BIZEPS-INFO bat den neuen Konzernkoordinator für Barrierefreiheit innerhalb der ÖBB, Reinhard Rodlauer, zum Interview. Rodlauer sieht sich nicht als Alibi innerhalb der ÖBB und hält fest: "Um Barrieren abzubauen, müssen alle an einem Strang ziehen."
BIZEPS-INFO: Was war Ihre Motivation Behindertensprecher der ÖBB-Holding zu werden?
Reinhard Rodlauer (ÖBB): Nach meiner Überzeugung muss Barrierefreiheit umfassend gesehen werden. Barrierefreiheit darf nicht auf eine Personengruppe reduziert werden. Deshalb denke ich, dass die Bezeichnung „Behindertensprecher“ meine Aufgabe bzw. Tätigkeit nur zum Teil beschreibt. Ich bin daher Konzernkoordinator für Barrierefreiheit in all ihren Formen.
Bereits im Vorjahr habe ich im Auftrag der ÖBB Bahnhöfe und Zugverbindungen getestet. Als in der Folge ÖBB-Holding Vorstandssprecher Mag. Martin Huber und Personenverkehrs VD Dr. Stefan Wehinger mich ersuchten, diese Aufgabe zu übernehmen, war mir klar, dass dies eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit ist, in der man sehr viel bewegen kann. Ich habe daher diese Aufgabe gerne angenommen.
Ich möchte Barrieren von innen heraus abbauen und alle Beteiligten dazu motivieren, Barrieren zu erkennen und nicht neu zu errichten. Hier steht Vorstandssprecher Mag. Martin Huber voll hinter mir.
BIZEPS-INFO: Welche Aufgabengebiete haben Sie übernommen?
Rodlauer (ÖBB): Meine Aufgabe ist, das Thema Barrierefreiheit konzernintern zu koordinieren, ich bin daher in der strategischen Steuerung tätig. Es gilt die Zusammenarbeit, zum bestmöglichen Nutzen der Kunden, zwischen den einzelnen Gesellschaften des ÖBB-Konzerns zu fördern, abzustimmen und zu intensivieren – also auch neue Ideen und Lösungsansätze durch den Pool von Experten zu generieren.
Ich stehe im sehr engen Kontakt zum Bereich Forschung und Entwicklung in der ÖBB – Holding AG. Gemeinsam versuchen wir Lösungen zu erarbeiten, mit denen wir in absehbarer Zeit an die zuständigen Verbände herantreten können, um eine weitere Verbesserung für mobilitätseingeschränkte Reisende zu erreichen.
BIZEPS-INFO: Stellen wie die Ihre beinhalten einerseits die Gefahr zu Alibipositionen zu verkommen und andererseits beinhalten sie die Chance zur Veränderungen von innen. Wo sehen Sie die Gefahren und die Chancen?
Rodlauer (ÖBB): Nein, die Gefahr zu einer Alibiposition zu verkommen sehe ich hier nicht und halte diese These auch für den falschen Zugang zu dieser wichtigen Initiative der ÖBB.
Faktum ist, dass die ÖBB als eines der wenigen Unternehmen Österreichs eine Forderung der „Selbstbestimmt Leben Bewegung“ aufgreift, und eine betroffene Person als Experten in eine solche Position einsetzt.
Wie zu Beginn erwähnt, sehe ich dadurch die Chance, Barrieren von innen heraus abzubauen. Barrieren sowohl baulicher und technischer Natur als auch zwischenmenschliche Barrieren. Denn oft ist es so, dass wenn wir alle mehr miteinander reden und vorurteilsfreier an Probleme herangehen, diese Probleme leichter und konfliktärmer zu lösen sind. Und das betrifft immer beide Seiten.
BIZEPS-INFO: Welche Erwartungen haben Sie an sich selbst? Was möchten Sie konkret erreichen, damit Sie in drei Jahren sagen können: „Ja, ich war erfolgreich“?
Rodlauer (ÖBB): Wichtig ist für mich, einen Prozess am Laufen zu halten, der auf der einen Seite Bewährtes weiterführt auf der anderen Seite jedoch überaltertes Denken aufgibt und für Neues offen ist. Es ist wichtig, Projekte und Initiativen anderer Unternehmen genau zu beobachten und wenn uns diese als zielführend erscheinen, zu versuchen sie zu integrieren.
Es gibt in der ÖBB sehr engagierte Mitarbeiter, denen das Thema Barrierefreiheit ein großes Anliegen ist. Mit denen werde ich sehr eng zusammenarbeiten, um so rasch wie möglich bestehende Barrieren abzubauen. Die enge Zusammenarbeit mit diesen Spezialisten, der interne Austausch des KNOW HOW und das Konsolidieren der Ziele, ist eines meiner prioritären Ziele.
