Ein persönlicher Kommentar.
Die Causa „Steinhof“ bzw. der Umstand, dass der Endbericht über die „Vorfälle im Pavillon 15 im Otto-Wagner-Spital“ nicht veröffentlicht wurde, hat bei einigen Personen für Kritik und Empörung gesorgt.
Doch die Empörung war nicht laut genug. Die Anzahl der empörten Personen letztendlich war viel zu gering. Oder anders formuliert: die breite Öffentlichkeit war und ist zu träge, hat sich mit dem Alibi-Ergebnis „damals übliche Betreuungsmethoden“ und der Begründung für die Nicht-Veröffentlichung „aus Datenschutzgründen“ zufrieden gegeben.
Datenschutz – wann und wo es denen da oben gefällt
„Aus Datenschutzgründen“, das wird immer wieder gerne als (Totschlag-)Argument von Politik, Wirtschaft und Institutionen herangezogen, um brisante Informationen der Öffentlichkeit oder auch Einzelpersonen vorzuenthalten. Um sich nicht einer vielleicht unbequemen Diskussion stellen zu müssen.
Andererseits sind gerade diese „Datenschützer“ höchst begierig darauf, so viele Informationen wie möglich über den Bürger und die Bürgerin zu sammeln.
Wie viele Formulare haben wir im Laufe unseres Lebens schon ausgefüllt, wie viele persönliche Daten preisgegeben? Und war es nicht immer wieder auch mit einem unguten Bauchgefühl verbunden? Warum haben wir nicht nach- oder hinterfragt? Aus Angst vor einer Behörde? Aus Angst, sonst eventuell schlechter behandelt zu werden?
Der transparente Bürger, die gläserne Bürgerin – eine Horrorvorstellung, die vor allem durch die Möglichkeiten der neuen Kommunikations- und Informationstechnologien immer mehr Realität wird.
Wissen ist Macht
Datenhoheit ist mit Macht verbunden. Diese Stelle weiß etwas, was andere nicht wissen. Und sie kann bestimmen, mit wem sie welche Daten teilt und mit wem nicht. Im Zuge der Datenverarbeitung kommt es zu mitunter subjektiven Interpretationen bzw. Manipulationen, Daten werden verkürzt, anhand eines vorgegeben Rasters beurteilt und kategorisiert. Daten aus verschiedenen Datenbanken werden miteinander verknüpft.
Daten können Bewegungsmuster liefern. Mit Daten wird argumentiert – ein Vorteil für denjenigen, der allein über diese Daten verfügt. Anhand von Daten wird für die Zukunft geplant. Mehr noch: Anhand von Daten werden Vorhersagen von noch nicht eingetretenen Ereignissen oder Zuständen getätigt. „Schöne neue Welt.“
Grundlagenstudie versus Hundezone
Die Stadt Wien hat sich laut Eigenaussage der sog. „Open Data“ verschrieben. „Open Government Data bezeichnet die Idee, dass von der Verwaltung gesammelte öffentliche Daten frei zugänglich gemacht werden.“ Die bisherigen Anwendungen sind recht unterschiedlich und reichen von einer App zu Ambulanzen oder Behindertenparkplätzen über Informationen zu Kurzparkzonen bis zu einer App über Hundezonen. So praktisch auch einige Apps für die Bürger der Stadt Wien sind, so zynisch wirkt es dann, dass auf der anderen Seite wirklich bedeutende Informationen zurückgehalten und nicht veröffentlicht werden.
So wurde der Download der „Grundlagenstudie: Menschen mit Behinderung in Wien“ zwar schon seit Monaten auf der Homepage der Stadt Wien angekündigt, eine Veröffentlichung blieb bis dato aber aus. Und dass es hier um etwas wirklich Wichtiges zu gehen scheint, is der Homepage der Stadt Wien selbst zu entnehmen „ die Studie dient als Grundlage für die Bedarfsplanung. Sie umfasst Analysen zu elf verschiedenen Datenquellen und gibt Einblick in die Lebenswelt von Menschen mit Behinderung.“
Der Hinweis auf der Homepage des mit der Studie beauftragten Institutes (L&R Sozialforschung) „ erreicht werden, indem unter strengster Wahrung des Datenschutzes die unterschiedlichen Datenbestände auf einer personenbezogenen Ebene zusammengeführt werden“ beruhigt zumindest mich nicht wirklich.
Stadt Wien – quo vadis?
Die Öffentlichkeit hat zumindest das moralische Recht auf Veröffentlichung des Endberichtes in der Causa „Steinhof“ und ebenso auf die umgehende Veröffentlichung der angekündigten Grundlagenstudie. Wenngleich die Ausgangslage in der Causa „Steinhof“ schon sauer aufstößt.
Denn die Selbstevaluation des Krankenanstaltenverbundes allein kann nicht die objektiven Ergebnisse einer unabhängigen Untersuchungskommission zu Tage bringen. Und so schleicht sich nicht nur bei mir die Frage ein, wie die Stadt Wien bzw. der Krankenanstaltenverbund in Zukunft mit Untersuchungen oder Evaluationen von neuen Projekten umgehen wird.
Die Methoden Selbst- und Fremdevaluation haben ihre Traditionen. Doch wird die reine Selbstevaluation immer interne, blinde Flecken übersehen.
Um was es wirklich geht
Die breite Öffentlichkeit ist gesättigt von Datenskandalen. Von der Weitergabe von Patientendaten an Pharmafirmen bis zum NSA-Skandal. Der einzelne Mensch fühlt sich hilf- und machtlos. Er muss nur funktionieren als kleines Rädchen im großen Getriebe.
Herr und Frau Österreicher resignieren hier sehr schnell. Bis sie selbst davon betroffen sind. Doch dann ist es oftmals schon zu spät. Es geht nicht nur um Daten, Daten brauchen nicht vor Menschen geschützt werden, vielmehr geht es um den Schutz von Menschen und die Wahrung ihrer grundlegenden Rechte.
Psychisch kranke sowie behinderte Kinder und Erwachsene wurden in der NS-Zeit im Rahmen des „Euthanasie“programmes ermordet. Die meisten Krankenpfleger und Ärzte haben auch nach dem Krieg weiter gearbeitet. Ihre Einstellung hat sich nicht geändert. Vieles der NS-Medizin hat Jahre und Jahrzehnte lang weiter gewirkt.
Die heutige Politik und Öffentlichkeit blendet diese Tatsache nur allzu gerne aus. Auch die Tatsache, dass es Menschenrechtsverletzungen in Behinderten- und Pflegeeinrichtungen auch heute noch gibt.
Wenn Kinder betroffen waren/sind, dann geht noch eine kurzfristige Empörung durch Medien und Öffentlichkeit. Aber was ist mit den vielen hochbetagten, schwer kranken und behinderten Erwachsenen heute?
Die, die keine Angehörigen, Rückhalt und Lobby haben. Menschenrechtsverletzungen aufzuzeigen und menschenwürdiges Leben für jeden Bürger und jede Bürgerin zu ermöglichen, ist unsere Menschenpflicht.