- SchlichtungswerberIn: Dipl.-Pol. Christiane Link
- Unterstützt von: Martin Ladstätter
- Schlichtungspartner: WIENER LINIEN GmbH & Co KG
- Zeitraum: 20. Februar 2006 bis 12. Juni 2007
- Bundesland: Wien
- Gesetzesgrundlage: BGStG
- Einigung: Ja
Schlichtungsantrag
Ich plane, an der Universität Wien zu promovieren und war in dieser Angelegenheit am 13. Februar 2006 in Wien mit der U-Bahn der Linie 6 unterwegs, um einen Termin im Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft wahrzunehmen. Anschließend fuhr ich mit der Linie 6 von der Haltestelle Währinger Straße Volksoper bis zur Haltestelle Burggasse Stadthalle, um zum Beratungszentrum BIZEPS zu gelangen.
Mir wurde mitgeteilt, dass ich laut Beförderungsbestimmungen der Wiener Linien – als Rollstuhlfahrerin eine Begleitperson mitnehmen muss. Später habe ich im Aushang nachgelesen: „Fahrgäste im Rollstuhl: Der technische Fortschritt ermöglicht RollstuhlfahrerInnen die Mitfahrt in den U-Bahn-Linien U1, U2, U3 und U4, in allen Niederflurbussen und Niederflurstraßenbahngarnituren. Aus Sicherheitsgründen ist in der U6 die Begleitung durch eine erwachsene Person verpflichtend.“
Diese Bestimmung ist für mich diskriminierend und für mich nicht nachvollziehbar. Ich empfinde sie als Teilentmündigung und damit als Herabwürdigung bzw. Kränkung.
Ich bewege mich in der Stadt selbstständig und kann durchaus abschätzen, für welche Situationen ich Begleitpersonen benötigen würde. Durch eine verpflichtend vorgeschriebene Begleitperson, die ich in dieser Situation nicht benötigte, entstehen mir zusätzliche Kosten.
Eine Vorschrift dieser Art schränkt mich in meiner Mobilität und auch bei meiner beruflichen Tätigkeit als Journalistin bei Terminen in Wien ein. Ich hatte in der Vergangenheit mehrfach in Wien zu tun und werde auch für meine Promotion öfter in Wien unterwegs sein.
Außerdem beinhaltet diese Bestimmung auch einen möglichen Haftungsausschluss des Unternehmens. Ich befürchte, dass etwaige entstehende unfallbedingte Kosten durch mich selbst zu tragen wären, während Fahrgäste ohne Behinderung einen Versicherungsschutz genießen.
Schlichtungsvereinbarung
Die Beförderungsbedingungen wurden in diesem Punkt geändert und am 12. Juni 2007 teilt die Rechtsabteilung der Wiener Linien per Mail mit, dass auch in der U-Bahn Linie 6 “mit sofortiger Wirkung die Beförderung von Rollstuhlfahrern ohne Begleitperson” erlaubt sei.
Da die Beförderungsbedingungen grundsätzlich in Überarbeitung sind, bittet man um Verständnis, dass die Aushänge in den Stationen noch nicht geändert werden.
Anmerkungen/Bewertung
Die Schlichtungswerberin lebt nicht in Österreich. Das Schlichtungsverfahren zog sich über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.
Bewertung durch Dipl.-Pol. Christiane Link
Ich empfinde die Schlichtung, wie sie das österreichische Recht vorsieht, als eine gute Möglichkeit, Unternehmen und Organisationen zu Barrierefreiheit und gleichberechtigter Teilhabe zu bewegen und ein diskriminierungsfreies Handeln durchzusetzen. Mein eigenes Verfahren hat gezeigt, dass man dennoch einen langen Atem braucht, wenn Zuständigkeiten nicht geklärt sind.
Dennoch ist es ein guter Weg, die Akteure in einem Schlichtungsverfahren persönlich an einen Tisch zu bringen. Denn eines wird dabei in jedem Fall deutlich, wenn ein Brief vom Bundessozialamt bei einem Unternehmen ankommt: Diskriminierung behinderter Menschen wird nicht geduldet. Der österreichische Staat hat ein Verfahren geschaffen, um der Diskriminierung möglichst früh und niederschwellig etwas entgegensetzen zu können.
Bewertung durch BIZEPS
Das Schlichtungsverfahren war sehr komplex und hat daher auch sehr lange gedauert. Zuerst gab es sicherheitstechnische Bedenken und dann wurde ein Antrag bei der zuständigen Wiener Magistratsabeilung 64 eingebracht, der inhaltlich mit der Schlichtungswerberin und dem Verein BIZEPS abgestimmt war.
Im Antrag wurden sicherheitstechnische Bedenken ausgeräumt und darauf hingewiesen, dass es ein laufendes Schlichtungsverfahren gemäß BGStG gibt. Nach monatelangen Verhandlungen zwischen Wiener Linien und der MA 64 wurde plötzlich klar, dass zur Änderung der Beförderungsbedingungen keine Zustimmung der MA 64 erforderlich ist und die Wiener Linien änderten die diskriminierende Passage umgehend.