswerten Menschen mit Behinderung

Als positives Beispiel nennt Müllebner einen Beitrag der ORF Sendung „konkret“ über das Portrait von fünf Frauen mit Behinderung. In diesem Beitrag wird das konventionelle Narrativ über Menschen mit Behinderungen thematisiert, denn, wenn Medien Menschen mit Behinderungen zeigen, werden meist entweder tragische Schicksale oder Heldengeschichten erzählt. Der Beitrag hingegen ist „die Geschichte von fünf starken Frauen, die über ihr Leben sprechen und über die Dinge, die sie behindern“, so Müllebner.

Beide wünschen sich jedenfalls mehr Menschen mit Behinderung im Journalismus und einen Diskurswechsel mit einer genauen Auseinandersetzung mit der Thematik durch Journalist*innen.

Beispiele von Menschen mit Demenz in den Medien meist nur Extreme

Nach Müllebner und Fischer kommen Menschen mit Demenz zu Wort. Laut einer Studie des SMS von 2020 leben etwa 115.000 bis 130.000 Menschen in Österreich mit einer Form von Demenz.

Oft würden nur jene an Demenz Erkrankte erwähnt werden, die schon pflegebedürftig sind, so Angela Pototschnigg,  Selbstvertretung bei Alzheimer Austria. 2019 bekam sie die Diagnose. Sie ist überzeugt, dass Journalist*innen von Menschen mit Demenz lernen könnten, wie sich ihre Krankheit anfühle und was sie für den Alltag bedeute. Alzheimer Demenz ist die häufigste Art von Demenz. Motorische und sprachliche Fähigkeiten lassen nach und örtliche und zeitliche Orientierung fallen vielen schwer. Die Art der Berichterstattung ließe Betroffene oft zögern, zum Arzt zu gehen, weil der Begriff negativ konnotiert würde, so Pototschnigg.

Beate Trubel, deren Mann 2018 die Diagnose bekam, hegt den Wunsch einer differenzierten Auseinandersetzung mit der Thematik und, dass Fragen direkt an die betroffene Person gestellt würden. Ihr Mann, Andreas Trubel ist Selbstvertreter und Vorstand von PROMENZ.

Für Beatrix Gulyn, ebenfalls Vorstand von PROMENZ war die Diagnose ein Schock. Sie lebt heute in einem innovativen Wohnprojekt mit jungen Menschen. Man solle Demenz als Teil von einem selbst annehmen und den Menschen mit seinen Stärken und Schwächen sehen, so Gulyn.

Austausch brauchen auch aber Angehörige. Robert Springer besucht die Selbsthilfegruppe „Meine Frau hat Demenz“, denn bei ihr wurde 2016 eine beginnende Demenz diagnostiziert. Gespräche in der Selbsthilfegruppe sind für ihn sehr wichtig; wenig hält er jedoch von Medienberichten, die sich auf die steigende Zahl von Menschen mit Demenz fokussieren. Das würde zusätzlich Angst machen, so Springer.

Angela Pototschnigg bietet Peer-Beratung an und rät, dass man Betroffene darin bestärkt, eigene Wünsche und Bedürfnisse Angehörigen gegenüber zu artikulieren. Eine eigene Vertretung in der Öffentlichkeit und der Austausch zwischen Betroffenen wären wertvoll.

Alle Gäste der Sendung wünschen sich eine präzisere und sensiblere Berichterstattung und eine Involvierung in dieser als Expert*innen in eigener Sache. Es muss noch viel getan werden.

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