Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie für Menschen mit Behinderungen wieder misslungen

Der Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit steigerte sich von unzureichenden Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen zur Eliminierung der Menschen mit Behinderungen aus dem Gesetzesentwurf.

Flagge der Europäischen Union
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Der im Mai 2003 vom BMWA vorgelegte Diskussionsentwurf zur Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes hatte das Ziel, die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU – Antirassismusrichtlinie und Rahmenrichtlinie für Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – auch in Österreich gesetzlich umzusetzen. Für Menschen mit Behinderungen war der erste Entwurf jedoch völlig unzureichend. Die Reaktionen der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen lauteten daher im Kern: „So können wir den Entwurf nicht akzeptieren.“

Nun, zugegebener Maßen eine ziemlich subtile Formulierung. Minister Bartenstein interpretierte diese Position so, dass die Menschen mit Behinderungen sowieso im Gleichbehandlungsgesetz nicht berücksichtigt werden wollen und klammerte diese massiv diskriminierte Personengruppe entgegen dem Auftrag der Richtlinie kurzerhand von seinem Gesetzesentwurf aus; als Begründung dafür verwies er die Umsetzung der Rahmenrichtlinie für Menschen mit Behinderungen in Beschäftigung und Beruf in das laut Regierungsprogramm irgendwann zu erlassende Behindertengleichstellungsgesetz.

Die ExpertInnen der Österreichischen Behindertenbewegung zeigten sich verwundert und entsetzt:

Martin Ladstätter (BIZEPS): „Wir haben uns niemals aus dieser Maßnahme der Republik Österreich, mit der die Antidiskriminierungsrichtlinien umgesetzt werden sollen, herausreklamiert. Das wäre ja wohl auch kaum vertretbar, sich gegen einen ersten Schritt gegen Behindertendiskriminierungen in der Arbeitswelt auszusprechen. Wir haben im Mai vielmehr gefordert, den völlig mangelhaften Gesetzesentwurf entsprechend unseren Forderungen nachzubessern und die ExpertInnen der Behindertenbewegung in die Ausarbeitung einzubeziehen.“

Wolfgang Mizelli (Vorstandsvorsitzender der Selbstbestimmt-Leben-Initiative Österreich – SLIÖ): „Kurz und bündig! Umsetzung der Direktive jetzt und heute und so, dass alle behinderten Menschen etwas davon haben. Und es muss spürbare Sanktionen bei Verstößen gegen das Gesetz geben. Es macht keinen Sinn darauf zu vertrauen, dass Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen von sich aus einsichtig und gutwillig sind. Wir wollen einklagbare Rechte. Wann behinderte Menschen diskriminiert werden, können nur behinderte Menschen selbst entscheiden, bzw. beurteilen; sie müssen daher als gerichtlich beeidete Sachverständige in Sachen Diskriminierung herangezogen werden! Die Republik muss sich dazu verpflichten, alles zu tun, um behinderten Menschen eine Erwerbsarbeit zu ermöglichen. Behinderte Menschen werden nämlich meistens durch unzureichende Hilfeleistungen an der Erwerbsarbeit gehindert. Notwendige Assistenz und Hilfsmittel fehlen oftmals.“

Dr. Elisabeth Wundsam (Blickkontakt): „Es ist mir einfach völlig unverständlich, dass man unsere klare Stellungnahme derart fehlinterpretieren kann. Statt auf unsere Hinweise und Forderungen inhaltlich einzugehen versucht man uns einfach auf unbestimmte Zeit zu vertrösten; und der zuständige Ressortminister versucht sich mit einer eleganten Drehung aus seiner Verantwortung zu stehlen. Das ist nicht einfach so hinzunehmen.“

Nun, in Wahrheit forderten jene behinderten ExpertInnen, die sich mit der Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien inhaltlich auseinandersetzten vielmehr, dass Menschen mit Behinderungen in die Ausarbeitung des Gesetzesentwurfes eingebunden werden mögen und der Diskussionsentwurf im Sinne der berechtigten Forderungen der Menschen mit Behinderungen umgestaltet werden soll.

Nach wie vor ist diese Position aufrecht und die Regelung der Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen in Beschäftigung und Beruf im Gesetzesvorschlag des BMWA durchaus vorstellbar, wenn die schon im Mai 2003 veröffentlichten inhaltlichen Anforderungen erfült werden, die hier noch einmal kurz zusammengefasst werden sollen:

  • Neben dem privatwirtschaftlichen Arbeitsbereich, der durch das Gleichbehandlungsgesetz erfasst würde, muss die Gleichbehandlung auch für öffentlichrechtliche Dienstverhältnisse, z. B. zum Bund, einem Land, einer Gemeinde etc., gelten.
  • Es muss ein eigener Abschnitt „Gleichbehandlung für Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt“ in das Gesetz aufgenommen werden, der präzise Rechte und Diskriminierungstatbestände für diese Personengruppe regelt.
  • Es muss ein eigener Senat in der Gleichbehandlungskommission und ein eigener Gleichbehandlungsbeauftragter in der Gleichbehandlungsanwaltschaft für Menschen mit Behinderungen geschaffen werden.
  • Es muss eine Beweislastumkehr und ein Verbandsklagerecht geschaffen werden.
  • Die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen müssen in die Vollziehung des Gesetzes entsprechend eingebunden werden.

Es bleibt also abzuwarten, ob Österreich der Pflicht, die Rahmenrichtlinie betreffend Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf auch für Menschen mit Behinderungen fristgerecht bis zum 2. Dezember 2003 gesetzlich umsetzen wird oder gar die Peinlichkeit begeht, bei der Kommission den Aufschub der Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie für Menschen mit Behinderungen um weitere drei Jahre zu beantragen; wenn nicht, so bestünde nach den Prinzipien der EU zur Umsetzung von Richtlinien auch die Möglichkeit, jene Teile der Richtlinie, aus denen klare unmittelbare Rechtsansprüche ableitbar sind, auch in Österreich unmittelbar für den Einzelfall wie eine gesetzliche Regelung anzuwenden. Ach ja, und außerdem droht Österreich bei Nichtumsetzung der Richtlinie innerhalb der gesetzten Frist auch ein Vertragsverletzungsverfahren.

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