Besonders wichtig für meine Arbeit im ÖBB-Konzern wird es jedoch sein, sehr engen Kontakt mit den Verbänden und Interessensvertretungen zu halten.
Die ÖBB legen ein klares Bekenntnis zu dieser Zusammenarbeit ab, denn ohne diese wird unser gemeinsames Ziel, nämlich durch Abbau von Barrieren mobilitätseingeschränkten Menschen das Reisen mit der Bahn zu erleichtern, nur schwer zu erreichen sein.
BIZEPS-INFO: Nicht dem Stand der Technik von Barrierefreiheit entsprechende Fahrzeuge wie der Talent und der Desiro haben der ÖBB sehr viel Kritik eingetragen. Lob gab es hingegen für viele der Infrastrukturmaßnahmen wie z. B. Bahnhofsumbauten. Warum glauben Sie, waren die Reaktionen so unterschiedlich?
Rodlauer (ÖBB): Unbestritten ist, dass im Zuge der Bahnhofsoffensive und des persönlichen Engagement von Dipl.-Ing. Wolfgang Skowonek im Infrastrukturbereich sehr viele Barrieren abgebaut werden konnten. Herr Christian Schwarzl – Beauftragter für mobilitätseingeschränkte Menschen im Personenverkehr, der zu Beginn dieses Jahres seine Tätigkeit aufgenommen hat – arbeitet mit Hochdruck daran, ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit zu erreichen.
Grundsätzlich verwehre ich mich aber dagegen, Trennlinien zu ziehen. Denn auch hier gilt, Barrierefreiheit muss ganzheitlich gesehen werden. Um Barrieren abzubauen, müssen alle über Teilgesellschaften hinweg an einem Strang ziehen. Und das tun sie auch grundsätzlich.
BIZEPS-INFO: Wie wird verhindert, dass auch bei zukünftigen Bestellungen in Bezug auf Barrierefreiheit mangelhafte Fahrzeuge angeschafft werden und wie werden Bestehende nachgerüstet?
Rodlauer (ÖBB): Bei allen aktuellen Anschaffungen wird besonders auf die Barrierefreiheit geachtet. Ich werde mich natürlich dafür einsetzen ein Maximum zu erreichen. In der Beschaffung von Neufahrzeugen ist die Untersuchung auf Einsatzbereich und Zugangsmöglichkeit unbedingt notwendig. Hier ist besonders darauf zu achten, dass die Ausrüstung der Fahrzeuge in einem machbaren Verhältnis zu den Kosten steht.
Mir ist aber auch bewusst, dass in der Entwicklung von neuen Techniken noch hohes Potenzial liegt. Es muss uns in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gelingen, neue, effiziente und kompatible Technologien zu finden, die das Nachrüsten und Neuausrüsten von Fahrzeugen einfach und kostengünstig machen. Hier werden von uns entsprechende Forschungsinitiativen gestartet.
BIZEPS-INFO: Im Jänner 2006 tritt das Behindertengleichstellungsgesetz in Österreich in Kraft. Welche konkreten Auswirkungen erwarten Sie für die ÖBB?
Rodlauer (ÖBB): Unabhängig vom Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes erkenne ich im ÖBB Konzern Verständnis und große Veränderungsbereitschaft für die Anliegen behinderter Menschen. Natürlich bedeutet aber das Behindertengleichstellungsgesetz für ein Unternehmen wie die ÖBB hohen Investitionsbedarf. Dieser wird von der ÖBB nicht alleine getätigt werden können, sondern muss auch von den Gebietskörperschaften mitgetragen werden.
BIZEPS-INFO: Welches Konzept wollen Sie einsetzen, um einerseits über bestehende Leistungen für behinderte Menschen besser zu informieren und andererseits Leistungen zu verbessern?
Rodlauer (ÖBB): Wir haben bereits eine eigene Telefonnummer für mobilitätseingeschränkte Reisende eingerichtet. Unter der Telefonnummer des Mobilitäts-CallCenter der ÖBB, 05 17 17, danach in der Menüführung 5 und danach wieder 5, bekommt man alle Informationen über die bestehenden Leistungen für diese Zielgruppe. Neu ist auch ein Onlineformular im Internet, mit dem man sich für eine Reise anmelden kann.
BIZEPS-INFO: Leistungsverbesserungen – wie z. B. bei Fahrzeugen – wird die ÖBB nicht zur Gänze aus dem laufenden Budget bestreiten können und daher zusätzliche Bundesmittel bekommen müssen. Gibt es detaillierte Kostenaufstellungen, welche Maßnahme der Barrierenbeseitigung bei Fahrzeugen welche finanziellen Mittel erfordern?
Rodlauer (ÖBB): Wichtig ist für mich zuerst einen Status der derzeitigen Barrierefreiheit zu erheben. Danach werden wir ein Konzept erstellen, in dem auch eine Budgetierung der notwendigen Maßnahmen vorhanden sein wird. Wir werden dann auch mit anderen Kostenträgern Kontakt aufnehmen und verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten diskutieren.
BIZEPS-INFO: Wir danken für das Interview.
Manfred Srb,
25.08.2005, 12:38
In diesem ausführlichen Interview findet sich leider keine konkrete Zusage darüber, daß TALENT & Co ab sofort barrierefrei angeboten werden und daß sie zweitens barierefrei nachgerüstet werden. Schade!
martin habacher,
06.08.2005, 23:55
also leute ich komme gerade von einer woche urlaub mit der ÖBB zurück. ICH WILL EIN AUTO!
Früher (vor ca. einem 1/2 jahr) gab es die security der bahn, die einem in den zug gehoben hat – eine spitzen sache. hatte nie probleme mit ihnen. habe 1 – 2 std. vorher am bahnsteig angerufen und mich angemeldet. es dauerte einige zeit bis ich die nr. aller (für mich) wichtigen bahnhöfe hatte, aber dann klappte alles reibungslos. nun hat mir der freundlich und politisch korrekte schalterbeamte in attnang puchheim mitgeteilt, daß es nun eine neue nr gibt. 05/1717-5-5!
keine bahnsteig-handynr mehr! und ich muß mich 2 TAGE! vorher anmelden. dort in innsbruck sitzt ein mensch mit beeinträchtigung und der nimmt meine reservierung entgegen. das geht jetzt alles digital! ich hab also 2 TAGE vor meiner heimreise angerufen und wollte eine einstiegshilfe reservieren (bin e-rolli-fahrer). 45 min. später und beim 3. anruf bei besagter hotline konnte mir geholfen werden. selbstverständlich mußte ich meinen namen und meine wohnadresse angeben – das computersystem benötigt diese angaben um die reservierung durchzuführen.
am bahnsteig gibt es auch keine sicherheitskräfte mehr, die sich mit den hubliften gut auskennen. nein jetzt sind das – sehr nette und hilfsbereite – damen die völlig damit überfordert sind!!!
ICH FINDE ES EINE SCHWEINEREI UND SAGENHAFTE DISKRIMINIERUNG IMMER UND ÜBERALL MEINE DATEN ANGEBEN ZU MÜSSEN, WÄHREND „NORMALE“ MENSCHEN DIE SELBEN DINGE ANONYM TUN DÜRFEN!!! die öbb ist alles nur nicht für barrierefreiheit und gleichstellung all ihrer fahrgäste!
ein sich zu tiefst diskriminiert fühlender mensch mit mobilitätseinschränkung, der sobald er ein auto hat, nie wieder einen zug besteigen wird!
dieter schrage,
06.08.2005, 14:52
Bitte an Herrn Rodlauer (ÖBB) weiterleiten: Sehr geehrter Herr Rodlauer!
Ich wohne in der Nähe des Bahnhof Penzing und die S-Bahnen wären oft eine günstige Verbindung für mich. Nur bin ich schwer gehbehindert (beidbeinig unterschenkelamputiert), aber an sich bin ich als Nicht-Autofahrer sehr beweglich im öffentlichen Verkehr und als 70Jähriger auch noch berufstätig (Univ. Wien und Salzburg).
In die alten Modelle der Schnellbahn – vor allem im geradezu behindertenfeindlichen Bahnhof Penzing -habe ich angst, in die S-Bahn einzusteigen. Hier muss ich sagen, dass beim Aussteigen aus der Straßenbahn ein Arm von mir eingeklemmt und ich – schwerer verletzt – von der Straßenbahn mitgeschleift wurde.
Meine Fragen: 1)Was kann mir bei der S-Bahn (die alten Modelle werden ja noch länger fahren (!!), wo ja ein Eingeklemmt werden noch folgenreicher sein kann, Sicherheit geben??
2) Wann wird der völlig unzulängliche Bahnhof Pensing behindertengerecht umbebaut?? Als grüner Bezirksrat habe ich mehrere Anfragen an Stadtrat Rieder gerichtet, musste aber erfahren, dass es bei der ÖBB keine Absichten gibt Bhf. penzing in absehbarer Zeit behinderten gerecht zu sanieren (!!).
Für eine baldige Rückäußerung danke ich im Voraus. Mit besten Grüßen Dieter Schrage
Robert Stockhammer,
05.08.2005, 08:59
Am Südbahhof gibt es für die Bahnsteige 20 – 24 KEINEN Aufzug, nicht einmal eine Rolltreppe. Bin gehbehindert(Rollator). Was soll ich tun wenn ich mit dem Zug (Wiesel nur möglich) zu meiner Freundin nach Wr. Neustdt fahren will?